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Wirksame Bepreisung von CO2-Emissionen nur schwer durchsetzbar

20.10.2011 von

Aus der Sicht vieler Ökonomen scheint die Lösung für das Problem des Klimawandels einfach: Durch das «Bepreisen» von CO₂-Emissionen können effiziente Anreize für die Entwicklung und den Einsatz von emissionsarmen Technologien gesetzt werden; sei es durch die Einführung einer CO₂-Steuer oder eines Emissionshandelssystems (Siehe dazu auch den Beitrag «Nägel mit Preisen» von Prof. Lucas Bretschger >hier). 

In einer idealen Modellwelt liesse sich mit einem CO₂-Preis in der Tat ein optimaler Emissionspfad erreichen, der das Risiko grösserer Schäden aus dem Klimawandel minimiert. Um seine Wirkung zu entfalten, müsste ein solcher CO₂-Preis hoch genug sein, um das Nachfrageverhalten im Konsum von Energie und Mobilität nachhaltig zu beeinflussen. Dass jedoch ein solcher globaler CO₂-Preis auf der internationalen Ebene kaum durchzusetzen ist, beweist der Stillstand in den internationalen Verhandlungen für ein Klima-Abkommen in den letzten Jahren.

«Klima-Zoll» als Anreiz für Exporteure

Auch falls kein weiteres Klima-Abkommen zustande kommen sollte, sieht der im Schweizer Parlament diskutierte Vorschlag zur Revision des CO₂-Gesetzes vor, die Schweizer Treibhaus-Gas Emissionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 20% zu reduzieren. Auch die EU hat sich verpflichtet, ihre Klimapolitik notfalls ohne ein internationales Abkommen weiter zu führen.

Käme es zu einem solchen «Alleingang» Europas, wäre zu überlegen, ob Importe aus anderen Ländern mit einem «Klima-Zoll» belegt werden könnten. Damit entstünde auch für Exporteure aus anderen Ländern ein Anreiz zur Emissionsreduktion, selbst wenn kein internationales Abkommen zustande kommt.

Allerdings ist umstritten, ob solche «border tax adjustments» mit den Regeln der Welthandelsorganisation konform sind. Hier ist auch die ökonomische Forschung gefragt, um die Effekte einer solchen Zweitbest-Lösung genauer vorhersagen zu können.

Verhindert die Schweizer Politik eine wirksame Bepreisung von Treibstoffen?

Auch auf der nationalen Ebene unterliegt die Umsetzung der von Ökonomen bevorzugten «Bepreisung» von Emissionen politischen Restriktionen. Interessanterweise liegen die Vorstellungen von Ständerat und Nationalrat zum CO₂-Gesetz in genau diesem Punkt auseinander. Der Nationalrat möchte im Gegensatz zum Ständerat eine subsidiäre CO₂-Abgabe auf Treibstoffe streichen. Zudem soll nach dem Willen des Nationalrates ein Preisaufschlag, mit dessen Hilfe Kompensationsprojekte finanziert werden sollen, auf maximal 5 Rappen pro Liter beschränkt werden. Eine solche Bepreisung von Treibstoffen dürfte keine ökonomische Lenkungswirkung mehr entfalten.

Bei der Durchsicht der Nationalrats-Debatte fällt auf, dass die Verfechter einer Bepreisung von Emissionen aus Treibstoffen ihre Minderheitsanträge zurückgezogen haben, um die Wahrscheinlichkeit eines Referendums gegen das gesamte CO₂-Gesetz zu verringern. Offenbar gehen die Nationalräte also davon aus, dass für das Schweizer Stimmvolk Klimapolitik an der Zapfsäule aufhören sollte. Natürlich müssen solche politischen Restriktionen auch von Seiten der Wissenschaft ernst genommen werden, wenn realistische Vorschläge für klimapolitische Instrumente entwickelt werden sollen.

Zum Autor

Dr. Markus Ohndorf ist Oberassistent und Dozent an der Professur für Nationalökonomie am Institut für Umweltentscheidungen (IED) der ETH Zürich.

 .

