ETH-Klimablog - Ernährung & Landwirtschaft - «Peak Water»: Eine Entgleisung in der Umweltdiskussion

ETH life zum Thema

Welternährung: «Ein nahrhafter Denkanstoss» (17.10.13)
Klimaforschung: «Klimaforschung im Dialog» (4.10.13)
Klimaforschung: «Emissionen verpflichten uns langfristig» (27.9.13)
Energieforschung: «Der Asket unter den Motoren» (12.9.13 )

Blog-Schwerpunkte

Die Beiträge geordnet nach Wissensgebieten rund um den Klimawandel:
>Klimaforschung
>Umweltfolgen
>Energie
>Mobilität
>Wirtschaft
>Politik
>Stadtentwicklung
>Welternährung
>Nord-Süd

Archive

«Peak Water»: Eine Entgleisung in der Umweltdiskussion

15.10.2013 von

Waterdrop_ Nicholas_Erwin_flickr_teaser_161x97Die maximal mögliche Wassernutzung sei in den USA überschritten, warnt eine amerikanische Studie. Entwickelt sich Wasser zu einer begrenzten Ressource wie Erdöl, dessen Förderung in den USA seit dem Höhepunkt um 1970 zurückgeht? Unsinn – hier läuft eine verfehlte Debatte!

Der Begriff «Peak Water» geistert seit Juni 2010 durch die Umweltdiskussion [1]. Peter Gleick und Meena Palaniappan haben in einer Studie drei Definitionen für die maximal mögliche Wassernutzung vorgestellt [2]. Die Autoren unterscheiden zwischen erneuerbaren und «fossilen» Wasservorräten und postulieren ein Maximum des nachhaltigen Wasserverbrauchs. Sie beziehen sich dabei auf «Peak Oil», den absehbaren Höhepunkt der preiswerten Erdölförderung. Leider fällt dabei der wichtigste Unterschied zwischen dem Erdöl- und dem Wassermarkt unter den Tisch: Erdöl wird auf einem globalen Markt gehandelt und dorthin transportiert, wo es möglichst Gewinn bringend verbrannt werden kann. Geht die globale Ölförderung zurück, so steht die Weltwirtschaft vor einer ernsthaften Herausforderung. Die Versorgung mit Trink- und Brauchwasser liegt dagegen in der Verantwortung von lokalen oder regionalen Wasserwerken und beruht zum grössten Teil auf dem erneuerbaren Wasserkreislauf. Ein globales Maximum der Wasserförderung ist nicht absehbar, wohl aber viele lokale Versorgungslücken. Wer vor einem «Peak Water» warnt, inszeniert eine falsche Diskussion.

Natürliches Recycling

Zwei von drei Regentropfen, die aufs Land fallen, sind zuvor auf dem Land verdunstet und haben so bereits einmal zur Bodenfeuchte und zum Pflanzenwachstum beigetragen. Frischwasser ist in diesem Sinn immer ein «Recyclingprodukt». Im Gegensatz zu den begrenzten Erdölvorräten werden die Frischwasservorkommen permanent erneuert. Das verfügbare Wasservorkommen in einer Region ermittelt man deshalb aus den Niederschlägen und dem Zustrom über Bäche, Flüsse und Grundwasserleiter. Eine verfügbare Wassermenge von weniger als 500 Kubikmeter pro Person und Jahr gilt als extreme Wasserknappheit. Die Bevölkerung in vielen Ländern Nordafrikas und im Nahen Osten ist mit dieser Situation konfrontiert. Zwar reicht der natürliche Wasserkreislauf für die Grundbedürfnisse von Trink- und Brauchwasser, der Bewässerungslandwirtschaft sind damit jedoch Grenzen gesetzt.

Fossiles Wasser

Um den Wasserbedarf für die Landwirtschaft zu decken, werden vieler Orts Grundwasservorkommen angezapft, welche sich nur langsam erneuern. Im extremen Fall handelt es sich um «fossiles» Grundwasser, das sich über zehntausende von Jahren angesammelt hat. Diese fossilen Wasservorkommen gehören wie das Erdöl zu den nicht-erneuerbaren Ressourcen. Sie können lokalen Wassermangel kurzfristig überbrücken – hier mag das Peak-Konzept zutreffen. Global betrachtet leisten diese Reserven aber nur einen geringen Beitrag an die Wasserversorgung von Landwirtschaft, Industrie und Haushalten.

Der Tomatenfisch

Anstatt den schiefen Vergleich mit einer Erdölkrise zu bemühen, können wir die Wasserkreisläufe optimieren. Am Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin steht ein Gewächshaus mit einer Reihe von Fischtanks. Darin vermehren sich tropische Speisefische – sogenannte Tilapia. Das Abwasser der Fischzucht fliesst in eine Tomatenkultur. Die Pflanzen erhalten auf diese Weise genügend Stickstoff und produzieren einen guten Ertrag. Das verdunstete Wasser ist sehr sauber, es kondensiert in einer Kühlfalle und fliesst zurück in die Fischtanks. Die «Tomatenfische» wachsen so mit minimalem Wasserverbrauch, und die Tomaten benötigen kaum zusätzlichen Dünger [3].

