Time flies – Ein Rückblick zur Innovation, die die Lochkarten an der ETH überflüssig machte

Als an myStudies, eDoz und andere elektronische Applikationen noch nicht zu denken war…. und wo ETH-Angehörige weder über Username noch Login verfügten.

Ein halbes Jahr ist es nun schon her, dass der nationale Lockdown ausgerufen wurde. Seitdem wurde unser Leben auf den Kopf gestellt. Auch an der ETH musste sich so einiges ändern, und das mit Vollgas. Alles, was nur ging, wurde online gemacht, und wenn man muss, geht viel. Innert zwei Wochen wurden alle Vorlesungen online gehalten, Übungsstunden durch Podcasts ersetzt und die Kommunikation von allen Seiten via E-Mail erledigt. Eine Meisterleistung, die die Universitäten vollbrachten, um weitere Ansteckungen zu verhindern. 

Dieser Akt wäre nicht möglich gewesen ohne die Stütze der Informatik und passend zum Semesterstart erinnern wir in diesem Post an die Anfänge der Digitalisierung des Immatrikulations- und Anmeldeprozesses.

Warum verdient dieser Digitalisierungsschritt einen eigenen Post? Vergleicht man die ETH von heute mit der vor 30 Jahren, so wäre sie nicht mehr wiedererkennbar. Damals mussten Studierende zur Anmeldung für das Studium persönlich zur Kanzlei marschieren und Schlange stehen. Dokumente über Dokumente stapelten sich in Lagerräumen und das Vorlesungsverzeichnis war ein Buch mit hunderten von Seiten. 

Durch ein kleines Entwickler-Team der Informatikdienste wurde dies in Zusammenarbeit mit den Akademischen Diensten (damals Rektorat) in den 90er Jahren geändert. Eine eigene Software wurde entwickelt, um all diese Schritte zu automatisieren und digitalisieren. Dieses Projekt stellte einen Meilenstein in der IT-Unterstützung dar und ist ein bedeutender Grund für die ausserordentlich gute Organisation der ETH. Wir kehren zur Entstehung von unseren heutigen Clients wie myStudies, Vorlesungsverzeichnis, eApply und EduApp, die die Organisation des Lehrbetriebes enorm erleichtert haben, zurück.

Was muss, das muss – Die Vision

Die Gründe, die nach einem IT-System verlangten, waren vielseitig und gewannen immer mehr an Bedeutung: Zum einen wollte man die Umwelt entlasten und weniger Papier verbrauchen. Zum anderen wurde auch der Lehrbetrieb immer komplexer, die Studierendenanzahl an der ETH nahm zu und die Organisation fiel mit den vorhandenen Mitteln immer schwerer. Eine effiziente Lösung musste her. Später kam auch noch die Bologna-Reform dazu, die den Aufbau des Studiums grundlegend veränderte und einen perfekten Anlass bot, ein neues System zu entwerfen, da die Reform vom alten System unzureichend unterstützt werden konnte. 

Und so kam der Stein ins Rollen. Die Akademischen Dienste und die Informatikdienste schlossen sich zusammen und feilten an der Entwicklung eines individuellen Systems für die ETH. Warum ist dies so speziell? Oft verwenden Universitäten Standardlösungen, also Software, die nicht spezifisch auf die eigenen Bedürfnisse angepasst sind. Dies führt oft zu Problemen, da diese Software nicht so spezifisch sind, wie sie sein sollten. Eine eigene Lösung zu realisieren hat den Vorteil, dass sie sehr feingranular an die komplexen Bedürfnisse der ETH angepasst werden kann.

Das Projekt war die allererste Anwendung der IT ausserhalb der Forschung. Die ETH stand nun noch stärker als sowieso schon im Fokus der Medien, der Druck war gross – alles musste funktionieren. Für diesen Artikel durfte ich mich mit ein paar der intelligenten Köpfe, die dieses Projekt in die Tat umgesetzt haben, unterhalten und bekam Informationen aus erster Hand zum Ablauf der Prozesse, die zur Digitalisierung führten.

Die Umsetzung

Das Projekt war eine Zusammenarbeit der akademischen Dienste und der Informatikdienste. Die unterliegende Datenbank wurde von den Informatikdiensten aufgrund der Detailspezifikationen konzipiert und entwickelt. Auf fachlicher Seite wurde Claudia Farnung als externe Unterstützung hinzugezogen. Mit ihr durfte ich freundlicherweise eines meiner Gespräche führen, um einen Einblick zu bekommen. 2001 kam sie als Business Analystin an die ETH, um die Details der neuen Anwendungen auszuarbeiten. 

In sehr vielen Workshops wurde zunächst konzeptionell und später im Detail besprochen, was das neue System können muss. Claudia Farnung hat daraus dann in Zusammenarbeit mit den Fachpersonen Konzepte und Detailspezifikationen erstellt, welche wieder durch viele Reviews zusammen mit den Informatikdiensten gegangen sind, bis eine Version fertig war, mit der die Entwickler arbeiten konnten. 

