Bericht zur EMOOCS 2014 (10. – 12. Februar, Lausanne)

epfl„The goal of the summit is to develop synergies among European universities around themes such as student assessment, MOOC accreditation, platform interoperability and joint research initiatives” (aus der Ankündigung). 450 Teilnehmende waren diesem Aufruf gefolgt und hatten sich an der EPFL in Lausanne eingefunden, um MOOCs im europäischen Rahmen zu diskutieren. Neben 8 Keynotes wurden 4 Paralleltracks mit über 60 Kurzvorträgen und Paneldiskussionen zu den Themen „Policy“, „Experience“, Research“ und „Business“  angeboten.

Webseite: http://www.emoocs2014.eu/

Proceedings: http://www.emoocs2014.eu/sites/default/files/Proceedings-Moocs-Summit-2014.pdf

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Bericht

Im Herbst 2012, mitten im MOOC-Trubel, hatte ich an einer der wichtigsten US-amerikanischen Konferenzen zu online-Bildung im tertiären Bereich  teilgenommen (http://sloanconsortium.org/conference/2012/aln/welcome). Die zentralen Themen dort waren das Phänomen MOOCs und dessen Auswirkung auf Universitäten und Colleges. Mit gemischten Gefühlen bin ich damals aus den USA zurückgekehrt. Wir hatten Sebastian Thrun (udacity) über die Massenverfügbarkeit von Bildung reden gehört, hatten die Ängste der traditionellen Hochschulen vernommen und ausgiebig über die bisher ungeahnten Möglichkeiten von MOOCs bezüglich Lernen und Lehren diskutiert.

Nun, anderthalb Jahre später, wollte ich erfahren, wie sich MOOCs im europäischen Kontext konjugieren. Bewusst habe ich mich dabei auf den Track „Research“ fokussiert, denn nun, nach hunderten von erfolgreich abgehaltenen  MOOC-Kursen, sollten erste Ergebnisse zur Didaktik und zur Lernwirksamkeit vorliegen. Diese waren uns auf jeden Fall in 2012 versprochen worden.

Hier meine wichtigsten Erkenntnisse:

Ein MOOC ist ein MOOC!

Unter der Sammelbezeichnung „MOOC“ wird so ziemlich alles zusammengefasst, was in irgendeiner Form mit E-Learning zu tun hat. Am einen Extrem der MOOC-Skala findet man die instruktionalen  xMOOCs als Massenveranstaltungen, am anderen Ende tummeln sich online Veranstaltung im CSCL-Format (computer-supported-collaborative-learning) mit teilweise sehr bescheidener Teilnehmerzahl. Zahn et al. etwa untersuchen einen Kurs mit 72 Studierenden.

Zwei Vorträge versuchten, diese recht heterogenen Ausprägungen von MOOCs  mit Klassifikationen zu bändigen, waren jedoch beide nicht sehr überzeugend. Während Rosselle et al.  eine 6×8 Matrix mit insgesamt 48 MOOC-Typen vorschlagen, gehen die Erkenntnisse von  Jadin&Gaisch nicht über die bisherige Dreiteilung hinaus, die Lisa Lane bereits 2012 aufstellte.  Bisweilen hatte ich den Eindruck, dass es die Plattformen sind, die definieren was ein MOOC ist. D.h. was die grossen Anbieter Coursera, EdX, Miriadax, FutureLearn usw.  als MOOC anbieten, ist eben ein MOOC. Ein wenig erinnert  mich dieses „branding“ an die Fahrzeuggattung SUV, die von den  Autoherstellern für jeden Markt anders definiert wird. Und damit wäre ich bereits bei meiner  zweiten, wahrscheinlich der wichtigsten Erkenntnis, die ich aus Lausanne mitgenommen habe.

MOOCs sind ein Markt, bei dem es um sehr viel Geld und um Anteile geht!

Bereits 2012 war deutlich, dass sich der Erfolg von MOOCs hauptsächlich auf dem bis dahin stark unterschätzten öffentlichen Bedarf an solchen Kursen begründet. Zuweilen habe ich den Eindruck, MOOCs als eine Art „Migros-Klubschule“ für Akademiker wahrzunehmen.

Die Zahlen (Einschreibungen, erteilte Zertifikate, Anzahl der angebotenen Kurse usw.) beindrucken immer noch mit ihren hohen Werten, und schliesslich sollen sie ja auch den riesigen Bedarf an MOOCs dokumentieren. Wo ein Bedarf ist, gibt es einen Markt. Dazu ein paar Fakten, die reichlich zu überlegen geben. Ein MOOC kostet in der Produktion mindestens 30‘000 EUR (mehrheitlich indirekte Kosten). Telefonica S.A., eines der grössten Telekomunternehmen, ist Marktführer bei spanischen MOOCs und expandiert nun erfolgreich mit MOOCs in Lateinamerika. EdX lässt seine sehr umfangreichen Kurs- und Teilnehmerdaten bei Amazon hosten (Amazon Web Services), natürlich nicht kostenlos.