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Kommentare (24) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

Ein Artikel des Ökonomen Richard Tol über die Höhe der nötigen Carbon Tax, basierend auf der EMF 22 Studie, kommt zu folgenden Schlüssen bezüglich der nötigen Höhe der CO2-Steuer um ein bestimtes CO2-Ziel zu erreichen:
– Ein 450 ppm CO2-Ziel erfordert eine Steuer von $149/Tonne CO2e
– Ein 550 ppm CO2-Ziel erfordert eine Steuer von $29/Tonne CO2e
– Ein 650 ppm CO2-Ziel erfordert eine Steuer von $6/Tonne CO2e
Die Steuern wären überall gleich hoch und steigen jährlich 0.6% wobei die obigen Betäge die initialen Steuerbeträge sind.

Um das 450 ppm CO2-Ziel zu erreichen müssten China, Indien und Russland so hohe CO2-Steuern einziehen, dass diese den heutigen Steuerumfang übersteigen würden, selbst wenn jede andere Besteuerung gestrichen würde. In den USA würden 2/3 der Taxeinkünfte von der CO2-Steuer kommen.
Richard Tols Kommentar dazu: „Das ist kaum durchsetzbar und wäre auch unklug, denn Steuerexperten stimmen darin überein, dass die Steuerbasis aus verschiedenen Quellen kommen sollte.“
Selbst das 550 ppm-Ziel hätte für China und Indien gewaltige Konsequenzen, denn China müsste 100% seines Steuereinkommens von der CO2-Taxe beziehen und Indien 2/3 seiner Steuereinkünfte.

Fazit:
– Mit einer CO2-Steuer kann das 450 ppm-Ziel nicht mehr erreicht werden
– Auch das 550 ppm-Ziel ist kaum erreichbar, vor allem wegen den Belastungen in den Schwellenländern China und Indien
– Die obigen Zahlen wurden aufgrund einer Extrapolation der heutigen CO2-Vermeidungstechniken errechnet.

Folgerung: Nur gewaltige Fortschritte in der CO2-Vermeidung mit äussert kostengünstigen CO2-Ersatzenergien können ein 550 ppm-Ziel erreichbar machen. Das 450 ppm-Ziel ist schon ausser Reichweite.

wenn er Recht hat.. so what,

aber was wenn der Typ ein Spinner ist?
und wenn es mit dem CO2 Klima Problem tatsaechlich stimmen sollte?

Und wenn Dr. Prof. Löschke recht hat….

http://www.hayek.de/veranstaltungen/details/181-hayek-club-passau

Sehr geehrter Herr Dr. Ohndorf,
der Beitrag von Prof. Nicolas Gruber CO?-Emissionen: immer höher… hat mich nun überzeugt davon, dass ihre Aussage (Zitat aus ihrem Beitrag)In einer idealen Modellwelt liesse sich mit einem CO2-Preis in der Tat ein optimaler Emissionspfad erreichen, der das Risiko grösserer Schäden aus dem Klimawandel minimiert. zutrifft. Emissionshandelssysteme elimieren zwar den CO2-Ausstoss nicht, sie verhindern aber ein katastrophales Szenario, in dem immer mehr emittiert wird. Selbst mit einem moderaten CO2-Preis würde eine 6°C-Zukunft ausgeschlossen, denn die exzessive Emission von CO2 wäre sehr teuer und Länder, die ihre Energieinfrastruktur gerade ausbauen – die Chinesen und Inder beispielsweise – würden Alternativen zu fossilen Energien viel stärker in Betracht ziehen.

Doch diese starke Wirkung eines CO2-Preises verhindert wohl zugleich seine Akzeptanz bei den Nationen, die sehr grosse CO2-Mengen pro erzeugte Energieeinheit ausstossen, vor allem weil diese Länder im wirtschaftlichen Wettbewerb ins Hintertreffen geraten würden. In den USA beispielsweise mit ihren 19 Tonnen CO2 pro Einwohner würde ja nicht nur jeder US-Bürger durch den CO2-Preis in seinen Kaufentscheidungen beeinflusst, sondern der Export energieintensiver Güter würde erschwert und zugleich der Import CO2-arm hergestellter Güter erleichtert.

Eine Lösung wäre eine schrittweise Erhöhung der CO2-Preise in Abhängigkeit vom jetztigen CO2-Ausstoss. Der CO2-Preis wäre erst im Jahr 2035 für alle gleich, vorher müssten CO2-Grossemittenten weniger bezahlen, was ihnen Zeit für Anpassungen gibt.

