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Stürmische Vergangenheit

11.12.2009 von

Ärgern Sie sich über schlechtes Wetter? Trösten Sie sich: Immerhin befinden Sie sich nicht in einem Sturm auf einem Segelschiff im Südpazifik. «Wetter» hätte da gleich eine ganz andere Bedeutung.

Für die Seefahrer im 18. und 19. Jahrhundert konnte das Wetter lebensbedrohend werden. Dies zeigt zum Beispiel das Bild der HMS Beagle am 13. Januar 1833 vor dem Kap Horn (zur Verfügung gestellt von Gordon Chancellor). Entsprechend genau wurde das Wetter damals beobachtet und gemessen.

Zigtausende Seiten solcher Wetteraufzeichnungen wurden kürzlich im Rahmen des CORRAL-Projekts (UK Colonial Registers and Royal Navy Logbooks) fotografiert und veröffentlicht (http://badc.nerc.ac.uk/data/corral/index.html). Darunter sind Logbücher berühmter Schiffe wie Robert Fitzroys «Beagle» (mit Charles Darwin an Bord) oder James Cooks «Resolution».

Die Medien berichteten enthusiastisch über die veröffentlichten Aufzeichnungen. Die Times titelte gar: «Captain Cook‘s weather logs help scientists predict climate changes». («Die Wetteraufzeichnungen von Captain Cook helfen den Wissenschaftlern, Voraussagen zum Klimawandel zu machen») (www.timesonline.co.uk/tol/news/science/article6862384.ece).

Wie relevant sind diese Daten für die Klimaforschung tatsächlich?

Eines ist klar: Wenn wir die Klimazukunft vorhersagen wollen, können wir nur aus der Vergangenheit lernen. Man könnte aber argumentieren, dass wir vor allem die Modelle verbessern müssen und dazu schon genügend Daten haben. Oder umgekehrt, dass wir ohnehin nie in der Lage sein werden, das Wetter im 18. oder 19. Jahrhundert genau zu rekonstruieren, so dass derartige Momentaufnahmen bestenfalls von historischer Bedeutung sind.

Längere und bessere Datenreihen

Meiner Ansicht nach genügen die bisher digitalisierten historischen Klimadaten qualitativ und quantitativ den Anforderungen der Wissenschaft nur knapp. Zudem ändern sich die Anforderungen an Daten ständig. Wir wollen nicht mehr nur das mittlere Klima kennen und voraussagen, sondern auch die Häufigkeit von Extremereignissen; nicht mehr nur die Temperatur verstehen sondern den Wasserkreislauf oder die atmosphärische Zirkulation.

Dazu brauchen wir mehr, längere und bessere Datenreihen, die spezifischere Analysen ermöglichen und die mehr Extremereignisse beinhalten. Das ist möglich, denn in den Archiven der Welt befinden sich vermutlich noch kilometerweise nichtdigitalisierte Klimadaten.

Der Aufwand lohnt sich

Gleichzeitig haben wir neue wissenschaftliche Werkzeuge. Sie helfen uns, mehr aus alten Daten herauszuholen als noch vor wenigen Jahren. Wir können nicht mehr nur das jährliche Klima der letzten 150 bis 200 Jahre rekonstruieren, sondern bald auch das tägliche Wetter rund um den Globus. So werden alte, verstaubte Logbücher doch wieder wichtig und historische Daten gewinnen eine neue Bedeutung. Am Ende der mühsamen, aufwändigen und unspektakulären Datenaufbereitung stehen Datensätze, welche viel spezifischere Fragestellungen erlauben (ein Schweizer Projekt: www.meteoschweiz.admin.ch/web/de/klima/klima_schweiz/digihom.html).

Der historische Kontext

Captain Cooks Logbücher mögen ein medial gut gewählter Aufhänger gewesen sein, aber auch ein passender: Denn Captain Cook steht nicht nur stellvertretend für Tausende von Schiffsbesatzungen, die Wetteraufzeichnungen gemacht haben, sondern zeigt auch, dass Wetter- und Klimabeobachtungen einen historischen Kontext haben. Die Beobachtungen des Entdeckers können tatsächlich zu neuen Erkenntnissen über das Klimasystem führen.

Zum Autor

Stefan Brönnimann ist Professor für Klimatologie an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie

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Kommentare (5) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

Die Temperaturrekonstruktionen mit Hilfe von Baumringen enden in den IPCC-Berichten 1980, das ist 30 Jahre her. Man müsste also in der Lage sein, die Richtigkeit der Baumringmethode durch Vergleich mit den gemessenen Temperaturen über die vergangenen 30 Jahre zu verifizieren. Wurde ein solcher Vergleich publiziert?

Also vielleicht formuliere ich meine Frage nochmals anders.

Simulieren die Klimamodelle das tägliche Wetter, und erst nach der Simulation wird der Durchschnitt berechnet, oder wird direkt der Durchschnitt simuliert?

Und dann die zweite Frage: Können die Modelle die Abkühlung von 1940-1970 modellieren? Wenn ja welcher Effekt ist gemäss den Modellen dafür verantwortlich?

„Dazu müssen wir zwar in der simulierten Zukunft das tägliche Wetter anschauen, aber es ist nicht nötig, dass dieses Wetter Tag für Tag genau so eintreffen wird.“

Heisst das, sie simulieren das Wetter mit verschiedenen Anfangsbedingungen (und als Randbedingung: CO2-Konzentration, Aerosole, Sonnenaktivität und Vulkanismus) und berechnen dann die Wahrscheinlichkeit dass wir eine Flache Druckverteilung, Föhnlage,… haben und berechnen daraus die Durchschnittstemperatur?

