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Neue Chancen für nationale Klimapolitik in den USA

22.02.2011 von

In den USA, die für fast 20 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich sind, gibt es derzeit noch kein nationales Gesetz zur Regulierung des CO₂-Ausstosses. Nachdem die Demokraten im vergangenen November viele Sitze einbüssten, fehlt Präsident Obama derzeit die Mehrheit zur Verabschiedung eines überarbeiteten Klimaschutzgesetzes. Der erste Gesetzesentwurf des Präsidenten, die CO₂-Emissionen in seinem Land zu regulieren, scheiterte im Sommer 2010.

Regulierung des Verbrauchs neuer Kraftfahrzeug ab 2012

Während ein nationales Klimaschutzgesetz auf sich warten lässt, haben sich jedoch neue Perspektiven in Sachen Klimaschutz aufgetan: Ein nationales Gesetz zur Regulierung des CO₂-Ausstosses neuer Kraftfahrzeuge ist auf dem Weg. Dieses könnte dazu beitragen, dass Automobilhersteller den Benzinverbrauch ihrer Neufahrzeuge ab 2012 drastisch reduzieren müssten. In den USA ist der Fahrzeugverkehr für 60 Prozent der Emissionen des Transportsektors verantwortlich.

Eine Regulierung des Benzinverbrauchs könnte somit die CO₂-Emissionen in diesem Sektor drastisch senken. Insgesamt würden durch die regulierten Neufahrzeuge (von 2012 bis 2016) 960 Million Tonnen CO₂ weniger ausgestossen und 1,8 Milliarden Barrel Öl eingespart (1 Barrel entspricht rund 159 Litern).

Falls das neue Gesetz tatsächlich in Kraft tritt, würden in den USA zum ersten Mal Emissionen des klimaschädlichen CO₂ gesetzlich reguliert. Bemerkenswert ist auch, wie das Gesetz entstanden ist. Die Geschichte weckt nämlich Hoffnungen für den Klimaschutz in den USA.

Kalifornien ist Vorreiterstaat

In Kalifornien haben die Umwelt und der Verbraucherschutz eine bedeutende Stellung. Daher entstanden in diesem Bundesstaat bereits in der Vergangenheit striktere Gesetze zum Umweltschutz als auf Bundesebene. Das nationale Abgasregulierungsgesetz von 1966 hatte seinen Ursprung in Kalifornien. Und einige Jahre später verabschiedete Kalifornien als erster Bundesstaat eine Regulierung zum Benzinbleigehalt. Auch dieses Gesetz war so erfolgreich, dass es einige Jahre später auf nationaler Ebene übernommen wurde.

Auch bei der Entstehung des Gesetzes zur Regulierung des CO₂-Ausstosses neuer Kraftfahrzeuge war Kalifornien Vorreiterstaat: Nachdem Kalifornien im Jahr 2004 angekündigte hatte, den Benzinverbrauch von Neuwagen zu regulieren, um so dem CO2-Ausstoss zu senken, schlossen sich weitere Bundesstaaten diesem Vorschlag an. Was bei den Umweltschützern auf Zustimmung stiess, wurde von den Automobil-Lobbyisten zuerst boykottiert.

Das Flickenteppichprinzip

Hätten nur vereinzelte Bundesstaaten das Gesetz eingeführt, wäre innerhalb des amerikanischen Automarktes ein Flickenteppich an Regulierungsauflagen entstanden. Die Automobilindustrie sah dadurch zusätzliche Kosten auf sich zukommen. Darin lag die einmalige Chance Obamas ein wahres «Win-Win»-Paket zu schnüren. Tatsächlich fürchtete die Industrie letztlich die Wettbewerbsverzerrungen mehr, die durch das «Flickenteppichprinzip» entstanden wären, als die Umrüstung auf Sprit-sparsamere Autos. Zu guter Letzt setzte sich deshalb die Vereinigung amerikanischer Autohändler in Washington eigens für eine national einheitliche Gesetzgebung ein.

Falls das Gesetz in Kraft tritt, wird ein Käufer eines regulierten Neuwagens über die Fahrzeuglebensdauer gerechnet rund 3’000 CHF Benzinkosten einsparen, die Autoindustrie wird sich einheitlichen Auflagen gegenüber sehen, und das Klima kann dank der erzielten Emissionsreduzierungen aufatmen. Dies alles dank des «Flickenteppichprinzips».

