Was bedeutet der IPCC-Bericht für die Klimapolitik?
01.10.2013 von
Vergangenen Freitag erschien der erste von drei Teilen des fünften Weltklimaberichts. Die früheren Ausgaben sollten als Wegweiser für die Klimapolitik dienen. Einige Massnahmen waren dabei erfolgreicher als andere.
Die drei Arbeitsgruppen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) veröffentlichen in den kommenden Monaten drei Bände, die zusammen den fünften Sachstandsbericht (SB5) bilden. Der von der Arbeitsgruppe 1 verfasste Bericht zur Wissenschaft des Klimawandels wurde vergangenen Freitag publiziert. Die Berichte der Arbeitsgruppen 2 und 3 zu den Auswirkungen des Klimawandels, respektive zu möglichen Massnahmen, um den Klimawandel aufzuhalten, erscheinen im März und April 2014.
Dem 1988 von den Vereinten Nationen gegründeten IPCC obliegt es, den Stand der Klimaforschung zu beurteilen und den Entscheidungsträgern auf eine für sie nutzbringende Art zu kommunizieren. Drei der vorhergehenden vier Sachstandsberichte erschienen in kritischen Phasen der klimapolitischen Entwicklung. Die ersten zwei begünstigten die Verhandlungen zum aktuellen UN-Klimaabkommen und dessen erster grosser Überarbeitung. Der vierte Sachstandsbericht (SB4), der den Nobel-Preis erhielt, wurde 2007 veröffentlicht und sollte als Leitfaden für die Verhandlungen zum Nachfolger des Kyoto-Protokolls dienen.
Klimapolitik im Zwiespalt trotz überzeugender Botschaft
Der SB4 vermittelte eine überzeugende Botschaft: dass, um den Klimawandel aufzuhalten, die Welt einen Weg einschlagen muss, der Treibhausgasemissionen aus Industrie und Landnutzung bis Ende dieses Jahrhunderts vollständig eliminiert. Und dass ein solcher Weg technisch wie auch wirtschaftlich gangbar ist. Man ging vielfach davon aus, dass dieses Signal erfolgreiche Verhandlungen nach sich zöge, die an der UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen ihren Abschluss finden würden.
Doch schafften es die Verhandlungspartner in Kopenhagen nicht, sich auf eine Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll zu einigen, und in den vier seither vergangenen Jahren haben sie wenig bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Überdies legen der am Freitag erschienene erste Teil des SB5 sowie erste Entwürfe der Arbeitsgruppe 2 nahe, dass der SB5 die Ergebnisse des SB4 bestätigen, jedoch keine völlig neuen Erkenntnisse bringen wird. Mancherorts wird behauptet, dass das IPCC seinen Wert verloren habe.
IPCC dennoch sinnvoll
Diese Aussage weise ich aus zweierlei Gründen zurück:
Erstens sind auf nationaler Ebene derzeit ehrgeizige politischen Entwicklungen im Gang. So planen Länder wie Deutschland, die Schweiz und sogar die USA genau diesen Wandel weg von fossilen Brennstoffen und hohen Emissionen, den der SB4 sowohl für notwendig als auch für möglich befand.1 Die Massnahmen dieser kleinen Anzahl an Ländern könnten zu technologischem Fortschritt führen, der eine weltweite Wende ermöglicht. Es ist durchaus vorstellbar, dass sich diese Länder ohne den SB4 anders verhalten hätten. Die Berichte der Arbeitsgruppen 1 und 2 im Rahmen des SB5 sollten den eingeschlagenen Weg nun zusätzlich rechtfertigen.