«Kann der Welt das Wasser ausgehen?» stand als Überschrift zu einem kurzen Artikel über das «Peak Water»-Konzept [1]. Solange uns nicht die Ideen ausgehen, können wir diese Frage getrost mit «nein» beantworten.

 

 

[1] Radio SRF2 «Hundert Sekunden Wissen»: Radio-Beitrag und Artikel

[2] Peter H. Gleick, Meena Palaniappan (2010). Peak water limits to freshwater withdrawal and use. PNAS 107. 11155-11162.

[3] Informationen zum Tomatenfisch

 

Zum Autor

Bernhard Wehrli ist Professor für Aquatische Chemie an der ETH Zürich und an der Eawag. Persönliches Zitat und Biografie

 





Kommentare (3) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

Peak Water ist Unsinn – mindestens wenn man mit diesem Begriff einen globalen Höhepunkt des verfügbaren Wassers verbindet.

Lokal kann es aber sehr schnell zu einem Peak Water kommen und zwar ohne dass neue Leute in ein bestimmtes wasserarmes Gebiet einwandern, einfach dadurch, dass Industrie und Landwirtschaft sich entwickeln, denn sowohl Landwirtschaft als auch viele Industriebranchen sind auf eine gute Wasserversorgung angewiesen. Ein gutes Beispiel dafür ist Nordchina. China insgesamt ist zwar eines der wasserreichsten Länder der Welt – darum auch der massive Ausbau der Wasserkraft in den letzten Jahren – aber im Norden Chinas – dort wo auch Peking liegt – gab es schon immer zuwenig Wasser. Das Problem hat sich durch die Industrialisierung massiv verschärft wie auch der NYT-Artikel China’s Massive Water Problem mit folgenden Sätzen festhält: „there simply isn’t enough water to satisfy growing demands for drinking water, irrigation, energy production and other uses“

Wie schon die alten Römer wollen die Chinesen dieses Problem mit technischen Mitteln lösen. Nicht mit gewöhnlichen Aquädukten wie die Römer sondern mit Wasserleitungen, die teilweise sogar den Fuss des Himalayas queren.
Weltweit nimmt auch die Bedeutung der Meerwasserentsalzung ständig zu. Desalination water world berichtet, dass 2013 80.9 Millionen Kubikmeter Wasser entsalzt wurde 6 Millionen mehr als noch 2012. Weltweit sind Saudiarabien und VAR Hauptnutzer. Bis 2024 sollen weltweit 180 und bis 2030 280 Millionen Kubikmeter Wasser durch Entsalzung gewonnen werden. 280 Mio Kubikmeter Wasser entspricht andererseits nicht einmal dem jährlichen Wasserverbrauch der Schweiz.

Ergänzen könnte man die richtigen Bemerkungen des Autors vielleicht noch mit dem Hinweis, dass die für die Zukunft geforderten geschlossenen Stoff-Kreisläufe – die Kreislaufwirtschaft – heute am ehesten in der Wasserwirtschaft erreicht ist. Wegen den Mikroverunreinigungen ist zwar davon abzuraten, das in Kläranlagen gereinigte Wasser direkt in Mineralwasserflaschen abzufüllen, doch gerade in der Schweiz gibt es ernsthafte Bemühungen mindestens bei den grösseren Abwasseranlagen die Mikroverunreinigungen durch Einbau einer weiteren Klärstufe stark zu reduzieren.

Die maximal mögliche Wassernutzung wird heute und in Zukunft immer mehr zu einer Energiefrage. Denn mit genügend Energie kann man selbst aus Meerwasser Süss- und Trinkwasser gewinnen. Wie im Wikipedia-Artikel Desalination festgehalten, ist mit Reverser Osmose als Meerwasserentsalungsmethode aber der Energieaufwand inzwischen so gering, dass die Kosten der Meerwasserentsalzung nicht grösser sind als die einer langen Trinkwasserleitung. Verfahren wie die reverse Osmose würden sogar die Aufforstung der Sahara und des australischen Outbacks erlauben wie der Artikel Irrigated afforestation of the Sahara and Australian Outback to end global warming zeigt.

Fazit: Geschlossene Kreisläufe gibt es heute am ehesten bei der Wasserbewirtschaftung. Schon bald wird man Abwasser aus Käranlagen trinken und mit entsalztem Meerwasser die Wüste bewässern können. Bei anderen Stoffkreisläufen sind wird hingegen noch weit von der Kreislaufwirtschaft entfernt.

Ich behaupte, dass, lange bevor wir eine „Peak Water“ zu befürchten haben, die Landnutzung einen Peak erfahren wird. Die Wasserflächen auf unserem Planeten nehmen mehr als 70% der gesamten Oberfläche ein. Und der Meeresanstieg sorgt für Millionen Tonnen an zusätzlichem verfügbaren Wasser, nicht wahr?

Sind wir zum Untergang verdammt? „Solange uns nicht die Ideen ausgehen, können wir diese Frage getrost mit «nein» beantworten“
Danke, Herr Prof. Wehrli, Ihre Antwort ist einer Technischen Hochschule würdig.

top