«E-Mail ist unnütz» – Hindernisse, mit welchen Pioniere an der ETH zu kämpfen hatten

Die ETH befindet sich nun schon seit Jahren in den Top Ten der technischen Universitäten und macht laufend mit neuen Innovationen Schlagzeilen. Und doch ist es erst knappe 30 Jahre her, dass die ETH weder Internet noch E-Mail besass. In einem unserer letzten Posts haben wir eine Timeline zum Einzug des Internets in die vier Wände unserer Hochschule erstellt. Für solche Entwicklungen braucht es Pioniere. Einer von ihnen war Walter Gander, der uns für diesen Artikel seine Erfahrungen aus der Zeit der ersten E-Mails und Webseiten preisgegeben hat. 

Eine Hochschule ohne Internet, geht das?

Zusammenfassungen, alte Prüfungen, Recherche – die Studierenden von heute kennen keine Welt ohne Internet. Vor 30 Jahren sah dies noch anders aus. Da war man noch ein „Freak“, wenn man überhaupt wusste, was das Internet war. Ein Ereignis in Skandinavien 1989 brachte den Internet-Anschluss der ETH Zürich ins Rollen.

Walter Gander, damals Professor für Wissenschaftliches Rechnen am frisch gebackenen D-INFK, reiste für einen NATO-Workshop über Supercomputing nach Norwegen. Während den Pausen konnten viele seiner Kollegen ihre E-Mails checken, da bei ihnen die E-Mailserver  am Arpanet bzw schon am Internet angeschlossen waren. Dies war in der Schweiz noch nicht der Fall. Kaum zurück,  griff Walter Gander zum Stift und verfasste einen Brief an Ralf Hütter, Vizepräsident für den Bereich Forschung, und erläuterte sein Anliegen: Die Schweiz und die ETH müssen ans  INTER-NET! 

«Die Workshop-Teilnehmer konnten beispielsweise dadurch leicht ihre mail in San Diego, Argonne etc. lesen und bearbeiten. Es scheint, dass ein INTER-NET Anschluss nicht davon abhängig ist, ob das Land NATO Mitglied ist. Ich finde, wir sollten uns wenn möglich anschliessen»

Ausschnitt aus Walter Ganders Brief an Prof. Dr. R. Hütter

Walter Gander war nicht der Einzige, der den Internetanschluss der ETH vorantrieb. Einige Kollegen waren derselben Meinung, so wurde noch im selben Jahr im Herbst die ETH mit dem Internet verbunden. Der erste Internet Service Provider der Schweiz war das Hochschulnetzwerk SWITCHlan, welches von Prof. Bernhard Plattner aufgebaut worden war.

Kommunikation mit den Studierenden

Gerade heute sieht man wie wichtig das Internet und vor allem auch E-Mail für die Hochschulen sein kann. Seit Wochen kommunizieren Dozenten mit ihren Studenten vor allem per E-Mail, welches dank dem Internet von Zuhause aus aufgerufen werden kann. Was viele wohl nicht wissen: E-Mail war zwar früher an der ETH als das Internet. Doch erst einige Jahre später wurde E-Mail für Studierende zugänglich gemacht. Warum dauerte dieser Prozess so lange?

Walter Gander war auch hier eine treibende Kraft. Für ihn waren E-Mails ein wichtiges Kommunikationsmittel, um mit seinen Kollegen aus aller Welt verbunden bleiben zu können. Die ETH hatte bereits Zugang zu E-Mail, jedoch wurde es nur sporadisch benutzt – Der Sinn dahinter wurde noch nicht von allen gesehen. Umso schwerer war es dann, Leute, die E-Mail nicht oder nur wenig benutzten, zu überzeugen, dass die Studenten davon profitieren könnten. Die Mehrheit der D-INFK Professoren glaubte, der Studentenzugriff auf E-Mail würde nur zu unnötigen Kosten führen. All dies für die Einführung von etwas, nach dem keine Nachfrage bestand. Heute sind diese Aussagen nicht mehr nachvollziehbar, doch konnte damals niemand die extreme Relevanz, die E-Mail heute hat, vorhersagen. Für viele war E-Mail eine Spielerei, die keinen Mehrwert hat.

Doch so schnell wollte Walter Gander nicht aufgeben. Mit einem Schachzug gelang es ihm dann doch, die Aufmerksamkeit für sein Vorhaben zu bekommen: Er nannte als Primärgrund, dass im Departement Informatik Übungen mit Programmieraufgaben von Assistenten für die Korrekturen getestet werden sollten und sie somit elektronisch abgegeben werden müssen. Das gehe am einfachsten mit E-Mail!

Unterstützung bei der Umsetzung bekam Walter Gander von Walter Schaufelberger und Bernhard Plattner. Beide hatten grosses Interesse an Ganders Vorhaben. Walter Schaufelberger hatte als Gründer der Organisation Informatik dient Allen (IDA) die notwendigen finanziellen Mittel für das Dreiergespann, um den Traum «E-Mail für Studierende» in die Tat umzusetzen. 

So kam es, dass allen Studierenden ab dem 3. Semester ab 1991 ein E-Mail Konto und 20 MB Speicher zur Verfügung standen.

Ein Beispiel wie 1987 E-Mail verschickt wurde. Man sieht hier die einzelnen Stationen wie die Mail von der ETH zum Cern geht. Danach UUCP nach Berkeley und von dort nach Stanford.
Ein Beispiel, wie 1987 E-Mails verschickt wurden. Man sieht hier die einzelnen Stationen, über welche die Mail von der ETH zum Cern geht. Danach UUCP nach Berkeley und von dort nach Stanford.

Zu Walter Gander und der Geschichte des D-INFK

Walter Gander studierte Mathematik an der ETH Zürich und machte seinen Diplom-Abschluss 1968. Bis 1973 war er Assistent und Doktorand an der ETH. 1979 kehrte er als Privatdozent an die ETH zurück, 1987 bis 1991 war er ausserordentlicher danach ordentlicher Professor. Die ETH wurde 1989 departementalisiert, das D-INFK entstand. Walter Gander gründete das Institut für wissenschaftliches Rechnen.  Das Institut entwickelte sich bis zur seiner Emeritierung  zum grössten Institut des D-INFK. 2008 wurde das Institut aufgelöst, es entstanden daraus verschiedene neue Einheiten wie z.B.  das Institut für Visual Computing. 

Mehr über Walter Gander

Wer noch mehr wissen möchte über den E-Mail-Verkehr von früher, hier ein interessanter Report des ETH-Instituts für Informatik Fachgruppe Hochleitungsrechner «The Numerical Analysis Net (NA-NET), Autor Mark Kent, Januar 1988 mit Abstract von Walter Gander, Oktober 1987: https://polybox.ethz.ch/index.php/s/uAri3iI9D5EiFCi

Text von Kaja Walter und Francine Tobler, Praktikantinnen ID PR & Kommunikation

Links:

ID- & ETH-Geschichte

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