Zweitens bestehen tiefgehende Meinungsunterschiede hinsichtlich der besten Strategie, die nationalen Dekarbonisierungsziele zu erreichen, also die Entkopplung des wirtschaftlichen Wachstums vom CO2-Ausstoss. Vor zehn Jahren waren beinahe alle Analysten davon überzeugt, dass Kohlenstoffmärkte (also der CO2-Emissionshandel) das ideale politische Instrument darstellen würden. Diese haben sich jedoch bislang als keine besonders gute Lösung erwiesen. Dagegen haben Kombinationen anderer Instrumente, darunter Subventionen, Lenkungsabgaben und technische Standards, die Erwartungen übertroffen. Diese Resultate wurden von Wissenschaftlern – auch von vielen ETH-Forschenden – untersucht.z.B. 2 So fanden Forscher beispielsweise heraus, dass die erfolgreicheren Massnahmen – im Gegensatz zu den weniger erfolgreichen – die Risiken für Investoren minimieren.
Der SB5 bestätigt, dass die Energiewende notwendig ist, sogar vielleicht dringender notwendig als bisher angenommen. Dem IPCC ist es nun in seinem Bericht der Arbeitsgruppe 3 möglich, eine kritische Würdigung alternativer Strategien zu bieten.
1. Lilliestam, J. et al. An alternative to a global climate deal may be unfolding before our eyes. Clim. Dev. 4, 1–4 (2012).
2. Peters, M., Schneider, M., Griesshaber, T. & Hoffmann, V. H. The impact of technology-push and demand-pull policies on technical change – Does the locus of policies matter? Res. Policy 41, 1296–1308 (2012).
Hinweis: Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt.
Zum Autor:
Anthony Patt ist Professor für Mensch-Umwelt-Systeme am Departement Umweltsystemwissenschaften. Er forscht insbesondere zu angewandten Fragen der Klimapolitik. Zur Gruppe «Mensch-Umwelt-Systeme» (HES), deren Forschung und Publikationen: www.hes.ethz.ch
Kommentare (10) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen
@Roggenmoser: „Figur SPM.6 zeigt zudem auf, dass Modelle, die nur natürliche Faktoren berücksichtigen, die beobachteten Temüeraturänderungen nicht erklären können.“
Und Sie unterstellen, dass die Klimamodelle alle natürlichen Faktoren mit grosser Genauigkeit abzubilden in der Lage sind. Die Divergenz zwischen den beobachteten und den modellierten globalen Temperaturen lassen ernsthafte Zweifel aufkommen.
Von 1981 bis 2013 zeigen die Temperaturen des Südozeans einen Trend von -0.05°/Dekade, die Modelle (RCP6.0) einen Trend von +0.05°/Dekade.
In der selben Periode zeigen die Temperaturen des Ost-Pazifik (ca. 1/3 der gesamten Meeresoberfläche) einen Nulltrend, die Modelle einen solchen von +0.15°/Dekade.
Von 1995 bis 2013 zeigen die Temperaturen des Pazifik (Oberfläche grösser als alle kontinentalen Landmassen zusammen) einen Nulltrend, die Modelle einen Trend von +0.4°C/Dekade.
Wer hat recht, die Modelle oder die Beobachter?
@Kommentar von Anthony Patt. 02.10.2013, 9:39
Mit folgendem Schlusssatz gehe ich voll und ganz einig:
„Endlich kann man beobachten, es gäbe Energiemarkte (z.B. Kalifornien, Südafrika) wo es schon sinnvoll ist, Wind- und Solaranlagen zu bauen, ohne Förderungsgeld.“
Generell sollte man Solaranlagen dort hinstellen wo es viel Sonne hat und Windparks dort wo es viel Wind hat. Selbst wenn jetzt noch Subventionen nötig sind, sind sie kleiner, wenn man die Anlagen an optimalen Standorten baut. In Europa sollte also die Solarenergie vor allem in Südeuropa gefördert werden. Doch in Spanien gibt es seit 2012 wegen der Finanzkrise keine Förderung mehr.
Am besten wäre für Europa eine einheitliche Einspeisevergütung für Sonne und Wind, die gerade so gross wäre, dass sich an den günstigsten Standorten der Aufbau dieser Anlagen lohnen würde.
Schwankungen in der Sonnen- und Windenergie können dann mit einem grossräumigen Stromnetzverbund ausgeglichen werden. Ein europäisches Verbundnetz wäre deshalb eine wichtige Komponente einer europäischen Erneuerbaren-Strategie. Doch in der Energiepolitik der europäischen Staaten herrschen nationale Ziele vor.