Letztlich ist die Ablehnung eines CO2-Preises wohl eine Ablehnung von effektiven Klimamassnahmen und der Klimadiskurs ist somit ein Scheindiskurs.

Das ist sehr interessant, auch in Bezug auf den Artikel „Nägel mit Preisen“. Es scheint mir wichtig, zwischen Kostenwahrheit und Lenkungsabgabe zu unterscheiden.

Rein ökonomisch betrachtet wäre Kostenwahrheit sicher ein wichtiges Prinzip. Es besagt, dass man für alle Kosten, auch die Externalitätskosten (z.B. Klimaerwärmungskosten) eines Energieträgers aufkommen soll. Es ist daher (zumindes in meinem Verständnis) im Kern ein sehr liberales Prinzip. Es stellt sich dann aber die Frage, was die wahren Kosten sind? Was legt man dann dieser Kostenrechnung zu Grunde?

Schliesslich sind ja alle Modelle fehlerbehaftet und beruhen auf gewissen Annahmen. Je nachdem können geringe Unterschiede in den Annahmen auf grosse Änderugen im Preis (Ergebnis) führen. Selbst wenn man recht genau voraussagen kann (könnte?), was wirklich passiert (welche Schäden in der realen, physikalischen Welt entstehen), so ist die Frage, wie man das in Kosten umrechnet, nochmals eine ganz andere. Diese letztere ist glaub wirklich ohne Zweifel sehr subjektiv. (oder was ist ein Gletscher wert?)

Wenn man die „wahren Kosten“ aber schliesslich nicht ermitteln kann, so kann man auch keine Kostenwahrheit durch Bepreisung erstellen.

Lenkungsabgaben sind hingegen etwas völlig anderes. Es geht dabei nicht um die „wahren Kosten“, sondern es geht darum, den Preis so hoch wie nötig anzusetzen, damit das vorgeschriebene CO2 eingespart wird. Insofern sind Lenkungsabgaben durchaus ein planwirtschaftliches Instrument, das grundlegend vom liberalen Prinzp abweicht, unangenehm ist, echten Verzicht erfordert und daher keine grosse politische Akzeptanz aufweist.

Lieber Herr Ohndorf,
„Ihr Standpunkt dürfte zwar nicht den Präferenzen des Schweizer Median-Wählers entsprechen, aber er ist nicht unökonomisch.“

Bin ja auch kein Politiker!
(koennte man meinen man sollte als Politiker dem „Volk“
nicht versuchen die „erkannte“ Realitaet und die Konsequenzen des Handelns erklaeren sondern nach eigenem Interesse
verschleiern?)

Sie (Dittmar) sagen folgendes:
“Eine rationalere Betrachtung der moeglichen Gefahren
waere sicher den “schlimmst moeglichen Unfall” mit dem
Klima als Basis zu nehmen und damit zu rechnen.”

Sie (Ohndorf) verstehen das als:
„Damit entspricht Ihr Standpunkt, bildhaft gesprochen, derjenigen eines Versicherungs-Nachfragers mit ausserordentlich hoher Risikoaversion und einem sehr hohen erwarteten Schaden.“

Nein, ganz im Gegenteil..

Ich sage man muss solche Moeglichkeiten vermeiden.
Also gar nicht erst in die Gefahrenzone kommen.

Anders ausgedrueckt .. nehmen wir jemand der in einem
Sportwagen mit zu grosser Geschwindigkeit durch die Landschaft
faehrt und das Leben anderer und sein eigenes riskiert.

Der Oekonom schlaegt diesem „Selbstmoerder“ vor: Sicherheitsgurte anlegen, Airbag, eine Lebensversicherung
und beschleunigen. Erklaert warum es gut ist schnelle Autos
zu kaufen
Er verdient seinen Lebensunterhalt, wenn es geht, noch an diesem Verrueckten.

Ein Naturwissenschaftler sagt
a) Bremsen
b) warnt die Mitmenschen vor dem Kollateral Damage
und schlaegt den „Selbstmoerdern“ einen Therapiekurs
oder gibt die email von Exit (eine Methode ohne Kollateral Damage)

Rationale Menschen stoppen einfach den Verrueckten.

„Trotz Ihrer Abneigung gegen die Ökonomie als Wissenschaft, scheint es also als würden Sie ökonomisch denken.“

Aber klar, es gibt sogar eine Minderheit von Oekonomen die das Problem der Grenzen des Wachstums erkannt haben.
Gehoeren Sie dazu?

