ETH-Klimablog - Klimaforschung - Klimawandel – Wohin steuert die Schweiz?

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Klimawandel – Wohin steuert die Schweiz?

13.11.2009 von

Über tausend Besucher an einer ETH-Veranstaltung? Da muss schon etwas Aussergewöhnliches diskutiert werden. Und wirklich: Es ging um die Klimaerwärmung… und es war mehr als nur heisse Luft. Vertreter aus Forschung, Wirtschaft und Politik haben sich zum Trialog getroffen und sich den Fragen des Publikums gestellt.

Selbst eine abgebremste Klimaerwärmung hat Folgen

Der Nachmittag stand im Zeichen der Forschung. Prof. Ulrike Lohmann hat gezeigt, dass sich die Aussagen des vierten UNO-Klimaberichtes (IPCC WGI) zu den physikalischen Änderungen des Klima bestätigt haben: Die Erwärmung ist eindeutig und menschgemacht. Unser Handeln heute wird auf Grund der langen Verweilzeit von CO₂ in der Luft auch viele Generationen nach uns betreffen (>mehr).

Prof. Andreas Fischlin erklärte, dass selbst ein stark gebremster Klimawandel von 2°C spürbare Folgen hätte, die Anpassung verlangen. Ein ungebremster Klimawandel hätte dagegen fatale und kostspielige Folgen. Können wir überhaupt noch etwas tun gegen den Klimawandel?

Prof. Konstantinos Boulouchos hat aufgezeigt, dass es Möglichkeiten gibt: Eine höhere Energieeffizienz sei entscheidend, und gleichzeitig seien neue Technologien für erneuerbare Energien nötig und eine rasche Transformation des Energiesystems.

Was das für die Wirtschaft bedeutet, hat Prof. Volker Hoffmann zusammengefasst: Wir müssen Technologien verbessern, Barrieren abbauen und CO₂ mit einem Preis versehen. Emissionsreduktionen sind möglich – und sie sind günstiger als Anpassung an die Klimaänderung.

Bundesrat Leuenberger erwartet kein Wunder

Der Abend gehörte dann den Vertretern aus Politik und Wirtschaft, die die Rolle der Schweiz sowieso mögliche und nötige Schritte diskutiert haben. Als Einstieg in den Abend, durfte ich die Ergebnisse des Nachmittags nochmals kurz zusammenfassen. Nach mir sprach Bundesrat Moritz Leuenberger. Er gab sich verhalten positiv: Es gebe Fortschritte in der Politik, so zum Beispiel die CO₂-Abgabe, die vor einigen Jahren noch undenkbar war. Gleichzeitig gab Moritz Leuenberger zu bedenken, dass die Klimakonferenz in Kopenhagen nur einer von vielen wichtigen Schritten in einem langen Prozess sein werde. Die Politik sei «das langwierige Bohren harter Bretter» und ein «Wunder von Kopenhagen» sei unwahrscheinlich.

Schweiz erreicht Ziel wegen Wirtschaftskrise

Die nackten Zahlen unterstützen diese Aussagen. Zwar will sich die Schweiz zu einer CO₂-Reduktion von 20-30% bis 2020 verpflichten, gleichzeitig haben die effektiven Emissionen von 1990 bis 2007 kaum abgenommen. Wir erreichen das Kyoto-Ziel nur dank dem Einkauf von Zertifikaten und der schlechten Wirtschaftslage.

Zu viel steht auf dem Spiel

Und das Fazit des Anlasses? Das Problem ist vielschichtig, es gibt viele Zielkonflikte, und eine Patentlösung ist nicht offensichtlich. Schlimmer noch: Viel Zeit zum Handeln haben wir nicht, wenn wir den Klimawandel abbremsen wollen. Die Flinte ins Korn zu werfen scheint aber selbst angesichts der Herkules-Aufgabe keine Option. Zu viel steht auf dem Spiel. Richard Branson (Milliardär, Gründer von Virgin Megastores/Virgin Atlantic und Ballonfahrer) hat es treffend ausgedrückt:

«Unsere Generation hat eine unglaublich schöne Welt von unseren Eltern geerbt, und sie von ihren Eltern. Es ist in unseren Händen ob unsere Kinder dieselbe Welt erben werden.»

Bleibt zu hoffen, dass die Politik schnell genug bohrt.

Weitere Informationen

Link zu den Vorträgen der Veranstaltung «Klimagespräch – Wohin steuert die Schweiz?»: www.cces.ethz.ch/klimagespraech/vortraege

«Wie das ‚2°C-Ziel‘ erreicht werden kann» (ETH-Life-Artikel): www.ethlife.ethz.ch

UNO-Klimagipfel in Kopenhagen (in Englisch): http://en.cop15.dk/

Zum Autor

Reto Knutti ist Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie

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Kommentare (6) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

@ Martin Holzherr
Sie haben geschickt den Link von einer allgemeinen, abstrakten Ebene zu einer konkreten und persönlichen gefunden, indem Sie ein Beispiel bemüht haben, das momentan meine Freiheit einschränken würde, wenn ich Kinder hätte.

Ok, ich formuliere Ihr Argument ein bisschen um, damit Sie sehen, wo für mich das Problem liegt. Sie sind darüber verwundert, dass ich keine neue Freiheitseinschränkung hinnehmen will, weil ich ja schon eine habe.

Gleich danach führen Sie aus, was im schlimmsten Fall passieren kann, wenn niemand etwas tut und untermauern dieses Szenario mit dem IPCC Bericht.