Die Furcht vor Wettbewerbsverzerrungen könnte auch in anderen Industriebereichen zu national einheitlichen Regulierungen des CO₂-Ausstosses führen. Der Staat Kalifornien nimmt zurzeit die Emissionen in der Elektrizitätserzeugung genauer unter die Lupe.

Zur Autorin

Ines Kapphan schreibt ihre Doktorarbeit am Institut für Umweltentscheidungen der ETH Zürich. Zurzeit ist sie Gast-Doktorandin an der Universität Stanford. Persönliches Zitat und Biografie

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Kommentare (8) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

Herr Palmer,

glauben Sie diese beiden Punkte wirklich?
„vermeintliche Antagonismus zwischen Erdölindustrie und Klimapolitik gar nicht besteht.“

Fakt ist der Einfluss der Erdoel lobby auf die USA
Regierungen oder? Excon und Klimapolitik ist auch alles
bekannt. Aber egal.
Mich interessiert mehr der 2. Punkt:

„Die Erdölindustrie verfügt über genügend Kapital, um jederzeit in alternative Energiequellen investieren“

Behaupten Sie also wie viele andere auch:

Wir haben genug Wissen und koennten schon heute
billig und viel Energie mit alternativen regenerativen sauberen
etc Methoden erzeugen.
Nur die boese Oelindustrie behindert das?

Ich glaube nicht dass sie das meinen aber
man koennte es aus Ihrer Aussage folgern.

Ich selber halte das fuer (fast) vollkommen falsch.
Es gibt genug Laender wo die Oel Lobby nur wenig Gewicht hat
und auch da passiert praktisch nichts.

Eben weil der Grund die nicht vorhandenen
Alternativquellen sind. Nur will das bisher fast niemand
glauben.

@Kommentar von Ben Palmer. 24.02.2011, 9:43
@Kommentar von Michael Dittmar. 24.02.2011, 8:08

Lobbyismus und Wirtschaftsinteressen für den Gang der Dinge verantwortlich zu machen, wie in “Da stellt sich die spannende Frage, wer in den USA mehr Einfluss hat: die Automobil- oder die Oelbranche?!” ist weitverbreitet und dient hin und wieder auch als Entschuldigung für Inaktivität, denn die Industrie mache ja sowieso was sie wolle.

Dazu kommt, dass die Autoindustrie keine Zwangsehe mit der Öllieferanten eingegangen ist, denn die Idee des Autos ist nicht an fossile Treibstoffe gebunden.
Die Ölindustrie wiederum muss sich in den USA und auch weltweit keine Sorgen machen solange trotz steigender Preise der Konsum nicht nachlässt und solange selbst Klimatologen – z.B. James Hansen – damit leben können, wenn das noch vorhandene konventionelle Öl gefördert und verbraucht wird.
Wenn sich jemand aus dem fossilen Lager Sorge machen muss, dann die Kohle fördernde und verbrauchende Industrie. Nach James Hansen sind Kohlekraftwerke Fabriken des Todes und müssen so schnell wie möglich abgestellt werden.

Diese „spannende“ Frage ist schon deshalb irrelevant, weil der vermeintliche Antagonismus zwischen Erdölindustrie und Klimapolitik gar nicht besteht. Die Erdölindustrie verfügt über genügend Kapital, um jederzeit in alternative Energiequellen investieren und diversifizieren zu können.

BP, Shell, Oman sind ebenso unter den Sponsoren der Climatic Research Unit (CRU) der University of East Anglia zu finden wei Greenpeace und WWF.
http://web.archive.org/web/20080627194858/http://www.cru.uea.ac.uk/cru/about/history/

Was die Automobilindustrie betrifft: Was immer die Kosten sein werden, um sich schärferen Gesetzen anzupassen, sie werden vom Konsumenten getragen, nicht von der Industrie.

@Kommentar von Ben Palmer. 23.02.2011, 12:49
$“Da stellt sich die spannende Frage, wer in den USA mehr Einfluss $hat: die Automobil- oder die Oelbranche?!”