Fazit: Die nationale Ausrichtung der Energieversorgung ist eines der grössten Hindernisse für den Erfolg der erneuerbaren Energien. Dass es keine EU-weite Energiepolitik gibt, die diesen Namen verdient, ist ein schlechtes Zeugnis für die EU.
Da steht ja schon Interessantes drin, in dem Report. Von einer Hockeystick-ähnlichen Kurve ist nichts mehr zu sehen. Angeblich ist das mittelalterliche Klimaoptimum wiederauferstanden.
Und von mehr Dürren steht auch nichts mehr. Hatten die Klimaskeptiker (aka flat-earth-society Mitglieder) doch nicht so unrecht.
@Palmer: „Können wir uns darauf einigen, dass die Erwärmung der Ozeane keine anthropogene Ursache hat?“
Nein, weil das schlicht falsch ist. Im Kapitel D.3 „Detection and Attribution of Climate Change“ wird zum anthropogenen Einfluss auf die Erwärmung der Ozeane folgendes gesagt (Seite 13 im Summary for Policymakers): „It is very likely that anthropogenic forcings have made a substantial contribution to increases in upper ocean heat content (0-700m) observed since the 1970s)“. Figur SPM.6 zeigt zudem auf, dass Modelle, die nur natürliche Faktoren berücksichtigen, die beobachteten Temüeraturänderungen nicht erklären können. Kapitel 10.4 geht diesem Aspekt im Detail nach.
Eine ähnliche Aussage fand sich übrigens schon im vierten Report. Damals war man sich allerdings weniger sicher (likely anstelle von very likely).
[…] By Anthony Patt, ETH Zurich and IIASA (From ETH-Klimablog) […]
Sehr geehrter Herr Holzherr,
Zum ersten Punkt bin ich ganz Ihrer Meinung. Der Botschaft der IPCC ist genau das: eine Zusammenfassung des Forschungsstandes zu berichten. Eigentlich haben die IPCC-Autoren die Herausforderung, Handlungsempfehlungen grundsätzlich zu vermeiden. Also steht es nirgendwo im Bericht, dass man dies oder das machen muss. Trotzdem kann man häufig gefragte Fragestellen antworten. Zum Beispiel was gemacht werden muss, wenn man die Temperatursteigerung um 2°C limitieren will. Oder: ob solche Massnahmen technisch machbar sind. Die Antworte auf solche Fragen sind schon wichtig.
Zum zweiten Punkt bin ich nicht Ihrer Meinung. Der Zweck von vielen politischen Massnehmen — nicht nur Subventionen sonder auch Emmissionshandel — ist eine notwendige „Return on Investment“ zu schaffen. Die Förderungsmassnahmen sind nötig, solang die neuen Technologien teurer sind als die älteren. Dieser Zustand verändert sich schnell, genau weil manche Länder (vor allem Deutschland) die neuen Technologien gefördert haben. Die Kosten von Wind- und Solarenergie sind in den letzten Jahren etwa 80% gesunken. Endlich kann man beobachten, es gäbe Energiemarkte (z.B. Kalifornien, Südafrika) wo es schon sinnvoll ist, Wind- und Solaranlagen zu bauen, ohne Förderungsgeld.
@Roggenmoser:
„Ocean warming dominates the increase in energy stored in the climate system, accounting for more than 90% of the energy accumulated between 1971 and 2010 (high confidence). It is virtually certain that the upper ocean (0−700 m) warmed from 1971 to 2010“
Können wir uns darauf einigen, dass die Erwärmung der Ozeane keine anthropogene Ursache hat? Wo kommt dann diese Energie her? Welchen Einfluss hat die Erwärmung der Meeresoberfläche auf die globale Temperatur (Land + Ozeane)?
Zwischen 1971 und 2010 haben die Ozeane mehr als 90% der Energie des Klimasystems aufgenommen. Bleiben noch 10%, wo sind die geblieben?
