ETH-Klimablog - Politik - Kyoto-Protokoll ist verlängert – aber mit ungewissem Ausgang

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Kyoto-Protokoll ist verlängert – aber mit ungewissem Ausgang

10.12.2012 von

Kaum jemand hatte vom UN-Klimagipfel (COP 18) in Katar einen Durchbruch in der Klimapolitik erwartet, obschon vieles gefordert wurde1. Zu unterschiedlich waren und sind die Interessen der beteiligten Länder. Wie die dennoch gefällten Entscheide einzuordnen sind, erläutere ich kurz im Folgenden.

Die Ausgangslage war kompliziert: Die Regierung des grössten Emittenten von Treibhausgasen unter den Industrieländern, der USA, hatte weder im Wahlkampf noch danach eine stärkere Teilnahme im Kyoto-Prozess signalisiert. Gleichzeitig machen die grössten Entwicklungs- und Schwellenländer, allen voran China, Indien und Brasilien, seit Jahren immer wieder klar, dass sie keiner internationalen Verpflichtung zur Reduktion ihrer Treibhausgase zustimmen werden, bevor dies die USA tun. Und die Europäische Union, der bisherige Motor in der globalen Klimapolitik, steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten.

Die Entscheide und was dahinter steckt

Die am Wochenende dennoch gefällte Entscheidung, das Kyoto-Protokoll bis 2020 weiter zu führen, dient letztlich vor allem dem inneren Zusammenhalt der Europäischen Union in der Klimapolitik. Denn ohne diesen Schritt hätte die EU den globalen rechtlichen Rahmen weitgehend verloren, in dem sich ihre Klimapolitik mit den momentanen Zielen (20% Reduktion gegenüber dem Niveau von 1990 bis 2020) bewegt. Der Verlust des globalen Rahmens hätte die unterschiedlichen Interessen innerhalb der 27 EU-Mitgliedsstaaten vermehrt zu Tage treten lassen und weiterführende Massnahmen zum Klimaschutz sicher erschwert.

Die erklärte Absicht der 194 beteiligten Staaten sowie der EU, bis 2015 ein neues Abkommen auszuhandeln und 2020 in Kraft zu setzen, verleiht der bestehenden EU-Klimapolitik ebenfalls eine gewisse Rückendeckung. Weiter wurden den Entwicklungsländern am UN-Klimagipfel zum wiederholten Male (jedoch ohne verbindliche Zusagen) versprochen, dass sie Hilfszahlungen in grossem Ausmass erhalten würden zur Anpassung an den Klimawandel sowie zur Einschränkung ihrer Emissionen.

Kyoto-Protokoll läuft weiter – ist jedoch geschwächt

Ob bis 2015 ein neues Abkommen ausgehandelt werden kann und Hilfszahlungen an Entwicklungsländer in der diskutierten Grössenordnung (ca. 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr ab 2020) geleistet werden, steht noch in den Sternen.

Der in Katar offen zu Tag getretene Streit um die Anrechnung überschüssiger Emissionsrechte – insbesondere von Russland, der Ukraine und Weissrussland – an die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls (2012-2020), dürfte das Kyoto-Protokoll noch weiter schwächen.

Bereits jetzt steht das Protokoll auf schwachen Füssen, denn ab dem 1. Januar 2013 werden Russland, Japan und Kanada diesem einzigen globalen Abkommen mit konkreten Verpflichtungen zur Emissionsreduktion nicht mehr angehören. Es wird ab dann ausschliesslich von den 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie zehn weiteren Industrieländern (unter ihnen Australien, Norwegen und die Schweiz) getragen, die je nach Berechnungsgrundlage lediglich rund 12-14 Prozent der globalen Emissionen verursachen. Kurz gesagt ist das Gesamtresultat des diesjährigen Klimagipfels eine Verlängerungszeit mit ungewissem Ausgang.

Bisherige Klimapolitik umsetzen

Ich befürchte, dass die Klimapolitik nun vor einer längeren Durststrecke steht. Eine neue Dynamik wird wohl vor allem dann entstehen, wenn die USA aus der gegenwärtigen Wirtschaftsflaute herausgefunden haben. Allerdings wird der erneute wirtschaftliche Wachstumsschub auch wieder zu mehr Treibhausgas-Emissionen führen. In den kommenden Jahren gilt es also – leider –, vor allem die bisher rechtlich verankerten Klimapolitiken möglichst gut umzusetzen und Freiräume für eigene Initiativen verschiedener Staaten zu schaffen.

