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Klimawandel: Überraschende Auswirkungen auf Hochwasser und Wasserkraft in der Schweiz

27.06.2013 von

Die Resultate aus aktuellen hydrologischen Forschungsprojekten überraschen uns Experten. Die Klimaänderung bringt in der Schweiz – trotz geringeren Sommerniederschlägen – grössere Hochwasser auch in den Alpen. Denn die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf Schneefall und Schneedecke werden die Hochwassersaison verlängern. Auf die Stromproduktion aus Wasserkraft wirken sich die zurückgehenden Sommerniederschläge vorerst gering aus.

Die Auswirkungen der Klimaänderung auf den Wasserkreislauf sind vielschichtig und werfen viele Fragen auf. Mehrere Forschungsarbeiten in den aktuellen Projekten CCHydro und CCWasserkraft1 haben dieses Thema untersucht. Die Projekte haben für mich erstaunliche und überraschende Resultate gezeigt.

In hydrologischen Modellierungen und Analysen in etwa 180 schweizerischen mittelgrossen Einzugsgebieten zeigte die Doktorandin Nina Köplin, dass Hochwasserspitzen in Zukunft in allen Regionen grösser werden können2.

Ich habe zwar erwartet, dass im Mittelland und Jura die Hochwasserspitzen vor allem in grösseren Einzugsgebieten im Winter grösser werden, weil in dieser Jahreszeit dort wegen steigenden Temperaturen praktisch alle Niederschläge bis in Höhen von mindestens 1000 Metern über Meer als Regen – und nicht als Schnee – fallen dürften. Dass aber in den Alpen die Hochwassergefahr in allen Jahreszeiten grösser werden könnte, hat mich sehr erstaunt: Denn heute treten dort Hochwasser nur im Sommer auf. Zudem sind genau im Sommer in den verwendeten Klimaszenarien in Zukunft die Niederschläge deutlich kleiner.

Unsere Arbeit hat gezeigt, dass sich in der Schweiz – aufgrund der unterschiedlichen Höhenlagen – eine Veränderung der Schneefälle und der Schneedecke auf die Hochwassersaison auswirkt und sie deutlich verlängert. Damit erhöht sich die Chance für die Hochwasserentstehung: Der Boden ist im Frühjahr und Frühsommer bereits mit Wasser gesättigt und ein grösserer Teil der Niederschläge fällt als Regen bis in höhere Regionen mit geringeren Bodenschichten. Solche Böden können nur wenig Wasser zurückhalten und ihre spärliche Vegetation verbraucht nur wenig Wasser.

Die gleichen Resultate hat Massimiliano Zappa von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft für grosse Flussgebiete erhalten: Auch im Rhein in Basel zum Beispiel sind grössere Hochwasser zu erwarten, dort vor allem im Winter.

Strom aus Wasserkraftwerken vorerst nicht gefährdet

Eine andere Überraschung ist, dass – trotz weniger Niederschläge im Sommer und dramatisch kleiner werdenden Gletschern – sich die Stromproduktion aus Wasserkraft in der Schweiz bis 2050 kaum verändert3,4 . Die Gründe dafür sind, dass die Wasserkraftwerke im Sommer nicht alles anfallende Wasser fassen und turbinieren (siehe Figur). Die Fassungen werden aus wirtschaftlichen Gründen nicht auf den maximalen Wasserzufluss dimensioniert. Damit kommen leicht tiefere Abflüsse im Sommer nicht zur Geltung. Und die höheren Abflüsse dank grösseren Winterregenfällen können alle gefasst und zusätzlich turbiniert werden. Wenn die Gletscherschmelze in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts dann drastisch sinkt, wird die Stromproduktion in diesen hoch gelegenen Gebieten sicher auch zurückgehen.

Diese Beispiele zeigen mir, dass es sich lohnt, die komplexen und mühsamen hydrologischen Modellierungen in vielen unterschiedlichen Einzugsgebieten durchzuführen und diese mit den nachgelagerten betrieblichen Optimierungen der Kraftwerkanlagen zu kombinieren. Nur so gelingt es, den Einfluss der Klimaänderung auf den Wasserkreislauf und die damit verbunden Auswirkungen auf die Gesellschaft zu verstehen.

Mittlerer Jahresgang der Monatsabflüsse für Szenarien der Jahre 1980 (helle Linie) und 2085 (dunkle Linie). Die Dimensionierung der Fassung zeigt das 25-Prozent-Quantil der Tagesabflüsse. Im Vergleich sinkt der Jahresabfluss um fünf Prozent, während sich die Fassungsmenge um neun Prozent erhöht. Quelle: Schweizerische Gesellschaft für Hydrologie und Limnologie und Hydrologische Kommission 2011 (5)

 

1 CCHydro: www.bafu.admin.ch/wasser; CCWasserkraft: www.hydrologie.unibe.ch/projekte/ccwasserkraft

2 Köplin, Nina; Schädler, Bruno; Viviroli, Daniel; Weingartner, Rolf (2013): Seasonality and magnitude of floods in Switzerland under future climate change. Hydrological Processes (doi: 10.1002/hyp.9757)

3 Hänggi, Pascal; Weingartner, Rolf; Balmer Markus (2011): Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung in der Schweiz 2021–2050 – Hochrechnung. Wasser Energie Luft, 103. Jg., Heft 4: 300–307, Baden.