Lieber Herr Müller

Vielen Dank für Ihr grosses Interesse an meiner Argumentation.
Da Blogbeiträge auf 3000 Zeichen begrenzt sind, ist man oft zu logischen Sprüngen gezwungen. Allerdings hoffe ich nicht so inkohärent gewesen zu sein, wie Sie es vermuten.

Der Sinn des letzten Abschnitts war nämlich ein Beispiel dafür zu geben, dass das first-best optimale Instrument in der Realität aufgrund politischer Restriktionen (z.B. aufgrund tatsächlicher oder vermuteter Wähler-Präferenzen) oft nicht durchsetzbar wäre. Eine Wissenschaft, die Politik-beratend wirken will, sollte dies in ihrer Forschung berücksichtigen.

Aber Ihre Fragen gehen ja noch weiter. Im Prinzip ist Ihre Frage nach Lenkungsabgabe vs. Klimarappen die gleiche wie bei der Diskussion zu Reduktionen im Inland vs. Ausland. In beiden Fällen ist letzteres nach einem statischen Effizienzkriterium zu bevorzugen. Emissionsreduktionen im Ausland sind heute sicher günstiger. Wie aber die Verfechter der Inlandsreduktion richtigerweise argumentieren, wäre der Anreiz für das Entwickeln und Einsetzen neuer Technologien bei voller Kompensation im Ausland eher gering. Offensichtlich soll also mit der Forderung nach Lenkungsabgabe/Inlandreduktionen auch die dynamische Effizienz gesteigert werden. Genau diese ist auch wichtig, wenn Sie optimale Emissions-“Pfade“ berechnen. Dabei geht es also nicht nur um die Minimierung der Vermeidungskosten heute, sondern auch in zukünftigen Perioden. (Andere Argumente, die in dieser Diskussion oft vorgebracht werden, wie „Ablasshandel“, halte ich nicht nur für unökonomisch sondern auch für ethisch fragwürdig.)

Die Gewichtung beider Ziele—also das Steigern von statischer und dynamischer Effizienz (soweit diese divergieren)—wird in der Realität im Rahmen des politischen Prozesses vorgenommen, nicht durch eine Optimierung eines fiktiven, benevolenten Diktators.

Lieber Herr Dittmar

Vielen Dank für Ihre Antwort. Ihr Standpunkt dürfte zwar nicht den Präferenzen des Schweizer Median-Wählers entsprechen, aber er ist nicht unökonomisch. Sie sagen folgendes:

„Eine rationalere Betrachtung der moeglichen Gefahren
waere sicher den “schlimmst moeglichen Unfall” mit dem
Klima als Basis zu nehmen und damit zu rechnen.“

Damit entspricht Ihr Standpunkt, bildhaft gesprochen, derjenigen eines Versicherungs-Nachfragers mit ausserordentlich hoher Risikoaversion und einem sehr hohen erwarteten Schaden.
Ein solcher wäre ebenfalls bereit, sein gesamtes verfügbares Einkommen für Versicherungsprämien aufzuwenden.

Trotz Ihrer Abneigung gegen die Ökonomie als Wissenschaft, scheint es also als würden Sie ökonomisch denken.
Eine ähnliche Diskussion hatten wir im Anschluss an meinen letzten Blog-Beitrag.

Um meinen Punkt vielleicht nocheinmal zu verdeutlichen:

Ich finde alles, was Sie geschrieben haben bis auf den letzten Absatz ihres Ausgangspostings überaus einleuchtend. Und auch ihre Antworten über die Minimierung der Vermeidungskosten unter einem „environmental constraint“, wie auch über die Unsicherheiten dieser ganzen Modelle finde ich sehr interessant. Genauso die Ausführungen über unterschiedliche Zielfunktionen durch die Politik.

Vor diesem Hintergrund ist mir aber nicht ersichtlich, weshalb die Lenkungsabgabe auf Treibstoff das theoretisch bevorzugte Instrument wäre, welches eben erneut durch die Restriktionen der wirklichen Welt verhindert würde.

Sie schreiben:
1. die theoretischen, „optimalen“ Pfade können wegen vielerlei realer Hindernisse nicht erreicht werden.
2. Die Unterschiedliche Bepreisung von Emittenten ist eine solche, übliche Abweichung vom optimalen Pfad.