Zu hoffen ist, dass solche unilateralen Initiativen zu erfolgreichen Demonstrationsprojekten werden, die andere Staaten zu ähnlichen Massnahmen ermuntern. Dazu gehören auch bislang kontroverse Vorhaben, wie die Einbindung der Fluggesellschaften in das Europäische «cap-and-trade»-System sowie Zölle beziehungsweise Steuern für Importe besonders CO₂-intensiver Güter.

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1siehe zum Beispiel germanwatch.org (pdf) oder www.unep.org

Zum Autor

Thomas Bernauer ist Professor für Politikwissenschaft an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie





Kommentare (6) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

@ Rhode

Auch wenn Leute wie Sie nicht müde werden ihn zu behaupten: es gibt ihn nicht, den Zusammenhang zwischen Wetterereignissen und steigendem CO2-Atmosphärenanteil. Es ist auch keine Zunahme solcher Ereignisse zu beobachten.
Völlig leichtsinnig wäre es, von einer Reduktion der CO2-Emissionen eine Vermeidung von Extremwetterereignissen zu erwarten. Die gab es zu allen Zeiten und es wird sie auch künftig geben.

Höhere Schäden entstehen durch das Bevölkerungswachstum, durch Landnahme und Bautätigkeit in gefährdeten Regionen, kurz durch eine zunehmende Risikoexposition, fehlende Planung, Unterlassung geeigneter Vorkehrungen, mangelhaftes Gefahrenbewusstsein, ungenügenden Schutz.

Die von ihnen gescholtene Industrie hat weltweit für eine enorme Verbesserung der Lebensverhältnisse gesorgt, u. a. auch dadurch, dass sie mit der Bereitstellung von einfach und überall verfügbarer Energie eine Anpassung an Naturgefahren überhaupt erst ermöglichte. Damit seien die von derselben Industrie verursachten Umweltschäden nicht unter den Tisch gekehrt, aber allein den Schaden zu sehen, wo ein hoher Nutzen offensichtlich ist, ist sehr einäugig.

Was das von Ihnen erwähnte „Bezahlen“, Rechenschaft und Verantwortung angeht, wäre interessant zu erfahren, wer für die bisher angerichteten, von der Klimahysterie geförderten und von AGW-Opportunisten angerichteten Schäden aufkommen wird. Sollen da auch Leute vor Gericht gestellt werden?

Zwei Beispiele aus einer Reihe zahlreicher weiterer …

http://www.focus.de/wissen/klima/erneuerbare-energien/tid-27834/nach-entscheidung-der-eu-kommission-zu-biokraftstoffen-experten-fordern-energiesparen-statt-biosprit_aid_845735.html

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/razzia-bei-deutscher-bank-verdacht-auf-betrug-mit-co2-zertifikaten-a-872448.html

@Kommentar von Arnim Rhode. 11.12.2012, 20:09
Sehr geehrter Herr Rhode,
Wenn (Zitat)„die wahren Schuldigen“ die Klimaskeptiker wären, könnte man die genannten Klimaskeptiker zur Rechenschaft ziehen. Eventuell eines Tages so wie man heute schon Kriegsverbrecher vor Gericht stellt?“

Doch bei den UN-Klimagipfeln, von denen hier die Rede ist, sind unter den verhandelnden Parteien (COP=Conference of the Parties) keine Klimaskeptiker dabei – mindestens ist von keiner der Parteien eine klimaskeptische Aussage bekannt.

Als Klimaverbrecher müssten sie also den heutigen Präsidenten der USA, Barack Obama, die chinesische, kanadische, indische, russische und einige andere Regierungen vor Gericht stellen.
Das ist eben das Problem: dass die Regierungen zwar prinzipiell für Klimamassnahmen sind allerdings nicht zu einschneidenden und in ihrer Einschätzung kostspieligen Verpflichtungen bereit sind.

Der Vorschlag, Zahlungen an die betroffenen Länder nach dem Verursacherprinzip zu leisten, ist mindestens teilweise über den Green Climate Fund abgedeckt, bei welchem es sich um “ a mechanism to transfer money from the developed to the developing world, in order to assist the developing countries in adaptation and mitigation practices to counter climate change. „
Solche Zahlungen an die Entwicklungsländer haben aber selbst ihre eigenen Probleme, sind die 100 Milliarden Dollar bis 2020 doch
1) vor allem für Anpassungsmassnahmen gedacht obwohl jetzt eigentlich die Zeit für die Vermeidung von Treibhausgasen wäre
2) sind sie ähnlich wie Entwicklungshilfe einzustufen

Meiner Meinung nach könnte man mit den 100 Milliarden Dollar auch einzelnen Entwicklungsländern eine vollkommen CO2-freie Energieversorgung aufbauen. Solche Vorzeigeprojekte hätten Austrahlungskraft.