Sie wissen ja, ich plädiere da für das Verursacherprinzip und da kann man über eine Bepreisung von CO2 nachdenken, da wo es nicht schon genügend bepreist ist. Es wäre dann aber wichtig, dass das Geld auch zweckgebunden eingesetzt wird. Ferner befürworte ich jede private Initiative. Man muss sich aber auch vor Augen halten, dass man die Dynamik eines freiheitliches Systems nicht ersticken darf, weil der technische Fortschritt sehr oft aus dieser Dynamik resultiert.

@Andreas Schwab:
Ihr Vorbehalt gegen Klimaschutzmassnahmen wegen der damit verbundenen Einschränkung der Freiheit verwundert mich. Ein paar bauliche Massnahmen, der Ersatz von fossilen Energiequellen durch andere (Wasser,Wind,Sonne,Kernkraft) schränkt doch ihre persönliche Freiheit weit weniger ein als beispielsweise die Pflicht ihre Kînder in die Schule zu schicken. Es stimmt auch nicht, dass der Klimawandel bei mir besonders hohe Priorität hat. Ich bin nur zum Schluss gekommen, dass ein Eintreten der IPCC-Prognosen zwar nicht für die Schweiz aber für viele ärmere Länder katastrophale Folgen hätte (Millionen von Toten sind möglich, denke sie mal nach, was eine Verschlechterung der Wasserversorgung in einem armen Land bedeutet). Ihre Haltung macht nur dann Sinn, wenn sie die IPCC-Prognosen stark in Zweifel ziehen.

@ Martin Holzherr:
Ich kann Ihren Kommentar schon nachvollziehen. Das Problem ist ein bisschen, dass in Ihrer Prioritätenliste der Klimawandel ganz oben steht und bei mir vielleicht eher der Wert der Freiheit. Sie sagen, um den Klimawandel abzubremsen ist ein Eingriff in die persönliche Freiheit legitim und nützlich. Ich sage, mir ist die persönliche Freiheit so wichtig, dass ich diese Massnahmen nicht befürworte. Ich denke man kommt aber nicht umhin festzustellen, dass sich diese beiden Dinge widersprechen – das wollte ich auch mit meinem letzten Kommentar tun. Nicht desto trotz befürworte ich Massnahmen gegen den Klimawandel wenn sie auf privater Basis geschehen und ich habe einen sehr grossen Respekt vor Personen, die bereit sind auf Ihren Komfort zu verzichten oder ihr Geld zu investieren um einen gefürchteten Klimawandel abzubremsen.

@Andreas Schwab:
Liberalismus ist gut, aber nur, wenn das was jeder gerne tut auch zu einem guten, mindestens aber nicht zu einem sehr schlechten Resultat führt. Im übrigen sollte der Staat und auch jeder Private möglichst wenig tun um etwas zu ändern. So wenig und so effizient wie möglich. Alternative Energien sind in der Tat gut, aber nur wenn sie in Bezug auf den Klimawandel etwas bewirken. Anreize schaffen: gut, aber nur wenn das eingesetzte Geld einen messbaren Effekt hat. Die Aussage der Klimawissenschaftler ist doch eindeutig: Der CO2-Anstieg ist schuld. Nur was den CO2-Anstieg bremst ist folglich nützlich.

In der Klimawandeldiskussion wird oft ein Wissen und eine Genauigkeit des zu erwartenden Temperaturanstieg behauptet, das es meiner Ansicht nach gar nicht gibt. Unabhängig davon ist es aus vielen Gründen sinnvoll, möglichst schnell von fossilen Brennstoffen wegzukommen. Das heisst für die industrialisierten Länder: Keine neuen Kohlekraftwerke, nicht einmal Gaskraftwerke. Notwendigkeit der Raumheizung und Klimatisierung mit baulichen Massnahmen reduzieren. Elektrifizierung aller Prozesse, auch des Verkehrs. Für Schwellenländer bedeutet es: Neue Kraftwerke mit dem technologischen Wissen der Industrieländer bauen(technologische Hilfe), Energie effizienter nutzen.

Ich habe in den letzten Tagen noch so ein Bisschen über den Klimawandel und mögliche Massnahmen in einer liberalen Gesellschaft nachgedacht. Als dem Liberalismus zugeneigter Mensch (bin aber in keiner Partei) ist mir dieser Wert der Freiheit auch wichtig und er steht ein bisschen im Gegensatz zu klimapolitischen Massnahmen. Es würde mich interessieren, wie jene Kräfte die sich als grünliberal bezeichnen oder die behaupten auch liberal zu sein mit diesen Gegensätzen umgehen.

Man muss sich mal überlegen – Anreize schaffte – klingt gut, aber bitte nicht mit dem Geld der Steuerzahler. Barrieren abbauen klingt auch gut und ist auch gut, aber das soll bitte nicht der Staat mit Steuergeldern tun. In alternative Energien investieren tönt auch gut und ist auch gut, aber bitte soll das tun und lassen wer will.

Sobald das der Staat tut ist doch ein Teil der Freiheit verloren gegangen (man kann mit seinem erwirtschafteten Geld nicht mehr tun und lassen was man will) und der Staat übernimmt die Aufgabe zu entscheiden, was für den Bürger gut ist.

Was ich aber richtig finde, ist im Verkehr etwas mehr das Verursacherprinzip einzuführen. Dann kann man auch über eine Bepreisung von CO2 nachdenken, wobei ich dachte, dass das in vielen Bereichen schon bepreist ist.

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