Der Klimarappen wäre eine Abweichung dieser Abweichung. Aufgrund welcher Kriterien bezeichnen sie denn nun die Lenkungsabgabe auf Treibstoff als „optimales“ Instrument? Die Kriterien der theoretischen Modelle können es ja nicht sein, da die unterschiedliche Bepreisung gerade nicht „optimal“ ist und noch dazu in einem optimalen Modell kaum viel bei den Treibstoffen reduziert würde, da die „Allokation im Rahmen des Marktmechanismus“ zuerst die günstigeren Vermeidungspotentiale nutzen würde.

Also was ist ihr Kriterium für die angeblich „von Ökonomen bevorzugten «Bepreisung»“? Die Tatsache dass die Treibstoffabgabe eine Lenkungsabgabe ist und der Klimarappen nicht? Mir scheint Sie greifen in einem „nicht optimalen“ System in einem Teilbereich sehr selektiv wieder zu einer nicht genau definierten Art von Optimalitätskriterium.

Herr Ohndorf

Vielen Dank für ihre ausführliche Antwort. Ich verstehe, dass der „optimale Weg“ in der realen Welt nicht möglich ist und deswegen eben auch die zweit und drittbesten Mittel zur Anwendung kommen sollen. „Whatever works“ – nicht wahr?

Nur; gerade in dem Zusammenhang verstehe ich den folgenden Satz von Ihnen nicht: „Auch auf der nationalen Ebene unterliegt die Umsetzung der von Ökonomen bevorzugten «Bepreisung» von Emissionen politischen Restriktionen.“

Die unterschiedliche Bepreisung der Emittenten sei zwar nicht optimal, aber gang und gäbe, schreiben sie. Nun ist der Klimarappen doch bloss eine weitere unterschiedliche Bepreisung, genau wie die im Raum stehende Treibstoffabgabe. Erstere ist zwar keine Lenkungsabgabe (in dem Sinne ev. eine weitere Abweichung vom optimalen Pfad?), aber dafür erlaubt sie die Ausnutzung billigerer Vermeidungspotentiale, was ja auch wieder mehr der „von Ökonomen bevorzugten“ Lösung entspräche. Oder täusche ich mich da?

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin sehr für eine aktive Klimapolitik und ich verdiene meine Brötchen nicht etwa bei der Erdölvereinigung (ich habe an der ETH Umweltnaturwissenschaften studiert). Aber ich verstehe nicht, weshalb die Treibstoffabgabe stets als optimale Lösung gesehen wird und der Klimarappen nicht. Die Weise wie für den Klimarappen mit dem alten Grossmütterchen im Bündner Bergtal geworben wird, das nun eine neue Holzschnitzelheitzung erhalten hat, ist natürlich lächerlich. Aber der Grossteil der CO2 Einsparungen werden damit günstig im Ausland erreicht. Und wenn diese Projekte wirkungsvoll und für die Betreffenden vorteilhaft sind, dann sehe ich nichts schlechtes darin.

Noch vergessen:

„Zu den Gesetzen der Thermodynamik und Ökonomie wäre noch zu erwähnen, dass wir in unserem Konsum auch häufig materielle durch nicht-materielle Güter substitutieren.“

Mag sein, angeblich sollen manche Menschen sogar ganz ohne
Nahrung auskommen.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,691857,00.html
(kann man immer wieder lesen.. aber ob es stimmt?)

Aber wie auch immer..
wir „normalen“ Menschen glauben viel Energie zu brauchen
und erwarten dass der Strom aus der Steckdose kommt
(sei es auch nur um elektronisch unsere Buecher zu speichern
oder sogar zu lesen..)
und meinen das Autofahren ist so was wie ein fundamentales
menschliches Grundrecht.

Wenn die Naturgesetze das nicht erlauben dann aendern wir eben
(mit falschen Zahlen) die Naturgesetze.