Sehr geehrter Herr Professor Patt,
Die Weltklimaberichte SB4 und jetzt SB5 (erst Resultate der Arbeitsgruppe 1 ) sehe ich in erster Linie als Zusammenfassung des Forschungsstandes und erst in zweiter Linie als eine Darstellung dessen, was getan werden müsste um den Klimawandel aufzuhalten und einer Feststellung, (Zitat) “ dass ein solcher Weg technisch wie auch wirtschaftlich gangbar ist.“
Ich neige sogar dazu, die Darstellung des Forschungsstandes als wichtiger zu erachten als die Handlungsempfehlungen und die Darstellung der Machbarkeit eines Ausstiegs aus den fossilen Energiequellen. Auch wenn der Weltklimabericht keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse brachte, so ist das trotzdem ein mitteilenswertes Resultat.
Was die von einigen Ländern eingeleiteten Klimamassnahmen angeht, bin ich weniger optimistisch als sie. Wenn sie schreiben:
„Die Massnahmen dieser kleinen Anzahl an Ländern [Deutschland, Schweiz, USA] könnten zu technologischem Fortschritt führen, der eine weltweite Wende ermöglicht.“
so berücksichtigen sie zu wenig, dass beispielsweise in Deutschland die Förderung der Erneuerbaren im Rahmen der „Energiewende“ zu starken Preisanstiegen bei der Elektrizität geführt haben, was auf andere Länder eher abschreckend wirkt und kaum Vorbildfunktion hat.
Auch die Tatsache, dass sich ein Preis auf CO2-Emissionen nicht durchgesetzt hat, sich aber Massnahmen durchsetzen, welche den Investoren einen „Return on Investment“ geben, muss nicht unbedingt optimistisch stimmen. Denn es bedeutet, dass es ohne Subventionen scheinbar nicht geht. Diese Subventionen können sich aber Schwellen- und Entwicklungsländer weit weniger leisten als hochindustrialisierte Länder wie Deutschland oder die USA.
@Palmer: Auch an Sie die Bitte, die entsprechenden Berichte doch erst zu studieren, bevor Sie hier teilweise abenteuerliche Behauptungen aufstellen.
Niemand hat je behauptet, der Ausstoss von CO2 sei die alleinige Ursache für den Klimawandel. Das wäre absurd. Es ist mittlerweile common knowledge, dass das Klima von mehreren, sich gegenseitig überlagernden Effekten beeinflusst wird. Dies kommt in den IPCC-Berichten zur Genüge zum Ausdruck.
Wenn sie behaupten, dass im neuen IPCC-Bericht die übrigen, teilweise natürlichen Effekte, die das Klima beeinflussen, nicht bekannt sind, dann ist das schlicht und einfach falsch. Sie finden im Summary for Policymakers (http://proclimweb.scnat.ch/portal/ressources/3032.pdf) eine Graphik, die sich genau diesem Aspekt widmet. Graphik SPM-5 auf Seite 31 zeigt die verschiedenen Einflussfaktoren inklusive relativem Einfluss, Unsicherheitsbereich und level of confidence auf. Die Rolle der Ozeane wird ebenfalls zur Genüge diskutiert. Es ist absurd, einfach ohne Grundlage das Gegenteil zu behaupten.
„Der SB4 vermittelte eine überzeugende Botschaft: dass, um den Klimawandel aufzuhalten, die Welt einen Weg einschlagen muss, der Treibhausgasemissionen aus Industrie und Landnutzung bis Ende dieses Jahrhunderts vollständig eliminiert.“
Dem SB4 war es allerdings nicht gelungen, den Nachweis zu erbringen, dass +anthropogenes+ CO2 die alleinige und vorherrschende Ursache für einen +katastrophalen+ Klimawandel ist.
Die +natürlichen+ Ursachen, die unser Klima beeinflussen, sind auch unter SB5 nicht bekannt. Den Einfluss der Ozeane hat man erst entdeckt, nachdem die Divergenz zwischen Modellen und Observationen offensichtlich wurden.
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