Weil in dem Falle können sie ja sicher auch statistisch das Wetter der Vergangenheit simulieren (denn damit haben sie ihr Modell kalibriert). Und da ist meine Frage: Wieso wurde es (u.a. gemäss Al-Gore’s Film) zwischen 1940 und 1970 kälter? Können sie das nur mit einer Million Differenzialgleichungen erklären oder geht das auch in Worten?

Sehr geehrter Herr Kuster

Wie Sie richtig sagen, lässt sich das Wetter nicht mehr als einige Tage voraussagen. Die Grenze der Vorhersagbarkeit wird hier durch die atmosphärischen Anfangsbedingungen der Vorhersage bestimmt. Will man Aussagen treffen, die weiter in die Zukunft reichen, beispielsweise einige Monate, so kann man gar nicht mehr das Ziel haben, auf den Tag genau das Wetter vorherzusagen. In den meisten Fällen ist das auch gar nicht gewünscht – wen interessiert es schon, ob der 5. Dezember 2010 föhnig sein wird oder nicht (in dem Sinn ist Ihre Frage nach dem Fehler der Vorhersage für einzelne Tage auch nicht sehr relevant). Man wird aber, zumindest in gewissen Fällen, möglicherweise eine Tendenz für die allgemeine Wettercharakteristik in den folgenden Monaten geben können. Die Grenze der Vorhersagbarkeit liegt hier nicht mehr in den Anfangsbedingungen der Atmosphäre, sondern in deren Randbedingungen, und da ist im saisonalen Bereich vor allem der Ozean wichtig. Wenn Ozeanmodelle die Meeresoberflächentemperaturen realistisch simulieren können, dann sind Aussagen über den Witterungscharakter möglich. Derzeit befindet sich der tropische Pazifik beispielsweise in einem El Niño-Zustand, und gemäss Modellen wird dieser noch den ganzen Frühling über anhalten. Wichtig sind bei diesen Modellen die Anfangsbedingungen des Ozeans. Je weiter man in die Zukunft geht, desto mehr tritt auch diese Art der Vorhersagbarkeit zurück, und andere Randbedingungen wie beispielsweise die Strahlungsantriebe durch Treibhausgase, Aerosole, Sonnenaktivität und Vulkanismus spielen eine wichtige Rolle. Hier geht es auch nicht mehr darum, die Witterungscharakteristik einer bestimmten Jahreszeit vorherzusagen, sondern das Klima, verstanden als Statistik des Wetters über eine repräsentative Zeit (z. B. 30 Jahre). Die Mitteltemperatur ist die einfachste dieser Statistiken, aber nicht unbedingt die nützlichste, denn niemand „fühlt“ die Mitteltemperatur oder wird von der Mitteltemperatur direkt beeinflusst. Wir möchten wissen, ob Dürreperioden länger werden oder ausgeprägter. Ob Niederschläge häufiger werden oder heftiger – oder seltener. Ob die klimatischen Begrenzungen der Vegetationsperiode sich verändern oder nicht. Dazu müssen wir zwar in der simulierten Zukunft das tägliche Wetter anschauen, aber es ist nicht nötig, dass dieses Wetter Tag für Tag genau so eintreffen wird. Einzelne Stürme 150 Jahre im Voraus auf den Tag genau vorherzusagen ist, wie Sie wissen, völlig unmöglich.

Allerdings ist es nötig, Modellsysteme welche wir für diesen Zweck verwenden wollen, auch an der Vergangenheit zu prüfen. Deshalb ist es wichtig, nicht nur die Mitteltemperatur der Vergangenheit zu rekonstruieren, sondern das tägliche Wetter möglichst detailliert.

Stefan Brönnimann schreibt: „Wir können nicht mehr nur das jährliche Klima der letzten 150 bis 200 Jahre rekonstruieren, sondern bald auch das tägliche Wetter rund um den Globus.“

Der nächste Schritt sollte dann sein, nicht nur die über Jahrzehnte gemittelte Temperatur vorauszusagen, sondern das tägliche Wetter über 150 bis 200 Jahre vorauszusagen. Ich glaube das wird in absehbarer Zeit nicht möglich sein, ist doch nicht einmal eine verlässliche vorhersage des Wetters auf wenige Tage möglich.

Dies bringt mich auf die Grundsätzliche Frage: Was ist einfacher vorauszusagen: Die Temperatur an jedem einzelnen Tag im Jahr 2010 oder der Durchschnitt der Temperature im Jahr 2010?

Ich bin der Meinung der Durchschnitt ist schwieriger vorauszusagen. Die jährliche Durchschnittstemperatur in der Schweiz variiert zwischen 6.8°C und 9.2°C. Wenn ich also 8°C schätze, bin ich maximal 1.2°C daneben. Was aber keinesfalls zufriedenstellend ist, denn man muss den Fehler relativ sehen.

Wenn sie nun den Durchschnitt der Temperatur des nächsten Jahrzehnt voraussagen wollten, kann ich mir nicht vorstellen dass der relative Fehler den sie machen werden kleiner wird als bei einer jährlichen oder einer täglichen voraussage!

Ich denke solange die Klimamodelle nicht mindestens jährliche Trends voraussagen können sollte man auch den 100-jährlichen Voraussagen nicht trauen.

Ich freue mich wenn sie versuchen mich vom Gegenteil zu überzeugen!

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