Lieber Herr Ohndorf,

vielen Dank fuer Ihre Antwort(en). Sie sind damit eine
Ausnahme. Die meisten Autoren auf diesem Blog sollten sich
an Ihnen ein Beispiel nehmen!

zu:
„Gerade die Quantifizierung der Schäden ist aber schwierig, weswegen häufig auch eine Minimierung der Vermeidungskosten unter einer “environmental constraint” (z. B. 2Grad/450ppmv Ziel) versucht wird.“

Nicht nur die Arktis schmilzt schneller als in den IPCC
Modellen angenommen sondern selbst die IEA glaubt:
„inzwischen wir bewegen uns schon im besten aller
Faelle auf plus 3.5 Grad zu.“

Eine rationalere Betrachtung der moeglichen Gefahren
waere sicher den „schlimmst moeglichen Unfall“ mit dem
Klima als Basis zu nehmen und damit zu rechnen.
(nur waeren dann die Kosten praktisch unendlich..und niemand
will in Wirklichkeit irgend etwas aendern).

„ Da aber schon die Vorhersagen der Naturwissenschaften in dem Bereich mit grossen Unsicherheiten behaftet sind“

Na ja, wie hat Kin Hubbert (der mit dem Oel Peak) das mal formuliert:
Our ignorance is not so vast as our failure to use what we know.

„können Sie sich vorstellen, dass die klimaökonomischen Simulationen mit noch grösserer Vorsicht betrachtet werden müssen.“

Klar, ist offensichtlich. Nur leider fehlt diese Message
bei allen oekonomischen Betrachtungen.

„Das Credo in diesem Zweig der Ökonomie ist häufig: “A wrong number is better than no number”…

Man koennte es auch krasser so formulieren:

Garbage in Garbage out!

„Ziel ist es damit die politische Debatte über die notwendige Stringenz von Klimapolitik zumindest in Bezug auf Grössenordnungen zu informieren. “

Das wird aber weder bei der Loesung des Klimaproblems,
noch des Energieproblems helfen.

Damit moechte ich mit Einstein schliessen.

Ein Problem kann nicht mit derselben Methode geloest werden
welche uns das Problem geschaffen hat.

Lieber Herr Jans

Vielen Dank für die Klarstellung. Und ebenfalls vielen Dank für ihre Einschätzung aus erster Hand. Auf das endgültige Ergebnis der Revision bin ich sehr gespannt.

@ Alexander Müller

In Bezug auf Offsets stimme ich Ihnen zu. Dass unter solchen politischen Restriktionen Kompensationsprojekte ein sinnvolles Instrument sein können, habe ich schon in meinem letzten Blogbeitrag ausführlicher diskutiert.
http://blogs.ethz.ch/klimablog/2011/06/17/emissionshandel-nach-wie-vor-eine-clevere-idee/

@ Alexander Müller

Nun, es kommt darauf an, welche Zielfunktion der Klimapolitik zugrunde liegt. In den oben angesprochenen Modellen wird häufig angenommen, dass der globale Nettonutzen zu maximieren ist. Damit wären die aggregierten globalen Grenzvermeidungskosten gleich dem aggregierten globalen Grenzschaden zu setzen und jede Emissionseinheit mit dem gleichen Preis zu belegen. Das von Ihnen angesprochene Ausnutzen der günstigsten Potentiale geschieht dann über die entsprechende Allokation im Rahmen des Marktmechanismus.

In meinem Beitrag geht es eigentlich darum, dass die Aussagen solcher Modelle für die reale Politikberatung nur bedingt geeignet sind. Die reale Klimapolitik eines Landes basiert nämlich, bedingt durch den politischen Prozess, auf einer anderen Zielfunktion. Erstens ist das Reduktionsziel in der Realität nicht das Resultat einer globalen Optimierung und zweitens werden verschiedene Emittenten häufig unterschiedlich belastet (entsprechende Präferenzen bei Wählern und deren Vertreter vorausgesetzt). Beachten Sie, dass letzteres nicht die gleichen dynamischen Anreize (Entwicklung emissionsärmerer Technologien) zur Folge hat, wie in den oben genannten Modellen vorausgesagt. Zu beachten ist, dass eine solche Diskriminierung über die Belastung der Emittenten in allen klimapolitisch aktiven Ländern üblich ist, nicht nur in der Schweiz. Allerdings entfernt sich das Gesamtsystem dadurch noch weiter von den optimalen Emissionspfaden der oben angesprochenen Modelle.

Ihr Beispiel mit dem Tanktourismus zeigt auch, dass einzelne Länder zudem bereit sein können, die (dynamische) Effektivität der Umweltpolitik anderer Länder zu verringern. Was im Gesamtsystem zu einer noch stärkeren Abweichung vom theoretischen First-best Pfad führt.