„Die Frage ist völlig irrelevant und ein untauglicher aber populistischer Versuch, vermeintlich Schuldige zu finden und mit dem Finger auf sie zu zeigen.“

Die Frage ist sehr interessant, was ist daran populistisch?
1.) Sie sollten vielleicht statt ihrem schoenen Schlagwort
etwas Inhalt geben und 2.) Was ist mehr populistisch
a) zu sagen wir muessen uns an weniger Konsum und Luxus
gewoehnen. Der amerikanische Traum ist am Ende und
war sowieso eher ein Alptraum.

oder
b) no Problem don’t worry be happy?

„Die Erdölindustrie verfügt über mehr als genügend finanzielle Mittel, um jederzeit auch in andere erfolgversprechende Energieressourcen investieren und diversifizieren zu können.“

Na, wenn das nicht eine populistische Aussage ist?

„Die in der letzten Zeit in Verruf geratene Climatic Research Unit (CRU) der University of East Anglia“

Ich dachte „man“ hat die als unschuldig erklaert.

„erhielt u. a. finanzielle Unterstützung durch BP, Shell und das Sultanat von Oman.“

Oh, alle Boesen zusammen. Sehr populistisch..
Stimmt waere sicher besser wenn diese Leute
direkt Steuern zahlen und die Menschen in wirklich demokratischer
Entscheidung die Mittel verteilen.
Also keine „Werbungskosten“ mehr!

„Wie auch in Bezug auf die Automobilindustrie werden erhöhte Kosten in jedem Fall durch die Konsumenten getragen.
There is no such thing as a free meal.“

Da haben sie recht und das ist auch nicht sehr populistisch
sondern mehr real Politik.

„Da stellt sich die spannende Frage, wer in den USA mehr Einfluss hat: die Automobil- oder die Oelbranche?!“

Die Frage ist völlig irrelevant und ein untauglicher aber populistischer Versuch, vermeintlich Schuldige zu finden und mit dem Finger auf sie zu zeigen.
Die Erdölindustrie verfügt über mehr als genügend finanzielle Mittel, um jederzeit auch in andere erfolgversprechende Energieressourcen investieren und diversifizieren zu können. Und sie tun es auch.
Die in der letzten Zeit in Verruf geratene Climatic Research Unit (CRU) der University of East Anglia erhielt u. a. finanzielle Unterstützung durch BP, Shell und das Sultanat von Oman.
http://goo.gl/pbfIS

Wie auch in Bezug auf die Automobilindustrie werden erhöhte Kosten in jedem Fall durch die Konsumenten getragen.
There is no such thing as a free meal.

Da stellt sich die spannende Frage, wer in den USA mehr Einfluss hat: die Automobil- oder die Oelbranche?!

Und wie soll das Ganze funktionieren? Schliesslich können die Verbraucher auch weiterhin die grössten Spritfresser im Sortiment kaufen. Und das tun sie auch, z.B. von Ford den F-150. Es war auch nicht so, dass GM, Chrysler und Ford in Probleme geraten sind, weil sie vor allem Spritfresser bauen, und die Leute diese gar nicht wollen. Die bauen, was die Leute wollen, so wie jede andere Firma auch. Ihr Problem war, dass sie keine guten Autos gebaut haben. In der EU gibt es auch Pläne, den Flottenverbrauch zu senken. Folge bisher: Porsche ist mit VW zusammengegangen, damit Porsche weiterhin Porsches bauen kann….Das ist mir alles unklar.

Sehr geehrte Frau Kapphahn,
das geplante US-Gesetz, das den Benzinverbrauch von Neuwagen reduzieren soll, hat nicht nur Auswirkungen auf den CO2-Ausstoss, sondern reduziert auch den Rohölverbrauch der USA massiv – nämlich um 1 Million Barrel pro Tag (oder um 1.8 Milliarden Barrel in 5 Jahren wie sie schreiben).
Genau diese Doppelwirkung macht das Gesetz für alle politischen Lager – auch die Republikaner – attraktiv, denn quer durch alle politischen Lager gab es in den USA immer ein Unbehagen wegen den zunehmenden Ölimporten aus politisch unsicheren Gegenden.

Ähnlich sollte man auch in der Schweiz argumentieren. Und zwar nicht nur im Verkehrsbereich. Der Ersatz von Ölheizungen durch nichtfossile Formen der Raumheizung hat ebenfalls eine erwünschte Doppelwirkung: Sie reduziert nicht nur den CO2-Ausstoss, sondern reduziert auch die Abhängigkeit von Ölimporten.

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