Die Software ist einheitlich konzipiert, aufgebaut und dokumentiert. So können einzelne Bereiche der Software wie Mosaikstücke zusammengesetzt werden. Es gibt viele Anwendungen, die alle auf eine gemeinsame Datenbank zugreifen . Das Softwaresystem hat mittlerweile drei Anwendungsebenen – Zum einen die auf PowerBuilder basierten Fatclients, die im Hintergrund von den administrativen Stellen genutzt werden und Nicht-Mitarbeitende kaum zu sehen bekommen. Ausserdem die berühmten Webclients wie myStudies oder eDoz, welche mit Hilfe von Java implementiert wurden und dann noch die für Externe verfügbaren Webclients, wie beispielsweise eApply, und das Vorlesungsverzeichnis. Alle Komponenten des Systems werden intern an der ETH betrieben.

Wenn der Büroaufenthalt einem Strandurlaub gleicht

Intern arbeiteten nur sieben Entwickler an der Software, es wurden aber auch externe Personen beigezogen. Die optimalen Räumlichkeiten hatten die Entwickler damals nicht. Das Team war im Hauptgebäude gleich bei der Bibliothek unter dem ETH-Dach lokalisiert, wo es im Sommer schon mal sehr heiss werden konnte. Diese Umstände, so unangenehm sie manchmal sein konnten, brachten doch auch einige lustige Momente mit sich. An manchen Tagen war es so heiss, dass Mitarbeitende mit Badehosen zur Arbeit kamen, erinnerte sich Andreas Jost (ID Software Services). 

Nachdem das Kernsystem fertig codiert war, waren weitreichende Tests ein nächster wichtiger Schritt, schliesslich musste die Software bereit sein für den halbjährlichen Ansturm der Studierenden zur Modulbuchung. Es wurden Belastungstests gemacht, Tests auf Funktionstüchtigkeit und Kontrollen, wie verständlich die Clients in ihrer Bedienung sind. Obschon ich mit moderner Technik um mich herum aufgewachsen bin, so ist es immer wieder faszinierend zu sehen, was möglich ist. Die Belastungstests wurden rein mit Simulationen durchgeführt, welche tausende von Studierenden imitierten, die gleichzeitig auf die Clients zugreifen. Beeindruckend, wenn man sich das einmal vor Augen führt! Doch im Vergleich zur ganzen Software, die von ein paar Dutzend Mann und Frau konzipiert wurde wohl eher eine Kleinigkeit …

Jetzt wird’s ernst

2001 war ein entscheidendes Jahr bei dem Projekt: Zum ersten Mal durften die Studierenden ran! Die elektronische Einschreibung wurde erstmals für die anstrebenden Informatiker/innen und die Studierenden der Forstwissenschaften zugänglich gemacht, ein Semester später folgten alle anderen Studiengänge. Das Feedback war gut, die Studierenden waren zufrieden.

Mittlerweile ist von der Anmeldung fürs Studium, über die Modulbuchung bis hin zu Prüfungsplänen alles digitalisiert mit Ausnahme der Maturzeugnisse, die von Gesetzes wegen nicht digital eingereicht werden dürfen. 

Wie geht es weiter?

Seit mehr als 20 Jahren ist das System nun in Benutzung. Die Evaluation ergab: Das System bewährt sich und wird weitergeführt. Was sind die nächsten Herausforderungen? «Mehr Kommunikation» sagt Giorgio Broggi (Sektionsleiter ID Software Services und damaliger Linienverantwortlicher im Projekt noch mit dem Abteilungsnamen ID Betriebsinformatik). Das Team möchte die Wand zwischen Professorinnen/Professoren und Studierenden abbauen und einen besseren Dialog ermöglichen. Dies wird auch der Fokus der nächsten Jahre sein. Doch weiter als drei Jahre ist Planung kaum möglich. Die Fortschritte im Informatikbereich folgen Schlag auf Schlag und langjährige Projekte können darum nur sehr wage bis gar nicht geplant werden. Umso beeindruckender, dass das System mit diesen raschen Zeiten mithalten kann!

Das Projekt steht noch vor einer weiteren Hürde: Dem Generationswechsel. Das Entwicklerteam, welches primär von einer Generation vertreten war, wird die ETH nun Person nach Person altersbedingt verlassen – Wer übernimmt welche Aufgaben und wer kennt das System gut genug bei allfälligen Problemen? Die Sorge diesbezüglich hält sich bei Giorgio Broggi jedoch in Grenzen. Bereits jetzt hat er einige kompetente Mitarbeitende gefunden, denen er diese Aufgaben unbesorgt übergeben kann. Wir sind uns sicher, dass die Übergabe problemlos über die Bühne gehen wird, und freuen uns auf weitere spannende Projekte an unserer Hochschule. Auf noch viele weitere Meilensteine!

Text & Recherche Kaja Walter, ID PR & Kommunikation, Informatikdienste

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ID- & ETH-Geschichte

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