@ Prof Ragaller

Vielen Dank für dieses Beispiel. Ich denke auch, dass es für die Parlamentarier nicht immer einfach ist, die tatsächlichen Wählerpräferenzen zu erkennen.

@ Gerfried Cebrat

Das klingt nach einer interessanten Idee. Fairerweise ist allerdings anzumerken, dass die bestehende CO2-Abgabe auf Brennstoffe aufkommensneutral ist. Die Einnahmen werden über die Krankenkassen und den Unternehmen proportional zur Lohnsumme rückverteilt.

@ Martin Holzherr
Ich stimme Ihnen zu. Eine freiwillige Einschränkung der Konsumenten wird nicht reichen, um das Klimaproblem zu lösen. Ob eine globale Regulierung irgendwann möglich wird hängt wiederum von der Wahrnehmung des Problems durch Wähler und deren Vertreter im politischen Prozess ab.

@Michael Dittmar
Nun eigentlich ist es Ziel der ökonomischen Kosten-Nutzen-Analyse, häufig auch als Klimaökonomie bezeichnet, genau eine solche Quantifizierung vorzunehmen und dann einen Kostenminimierenden Emissionspfad zu berechnen. Gerade die Quantifizierung der Schäden ist aber schwierig, weswegen häufig auch eine Minimierung der Vermeidungskosten unter einer „environmental constraint“ (z. B. 2Grad/450ppmv Ziel) versucht wird. Da aber schon die Vorhersagen der Naturwissenschaften in dem Bereich mit grossen Unsicherheiten behaftet sind, können Sie sich vorstellen, dass die klimaökonomischen Simulationen mit noch grösserer Vorsicht betrachtet werden müssen. Das Credo in diesem Zweig der Ökonomie ist häufig: „A wrong number is better than no number“… Ziel ist es damit die politische Debatte über die notwendige Stringenz von Klimapolitik zumindest in Bezug auf Grössenordnungen zu informieren.

Allerdings ist dies kein Bereich in dem ich Expertise habe. Ich arbeite eher im Feld der vergleichenden Analyse von umweltpolitischen Instrumenten bei unvollständiger Durchsetzung und politischen Restriktionen, wobei das umweltpolitische Ziel schon als gegeben angenommen wird.

Zu den Gesetzen der Thermodynamik und Ökonomie wäre noch zu erwähnen, dass wir in unserem Konsum auch häufig materielle durch nicht-materielle Güter substitutieren.

Lieber Herr Ohndorf
Danke für Ihren interessanten Beitrag. Der Grund für den Rückzug der Minderheitsanträge war die Überzeugung , dass das 20%-Ziel auch ohne Treibstoffabgabe erreicht werden kann. Die Treibstoffabgabe hätte sicher zu einem Referendum geführt. Es ging darum, das Paket nicht zu überladen. Warum sollen wir das 20%-Ziel mit einem Referendum gefährden, dessen Ausgang völlig offen ist und bei dem die Gegenseite (Economie Suisse) über sehr viel Mittel verfügt? Die Treibstoffabgabe ist damit nicht endgültig vom Tisch. Im Rahmen der Debatte zur Cleantech-Initiative muss sie wieder diskutiert werden.

@M. Ohndorf
Gerade wenn sie von der Bepreisung von CO2 sprechen, erscheint es mir nicht sehr konsequent wie sie die fehlende Belastung von Treibstoffen beklagen. Die Tonne CO2 würde der diskutierten Lenkungsabgabe auf Treibstoffe sehr viel höher besteuert werden, als die gleiche Tonne CO2 im Bereich Brennstoffe. Einfach weil die Preiselastizität viel geringer ist und daher die Tonne CO2 im Bereich Treibstoffe mehr kosten muss als bei den Brennstoffen, um einen wirklichen Effekt zu erreichen.

In einem „perfekten Modell“ würde eben auch zu Beginn bei den Brennstoffen CO2 eingespart werden, weil bei einem einzigen Preis für CO2, dort die geringeren Vermeidungskosten anfallen würden als beim Treibstoff.

Zu erwähnen wäre auch, dass die im Raum stehende Abgabe auf Treibstoffe ihre grösste Wirkung nicht durch die tatsächliche Nachfragelenkung entfalten würde, sondern durch das Abstellen des Tanktourismus aus den Grenzländern. Damit wird der grösste Teil der „Einsparungen“ aber nur aus unserer Bilanz in die anderer Länder verschoben (+ der Schweiz entgehen die Treibstoffsteuern darauf). Wirklich eingespart wird damit wenig.