Daneben hat sich gezeigt, dass die überwiegende Mehrzahl der MOOC-Teilnehmenden bereits über eine universitäre Ausbildung verfügt. Es handelt sich also vornehmlich um Personen aus der gehobenen Mittelschicht, also um eine aus marktwirtschaftlichen Aspekten  äusserst interessante Bevölkerungsschicht. Die Teilnahme an den Kursen ist zwar kostenlos, doch immer mehr werden den Benutzern kostenpflichtige Zusatzleistungen angeboten: z. B. durch Betreuung, Zertifizierung, oder Job- bzw. Mitarbeitervermittlung (easyjet-Modell).

Auch die Frage nach dem Umgang mit Nutzerdaten ist nicht geklärt. Mittlerweile bekomme ich jeweils zu Semesterbeginn von den grossen MOOC-Vertreibern eine Auswahl von sogenannten „empfohlenen“ Kursen angeboten. Auf welcher Grundlage werden diese persönlichen Empfehlungen wohl generiert?

Neben den hohen Einschreibe-Zahlen waren auch die hohen Dropout-Zahlen ein Thema. Bereits nach den ersten Plenarvorträgen war klar, dass es an aussagekräftigen Kennzahlen zur Teilnahme fehlt. Ebenso wie die Einschreibe-Zahlen liefert die Anzahl der erworbenen Zertifikate keine numerische Grundlage (Rekha et al.). Daneben zeigen Halawa et al., dass eine 14tägige Inaktivität ein guter Indikator für einen „echten“ Dropout darstellt.

Analytics?

Insbesondere im „Research“-Track hatte ich gehofft, erste didaktisch relevante Erkenntnisse aus den benutzergenerierten Daten zu erhalten. Doch leider entpuppten sich die grossmundig angekündigten „Learning Analytics“ als profane „Customer Analytics“ (Baker et al., Barcena et al., Cisel, Meinel et al., Seaton et al.). Wie viele Videos werden wann angeklickt? Aus welchen Ländern stammen die Teilnehmenden? Wie hoch ist die Anzahl von Forenbeiträge, natürlich ohne inhaltliche Abstufung? Um es kurz zu machen, sobald es um Zahlen ging, war Lernen und Lernwirksamkeit ausgeblendet. Analysen des Lernfortschritts, Auswertungen der Selbsttests (Fehlversuche, zeitlicher Aufwand usw.), qualitative Untersuchungen der Abschlusstests, komparative Studien mit Kontrollgruppen …alles Fehlanzeige! Nicht einmal Voruntersuchungen zu diesen Themen waren auf dem Programm. Einzig der Beitrag von Li et al. bot interessante Einblicke über die Auswirkung von Synchronizität beim Videoschauen auf die Partizipation in Foren.

Meine sehr persönliche Einschätzung

Viele Facetten von MOOCs wurden in Lausanne diskutiert und der Tagungsband dokumentiert zweifelsohne, dass MOOCs eine grundlegende Veränderung im Bildungsbereich eingeleitet haben. Nur welche Implikationen schlussendlich damit verbunden sind, ist noch immer nicht deutlich.

Positiv ist auf jeden Fall, dass online Lernen jetzt auch verstärkt von Entscheidungsträgern als wichtig eingestuft wird. Als problematisch sehe ich eher die Tatsache an, dass MOOCs sich zu einem wirtschaftlich wichtigen Faktor entwickeln. In welcher Weise die aus Steuern finanzierten Hochschulen Europas hier einen vertretbaren Weg finden, ihre hohen Produktionskosten von MOOCs zu rechtfertigen, ist mir nicht klar.

Im europäischen Kontext sehe ich die cMOOCs als interessante Alternative. Anstatt auf Massenwirkung ausgerichtet, wird in cMOOCs eher die Breite in Form von communities angesprochen. Neben den zeitlich getakteten Inputs von Experten stehen die Beiträge der Teilnehmenden im Vordergrund eines cMOOC. In ihnen werden neues Wissen und neue Erkenntnisse diskursiv erschlossen. Bisher waren deutschsprachige Hochschulen im Bereich cMOOCs sehr aktiv. In Lausanne war es sehr interessant zu erfahren, dass und auch wie sich andere europäischen Universitäten hier einbringen.

Letztendlich, das Thema MOOCs bleibt spannend und man darf auf die kommende EMOOCS 2015 im belgischen Mons gespannt sein.

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Geselliges und informatives Fondue-Dinner mit den französischen Kollegen und Kolleginnen

 

 

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