
Role Models II: Maria Conen. A Portrait edited by Nora Molari (DE)
FRAU ARCHITEKT – MARIA CONEN
…studierte Architektur an der EPF Lausanne und der ETH Zürich. Nach ihrem
Abschluss 2005 in Zürich arbeitete sie in verschiedenen Architekturbüros und in freier
Zusammenarbeit für einzelne Projekte mit Raoul Sigl. Nachdem sie 2010 ihren Master of
Advanced Studies am Institut Geschichte und Theorie der Architektur an der ETH Zürich
abschloss, gründete sie 2011 zusammen mit Raoul Sigl ihr Büro Conen Sigl Architekten. Neben ihrer Arbeit als selbstständige Architektin ist sie als Oberassistentin bei Prof. Adam Caruso an der ETH Zürich und als Gastprofessorin unter anderem an der TU München (2016-2017) tätig.
“Mit dem Beruf der Architektin kam ich zum ersten Mal in Berührung, als meine Eltern unser Wohnhaus mit einer befreundeten Architektin umgebaut haben. Das faszinierte mich und ich spürte ein wachsendes Interesse am Gestalten von Häusern, Räumen und schliesslich der ganzen Umwelt. Im Studium gefiel mir dieses breitgefächerte Angebot an Vorlesungen: Von Geschichte und Soziologie, Geometrie und Bauphysik bis zu bildnerischem Gestalten und Wirtschaft.
Während des Studiums habe ich mir die Frage nach Gleichberechtigung nicht gestellt – ich war viel mehr damit beschäftigt, mit all den neuen Informationen und Materien klarzukommen – es gab so viele neue Themen, die auf mich einwirkten. Ich habe bei Lucca Ortelli in Lausanne und dann in Zürich bei Peter Märkli, Hans Kollhoff und Luigi Snozzi studiert – alles Menschen mit sehr starken und eigenen Entwurfshaltungen. Erst in meinem Praktikum bei Miller & Maranta in Basel hatte ich mit Paola Maranta eine Frau als Lehrerin. Im Studium habe ich mich nie gefragt, ob das nun eine männliche oder weibliche Position ist. Ich denke, es ging oder geht vielmehr um die Unterschiede zwischen Individuen als zwischen Geschlechtern. Deshalb finde ich es auch schwierig, dieses Thema aus einer schwarz-weiss Perspektive zu betrachten. Ich bin geprägt von diesen Personen und habe von ihnen viel gelernt. Ich möchte mich in unserem Gespräch auf zwei Texte beziehen, welche mich in letzter Zeit beschäftigt haben. Seit gut 1.5 Jahren bin ich Teil eines Lesezirkels. In diesem Rahmen lesen wir explizit Texte zum Feminismus aber auch generell Texte zu Fragen der Gleichberechtigung oder Gleichstellung. Ich habe nun diese zwei Texte gewählt, da sie mir passend zu Deinen Fragen scheinen und zeigen, dass diese Fragen schon länger im Raum stehen und diskutiert werden, aber dass sich nur langsam – wenn überhaupt – etwas ändert. Virginia Woolf geht in ihrem Essay “A Room of One’s Own”, der 1929 erschien, der Frage nach, weshalb es so wenige Schriftstellerinnen gibt. Sie bringt das Problem auf den Punkt, indem sie sagt, um schreiben zu können, braucht eine Frau ein eigenes Zimmer und Geld. Ein Zimmer, wohin sie sich zurückziehen kann, um in Ruhe schreiben zu können, und Geld, um eine gewisse finanzielle Freiheit geniessen zu können. Und beides ist zu dieser Zeit für Frauen schwierig zu erreichen. Das Geld Verdienen liegt in der Hand der Männer und die Frau ist zu Hause, kümmert sich um den Haushalt und die Kinder, und hat somit selten einen ruhigen Rückzugsort – kein Zimmer oder einfach auch keine Zeit zum Schreiben. Zudem werden das öffentliche Leben und die Universitäten – Ort der Ausbildung – von Männern dominiert. Auf diesen Aspekt möchte ich später in unserem Gespräch nochmals zurückkommen. Woolf schreibt weiter, dass der ideale Schriftsteller oder die ideale Schriftstellerin ein androgynes Hirn hat, also von beiden Geschlechtern etwas, und er/sie versucht nicht, auf die eine oder andere Seite zu schwanken. Der Versuch, dieses Gegenüber aufzubrechen und von diesen Kämpfen zwischen Frauen und Männern abzukommen – eine Mitte zu finden, ist eigentlich die Voraussetzung, dass etwas Gutes entstehen kann. Wo es ausgeglichen ist und sich niemand behaupten muss, können Ideen frei entstehen.