Deswegen wäre auch mit einem global geltenden CO2 Preis, der „Klimarappen“ die effizientere Lösung, da mit dem Geld CO2 zu viel geringeren Vermeidungskosten eingespart werden kann.

Die ökonomische bevorzugte Bepreisung von CO2 würde also zu einem ähnlichen Resultat führen, wie die Lösung die sich jetzt abzeichnet.

Ein interessantes Beispiel einer Einführung einer CO2 Abgabe hat eine Provinz in Kanada geliefert. http://www.climateblog.ch/2011/07/26/co2-abgabe-eine-erfolgsgeschichte-in-kanada/
Entgegen den anfänglichen Beschwörungen vieler Politiker führte das weder zu Einbussen im Wirtschaftswachstum noch zur Abwanderung in benachbarte Provinzen. Die Bevölkerung unterstützt die Abgabe auch nach mehreren Jahren Erfahrung. Könnte es sein, dass die Politik die Bereitschaft der Bevölkerung für Klimamassnahmen unterschätzt?

Eine Kompensation im Warenkorb ist möglich!
Nachdem die Bürger ja genügend Umsatzsteuer abliefern, ist es in vielen Ländern gar kein Problem die CO2-Steuer aufkommensneutral zu gestalten. Es sollte im gleichen Aufwaschen die Umsatzsteuer für besonders energiesparende Produkte gesenkt werden.
Schade dass die Ökonomen solche Planspiele nicht mal durchrechnen, wir können dann auch gerne diskutieren die CO2-Besteuerung nur für 80% der Produkte, nämlich die mit hoher Energieintensität einzuführen.

„Aus der Sicht vieler Ökonomen scheint die Lösung für das Problem des Klimawandels einfach“

Ist das Problem nicht eher:

In der Oekonomie verweigern wir uns das CO2 Problem zu quantifizieren und ignorieren auch gerne den 1. und 2. Hauptsatz
der Thermodynamik sowie andere physikalische Grundgesetze?

In der Naturwissenschaft funktioniert das „oft“ anders.

Je nach Einschaetzung der Daten zur Klimaerwaermung
und den moeglichen Risiken kommt man zu verschiedenen
Annahmen was unsere Umwelt an CO2 und anderen
Verschmutzungen verkraften kann.

Sagen wir man erkennt 350 ppm als Grenze (die wir leider schon lange uebrschritten haben) an.

oder selbst 450 ppm

oder eben gar keine Grenze weil wir das ganze Co2 Problem nicht
akzeptieren.

Mich wuerde interessieren welche Loesungen Sie (als Oekonom) dann einfach formulieren wuerden?

Sehr geehrter Herr Ohndorf,
Sie schreiben „Der Nationalrat möchte im Gegensatz zum Ständerat eine subsidiäre CO₂-Abgabe auf Treibstoffe streichen„, und interpretieren das zurecht so, dass Massnahmen gegen den Klimawandel den Konsumenten wenig bis nichts kosten sollen.

Die Klimawandelproblematik ist eben bei der Bevölkerung noch nicht richtig angekommen. Erst das Wissen darum ist vorhanden und die Berichte und das Lamentieren darüber ist präsent. Wen das anficht, der kann seinen Lebensstil ändern und selbst „nicht-fossil“ werden, doch die Gesellschaft als Ganzes soll davon noch nicht grundlegend verändert werden. Genau so wie es Veganer gibt, doch Fleischprodukte für jeden weiterhin erhältlich bleiben.

Eigentlich verwundert mich das nicht, angesichts der Konsequenzen, die ein Ausstieg aus den fossilen Energien bedeutet. Es wiederspiegelt sich auch in der Haltung einiger Länder, die nun bei den Klimaverhandlungen zu einem Post-Kyoto-Vertrag aus dem Kyotoprozess aussteigen wollen, falls nicht auch die Schwellenländer China und Indien sich zu CO2-Reduktionen bekennen. Ich bin überzeugt, es braucht zuerst ein CO2-Fukushima bis der Ausstieg aus den fossilen Energiequellen überhaupt richtig beginnt.

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