@Arnim Rohde: Was sind das für inquisitorische Töne, die Sie da anschlagen? Sind Sie nicht auch ein Verursacher des Klimawandels, indem Sie CO2 ausatmen, und direkt oder indirekt zu dessen Erzeugung beitragen? Womit ist denn Ihre Wohnung geheizt? Wieviel CO2 fiel bei der Herstellung und dem Transport Ihres PCs an, auf dem Sie gerade herumspielen? Haben Sie nicht auch noch einen zweiten PC, der jetzt gerade im Büro oder zuhause am Netz hängt? Benutzen Sie nicht gerade die weltweit aus Millionen von PCs bestehende Serverinfrastruktur, die Tag und Nacht im Betrieb ist? Benutzen Sie CO2-freie Transportmittel um zur Arbeit zu fahren, um ihre Einkäufe zu tätigen? Holen Sie Ihre Verbrauchsgüter CO2-frei beim Produzenten ab oder lassen Sie sich diese CO2-frei in Ihre Nähe bringen, wo Sie sie abholen?
Geben Sie zu, dass mitverantwortlich sind an der CO2-Erzeugung, dass Sie von den Errungenschaften in Wissenschaft, Technik und Medizin gerne und ausgiebig profitieren obwohl diese Errungenschaften nur dank unbeschränkt verfügbarer Energie überhaupt erst möglich geworden sind.

Wer ist verantwortlich für welche Überschwemmungen und Erdbeben? Gibt es diese erst seit der Erfindung des Klimawandels?
Wer leugnet denn den Klimawandel?

Wo wollen Sie denn „Ihre“ verurteilten Kriegsverbrecher unterbringen? In Gefängnissen, die CO2-frei gebaut und unterhalten werden? Auf einem Scheiterhaufen CO2-frei verbrennen?

Ihre verbale Tirade ist hier fehl am Platz, weil sie bar jeder vernünftigen, sachlichen Logik ist. Sie würde eher zur Predigt einer Weltuntergangs-Sekte passen. Der 21. Dezember bietet sich da geradezu an ….

Ich warte seit langem vergeblich darauf, dass die Verursacher des Klimawandels und die so genannten Klimaskeptiker die Verantwortung fuer ihre Entscheidungen uebernehmen. Wer wird die bislang unabsehbaren Schaeden, die der Klimawandel verursachen bezahlen? Wird man die so genannten Klimaskeptiker zur Rechenschaft ziehen? Eventuell eines Tages so wie man heute schon Kriegsverbrecher vor Gericht stellt? Wer ist verantwortlich wenn es zu Ueberschwemmungen mit Toten und Milliardenschaeden kommt, weil die verantwortlichen Lokalpolitiker den Klimawandel leugnen und den Deichschutz an veralteten Vorhersagen ausrichten?

Beim diesjaehrigen Gipfel in Doha haben die am staerksten betroffenen Entwicklungslaender, die wie auf den Philipinen schon jetzt mit haeufigeren Extremwetterereignissen zu kaempfen haben, Zahlungen nach dem Verursacherprinzip eingefordert. Die USA haben diese Forderung abschmettern koennen was ich sehr bedaure.

Dabei ist es doch so, dass wenn Firmen aus dem Oel/Kohlesektor oder Politiker behaupten, es gebe keinen Klimawandel, dann koennen sie solche Verpflichtungen ja unbesorgt uebernehmen – ihrer eigenen Argumentation folgend haetten sie ja nichts zu befuerchten… Aber natuerlich wissen diese Personen und Firmen ganz genau, dass ihr aktuelles, durch Gier motiviertes, Handeln den Klimawandel verstaerkt und zu unabsehbaren Schaeden fuer die Gesamtwirtschaft und letztlich fuer die Menschheit fuehren wird. Ich hoffe, dann werden nicht wie beim Erdbeben in Italien die Wissenschaftler als Suendenboecke hingestellt sondern die wahren Schuldigen zur Verantwortung gezogen.