Was könnte das für die Architektur bedeuten? Der Bezug zwischen Körper und Raum, welcher uns in der Architektur beschäftigt, ist meiner Meinung nach für Männer nicht anders als für Frauen. Man entdeckt etwas, man versucht das neu Entdeckte weiterzudenken und man geht nicht von einer fest geschriebenen Architekturgeschichte aus, sondern von ganz vielen, unterschiedlichen Geschichten, die immer neu angeschaut werden können. Und wenn man es schafft, diese Stereotypen aufzubrechen, dann hat das nichts mehr zu tun mit feminin oder maskulin, sondern mit uns allen als Individuen, die in einer bestimmten Zeit in einem bestimmten politischen und wirtschaftlichen System leben, und wir sollten alle schauen, beobachten und verstehen versuchen, was eine Gesellschaft zum Leben und Wohnen braucht. Man lässt sich von dem, was man sieht, beeinflussen. Man schaut sich Sachen aus der Geschichte an, man knüpft an und versucht daraus zu lernen, es an die neuen Ansprüche anzupassen, es zu verbessern oder zum Teil auch zu übernehmen, weil man es gut findet so. Und dadurch entsteht Wandel. Die Geschichten der Architektur – die man hauptsächlich kennt, lernt und liest – sind meist von männlichen Protagonisten geprägt und geschrieben worden. Ich glaube, darauf sollte man nun seinen eigenen kritischen Blick werfen. Denn auf die Geschichten zurückzublicken und sie kritisch zu hinterfragen und nach anderen vielleicht bis jetzt nicht beachteten Quellen zu suchen, könnte es ermöglichen, dass gewisse Geschichten plötzlich anders gelesen werden. Vielleicht kann man zum Text und den Forderungen Woolfs nach einem eigenen Zimmer und Geld für Frauen auch noch den Essay von Linda Nochlin von 1971 erwähnen: “Why Have There Been No Great Women Artists?” Sie kommt darin zum Schluss – ähnlich wie Woolf – dass es unter anderem die institutionellen Hindernisse sind, die Frauen in der westlichen Welt davon abgehalten haben, Erfolge in der bildenden Kunst zu erzielen, welche mit denen von männlichen Künstlern vergleichbar wären. Sie schreibt, dass es bestimmt auch viele weibliche Talente in der Geschichte gegeben hätte, und wären diese in der Gesellschaft und von den
Institutionen entsprechend gefördert worden, hätten sie auch eine Karriere als Künstlerinnen machen können. Diese Gegebenheit passt sicherlich auch auf den Bereich der Architektur und ihre Geschichte. Und darin liegt meiner Ansicht nach bis heute das Problem, nämlich dass die Politik als Vertretung der Gesellschaft und die verschiedenen Institutionen immer noch zu wenig unternehmen, um ein Gleichgewicht zwischen Mann und Frau herzustellen. Ein Beispiel dazu wäre die Einführung des Vaterschaftsurlaubs, welcher bis heute nicht oder kaum existiert in der Schweiz, welcher aber einer Familie einen ausgeglichenen Start in das Familienleben ermöglichen würde. Und wenn in der Familie ein Gleichgewicht herrschen würde, würde das zum Beispiel den Berufswiedereinstieg der Frau schon mal gewaltig erleichtern. Dies nur als ein Beispiel…