4 Hänggi, Pascal; Weingartner, Rolf (2012): Variations in Discharge Volumes for Hydropower Generation in Switzerland. Water Resources Management. (doi: 10.1007/s11269-011-9956-1) www.springerlink.com

5 Schweizerische Gesellschaft für Hydrologie und Limnologie (SGHL) und Hydrologische Kommission (CHy) (Hrsg.) 2011: Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung – Synthesebericht. Beiträge zur Hydrologie der Schweiz, Nr. 38, 28 S., Bern.

 

Zum Autor

Bruno Schädler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe Hydrologie am Geographischen Institut und Mitglieder des Oeschger Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern.

Symposium «The Water Cycle in a Changing Climate»

Bruno Schädler ist ein Hauptreferent am Symposium «The Water Cycle in a Changing Climate». Das Center for Climate Systems Modeling (C2SM) organisiert die Tagung am 1. und 2. Juli an der ETH Zürich. Im Fokus steht zwei Tagen unser Verständnis des globalen und regionalen Wasserkreislaufs und wie wir ihn und seine Einflüsse auf Mensch und Ökosysteme in einem zukünftigen Klima voraussagen können.

Das Programm und alle Beiträge sind nach dem Symposium hier aufgeschaltet: www.c2sm.ethz.ch/Symposium

 





Kommentare (5) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

„… mindestens bis 2035 …. Später wird Niederschlag in Form von Regen anstatt Schnee und die Abnahme der Gletscher einen prägenden Einfluss haben“. Ich bewundere Ihre Fähigkeit, so weit vorausliegende Prognosen abzugeben, Herr Holzherr.

Sehr interessanter Beitrag. Danke.

@Kommentar von Markus Schär. 27.06.2013, 11:41

Sehr geehrter Herr Schär,

Ihre Forderung, die zukünftigen hydrologischen Bedingugen der schweizerischen Wasserkraft allein auf die beobachteten Trends der Vergangenheit zu stützen, würde – wie der Bericht Auswirkungen der Klimaänderung auf Wasserressourcen und Gewässer zeigt, mindestens bis 2035 die gleichen Resultate ergeben. Später wird Niederschlag in Form von Regen anstatt Schnee und die Abnahme der Gletscher einen prägenden Einfluss haben. Dass die Temperaturen weiter steigen werden, bezweifeln eigentlich nur wenige. Wenn dieser Prozess langsamer abläuft als in den meisten Klimamodellen vorgesehen, gelten die Aussagen des Berichts einfach für spätere Zeitpunkte.

Ich wundere mich auch, dass man immer wieder die verunglückten Klimamodelle heranzieht, die gerade in Bezug auf den Wasserkreislauf kaum über vernünftige Daten verfügen. Regionale Aussagen sind mit diesen Modellen unmöglich.

„In den Niederungen der Alpennordseite sind seit 1864 offensichtlich episodische Häufungen von Starkniederschlägen das typische klimatische Muster. Eine langfristige Tendenz im Sinne eines Trends geht aus der Analyse nicht hervor.“ (Bader, Bantle, Das Schweizer Klima im Trend Temperatur- und Niederschlagsentwicklung 1864-2001). Und weiter: „Eine auffallende Änderung im Niederschlagsregime ist die Serie überdurchschnittlich niederschlagsreicher Winterhalbjahre am Übergang von den 1970er zu den 1980er Jahren. […] Die Episode mit erhöhten Niederschlagsmengen im Winterhalbjahr endete nach wenigen Jahren ebenso abrupt wie sie begann.“

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier implizit suggeriert werden soll, dass die Klimaerwärmung zu vermehrten und heftigeren Niederschlägen (in der Schweiz) führt und dass die Klimaerwärmung dem anthropogenen CO2 zuzuschreiben ist. Da fehlen aber einige Glieder in der Beweiskette.

Könnten die Hydrologen vor dem immer elaborierteren Modellieren der Zukunft (gestützt auf IPCC-Klimamodelle, die wegen ihrer kläglichen Prognosefähigkeit als falsifiziert gelten müssen) nicht zuerst die zweifelsfrei feststehenden Fakten der Vergangenheit zur Kenntnis nehmen?

Zum Beispiel im Klimareport 2011 von Meteoschweiz: „Im Mittelland ist ein langfristiger Niederschlagstrend (1864-2011) von +7.0%/100 Jahre zu beobachten (+0.7%/10 Jahre). Saisonal zeigt sich jedoch nur im Winter ein signifikanter Trend (+20%/100 Jahre bzw. +2.0%/10 Jahre). In den Jahreszeiten Frühling, Sommer und Herbst sind keine langfristigen Trends (1864-2011) zu eindeutig mehr oder
weniger Niederschlag vorhanden. Die Südschweiz zeigt weder auf der jährlichen noch auf der saisonalen Basis langfristige Trends zu eindeutig mehr oder weniger Niederschlägen.“ Oder: „Wie beim Niederschlagsregime generell sind bezüglich der Tage mit starkem Niederschlag keine signifikanten Trends feststellbar, wobei sie in Bern und Lugano nur knapp nicht signifikant sind.“

Das heisst: Obwohl sich das Klima in der Schweiz seit dem 19. Jh. schon stark erwärmt hat, hat sich an Niederschlags- und Abflussmengen kaum etwas geändert. Weshalb? Wäre nicht dieses Problem prioritär, also vor immer wilderen Spekulationen zur Zukunft, untersuchenswert?

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