Der Stagnation in den Klimaverhandlungen kann man einen positiven Aspekt abgewinnen insoweit als Länder wie China, Indien und die USA weiterhin mitmachen und sich später sogar zu CO2-Reduktionen verpflichten wollen.
Dass Länder wie China und Indien ihre Emissionen vorerst noch weiter erhöhen ist aus historischer Sicht logisch und zu erwarten, denn sie befinden sich auf dem gleichen Pfad in die Industrialisierung, den wir vor 50 bis 100 Jahren beschritten haben.
Hoffnung macht auch die bereits erreichte EU-Emissionsreduktion von fast 20% (gegenüber 1990). Die EU könnte sich ohne weiteres ein 30%-Reduktionsziel bis 2020 setzen und dieses auch erreichen. Dies deutet darauf hin, dass substanzielle Reduktionen der CO2-Emissionen auch weltweit möglich sind, wenn vielleicht auch nicht von allen schon jetzt.

Man kann die Lage aber auch negativ einschätzen. Dann nämlich
– wenn man die erreichten CO2-Emissionsreduktionen bei den Kyoto-Staaten (vor allem den EU-Staaten) als Resultat einer Auslagerung von Emissionen in die Schwellenländer sieht
– wenn man die fehlende Bereitschaft sieht auf die Ausbeutung bekannter Reserven an Öl, Gas und Kohle zu verzichten. Sogar Kyoto-Staaten fördern und exportieren Erdöl und Erdgas.
– wenn man die Preisimplosion im CO2-Emissionshandel berücksichtigt
– wenn man das Austreten von Staaten aus dem Kyoto Protokoll als Menetekel sieht

Gesamtbetrachtung: Weltweit werden die CO2-Emissionen in den nächsten 20 Jahren wohl noch ansteigen, denn selbst wenn China irgendwann in den 2020er-Jahren seinen CO2-Peak erreicht, werden Indien und andere Nachzügler ihren Ausstoss weiter erhöhen.
Hoffnungen muss man in Vorreiter setzen, die zeigen, dass man erfolgreich wirtschaften kann auch wenn man die CO2-Emissionen reduziert. Ohne technische Durchbrüche bei Elektromobilen, Solarpanel, neuer Nukleartechnik etc. wird es wohl auch nicht gehen. Politik allein genügt wohl nicht.

An diesen UN-Klimakonferenzen geht es kaum um Klima und Wissenschaft, eher aber um die Umverteilung des Weltvermögens. Beteiligt sind mehrheitlich Bürokraten, Berater, Interessenvertreter, Politiker, Diplomaten, NGO’s und Ökoaktivisten. Die beiden letzteren – meist staatlich unterstützt – liefern den ersteren die Stichworte für ein dringliches Handeln, angeblich basierend auf den Ergebnissen der (nicht anwesenden) Wissenschaft.

Bürokraten und NGO’s massen sich dabei einen wissenschaftlich verbrämten Alleinvertretungsanspruch an, der bei einer näheren Auseinandersetzung mit der Materie keine Stützung erfährt. Egal, man spielt sich in gewohnter und routinierter Weise den Ball zu, im Bewusstsein über die wechselseitige Abhängigkeit darin, ihn überhaupt im Spiel zu behalten. Unter kontinuierlich abnehmendem Interesse der Weltöffentlichkeit allerdings und unter Abwendung jener Nationen, die für den Grossteil der CO2-Emissionen von über 85 Prozent verantwortlich sind. Diesen Staaten vorzuhalten, es mangele ihnen an Einsicht, Bewusstsein und Verantwortungsgefühl entspricht dem üblichen Lamento des linksgrünen Spektrums.

Teilweise mag da etwas Wahres dran sein. Wahr ist aber auch, dass genau diesen Bewegungen – ausser in Europa – weltweit kein nennenswertes politisches Gewicht zukommt, weil man ihnen und ihren Rezepten anderswo nicht traut und weil ihnen die z. B. von der Brüsseler Bürokratie grosszügig installierten Biotope in allen Ländern sonst fehlen, mit Ausnahme der Schweiz und Norwegens vielleicht. Man betrachte dazu mal den Speckgürtel und die selbstreferentiellen Netzwerke, die sich rund um das OcCC etc. gebildet haben. Dass all diese von staatlichen Zuwendungen mehr oder weniger abhängigen Organisationen und Unternehmen das Feld räumen, bloss weil ihre apokalyptischen Szenarien ausbleiben, steht kaum zu erwarten.

http://opinion.financialpost.com/2012/12/06/peter-foster-doha-is-dead-on-to-cop-19

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