Trotzdem muss man sich bewusst sein, dass der Beruf der Architektin ein harter und zeitintensiver ist, je nachdem in welcher Form man ihn ausübt. Er fordert unwahrscheinlich viel Energie und Flexibilität im Alltag – besonders, wenn man selbstständig ist. Nicht jede Architektin ist bereit und hat die entsprechende Unterstützung von ihrem Partner und der Familie, neben dem Familienalltag so viel Zeit in ihren Beruf zu investieren, wie ich das habe. Wir haben zu Hause Unterstützung von beiden Grosseltern unserer Kinder. Dies gibt uns eine enorme Flexibilität im Alltag und erlaubt uns, den Spagat zwischen Beruf und Familie zu meistern. Ohne Grosseltern wäre vieles nicht möglich. Auch eine Gegebenheit unser Zeit, dass so vieles nur funktioniert durch die Unterstützung von Menschen, welche keine Bezahlung erhalten – sogenannte Care-Arbeit. Die Baubranche und dazu gehört die Architektur ist ein männlich dominiertes Berufsfeld, wo ein gewisses Machotum leider immer noch Alltag sind. Nicht Jede Person hat Interesse und Energie sich dem aktiv auszusetzen. Wie die beiden oben zitierten Texte zeigen, haben insbesondere Frauen durch die gesellschaftliche und politische Situation nach wie vor viele Nachteile. Damit sich hier etwas ändert, braucht es einerseits politische Ansätze, welche neue Vorschriften bringen und Rahmenbedingungen ändern und andrerseits bewusstes Handeln auf institutioneller Ebene – wie zum Beispiel nun diese Seminare von Torsten Lange und Gabrielle Schaad eine aktive Diskussion am Departement und unter den Studierenden fördern. Nur so wird irgendwann eine Gleichstellung möglich sein.”
QUELLENVERZEICHNIS
– Linda Nochlin: Why Have There Been No Great Women Artists?, 1971.
– Virginia Woolf: A Room of One’s Own, 1929.
UMBAU HAPPY HOUSE, ZÜRICH (2017)
Die Erscheinung des Hauses von aussen blieb unverändert. Im Gebäudeinnern wurden die
teils sehr unsensiblen Umbauten aus den Siebzigerjahren, inklusive der Aufteilung in zwei
Wohnungen, rückgebaut und das Haus in seine historische Einteilung zurückgeführt.
Mit wenigen Durchbrüchen und Eingriffen in die Gebäudestruktur, wurde ein neues einheitliches Wohnhaus gestaltet. Ein mittig in der Wand zwischen Küche und Esszimmer angeordneter Durchbruch bindet die ehemalige Nebennutzung “Kochen“ an das Wohnen an. In Analogie zum Enfiladeartigen Übergang vom Wohnzimmer im Erker zum Esszimmer reiht sich nun die Küche und durch eine neue Sitztreppe hinab zum Garten der Aussenraum an die anderen Räume.
Im Obergeschoss wurde das Bibliothekszimmer durch eine Vergrösserung der Öffnung zu einer doppelflügeligen, fast raumhohen Türe an die räumliche Enfilade des Erdgeschosses angeschlossen. Die farbige Abfolge der Deckenspiegel entfaltet im Inneren eine neue Enfilade. Die Bodenmuster des Parketts und der Bodenplatten werden zusammen mit den Farben und Formen der Deckenspiegel zu einem neuen verbindenden Element des Hauses – Analog zu den Kunstwerken von Sol LeWitt werden die Flächen mit verschiedenen Mustern bespannt und bezogen. Dadurch entstehen verschiedene Beziehungen zwischen den Decken-, Wand- und Bodenflächen in den einzelnen Räumen und zwischen diesen. Es wird versucht mit Hilfe der Farb- und Materialsequenz ein neues Ganzes zu schaffen ohne dass die einzelnen Eingriffe als Neu oder Alt wahrgenommen werden sollen.
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