Hohe Risikowahrnehmung führt zu vorausschauendem Handeln
29.08.2013 von
Jeder Umgang mit Risiken beginnt mit deren – subjektiver – Wahrnehmung. Im optimalen Fall findet diese weit vor dem Eintreten eines Ereignisses statt und erlaubt eine entsprechende Vorbereitung. Deshalb hat Swiss Re mehr als 20’000 Personen in 19 Ländern zu ihrer persönlichen Risikowahrnehmung befragt.
Verbreitete Sorgen um Klimawandel
In allen untersuchten Ländern sehen überwiegende Mehrheiten einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Naturkatastrophen. Acht von zehn Personen fühlen sich durch das Risiko, das der Klimawandel für die örtliche Gemeinschaft darstellt, bedroht und sagen, es sei wahrscheinlich, dass ihre Heimat oder die Nachbarschaft von einer grossen Naturkatastrophe als Folge heimgesucht werden. Sechs von zehn Personen meinen, die Auswirkungen des Klimawandels auf Naturkatastrophen seien enorm.
Dies deutet darauf hin, dass viele die Herausforderung der Bekämpfung des Klimawandels und der globalen Erwärmung als eine wichtige Massnahme zur Risikominderung sehen. Die Besorgnis um die lokalen Auswirkungen des Klimawandels ist vor allem in den Wachstumsmärkten stark ausgeprägt. In Indonesien sagen 96 Prozent, dass der Klimawandel das Risiko für ihre Nachbarschaft erhöht und 48 Prozent meinen, dies geschehe «in hohem Masse». In Mexiko (92% / 38%), Indien (86% / 38%) und China (92% / 21%) verbinden grosse Mehrheiten natürliche Katastrophenrisiken ebenfalls mit Klimawandel. Selbst in den Vereinigten Staaten – oft als Land mit hohem Anteil an Klimaskeptikern betrachtet – sind sich 75 Prozent der Befragten einig, dass der Klimawandel ihre Nachbarschaft einem grösseren Naturkatastrophenrisiko aussetzt, für jede fünfte Person sogar «in hohem Masse».

In ihrem Global Risk Perception Survey stellte die Swiss Re die Frage: «Wie stark tragen Klimawandel und die globale Erwärmung zum Risiko bei, dass Ihr Wohngebiet von einer Naturkatastrophe heimgesucht wird?» (© Swiss Re)
Zunahme von extremen Naturkatastrophen wird erwartet
In den kommenden Jahren erwarten 68 Prozent der Befragten vermehrt extreme Naturkatastrophen, und 50 Prozent erwarten ein grösseres Schadensrisiko für die eigene Wohnung und Nachbarschaft. Obwohl die Menschen erkennen, dass die Verhinderung der globalen Erwärmung der Schlüssel zur Risikoverwaltung ist, rechnen sie mit einem längeren Zeitraum von mehr Wetterextremen und Naturkatastrophen.
Katastrophenplanung erhält nicht überall gute Noten
Befragte in Asien und Lateinamerika sind weniger zuversichtlich über die Katastrophenvorsorge in ihren Ländern und fühlen sich weniger sicher als die Befragten in Europa und Nordamerika. Während 35 Prozent in Asien und Lateinamerika denken, dass die Regierungsmassnahmen «schlecht oder sehr schlecht» sind, teilen lediglich 21 Prozent der Einwohner in Europa und Nordamerika diese Auffassung (mit Italien als Ausnahme: 43 Prozent). Dies ist ein Aufruf an die Regierungen, die Katastrophenvorsorge zu verstärken.
Zusammenarbeit im Umgang mit Naturkatastrophen tut Not
Der öffentliche Sektor und die Privatwirtschaft müssen diesbezüglich enger zusammenarbeiten. In der Schweiz – wohlgemerkt – funktioniert dies bereits sehr gut (Stichwort Überschwemmungen 2005). Ist Katastrophenvorsorge ein Exportartikel? Zumindest was die Versicherung von Risiken anbelangt, scheint dem so zu sein – wie sonst könnte Swiss Re auf 150 Jahre erfolgreiche Risikodiversifikation über Ländergrenzen hinweg zurückblicken? Dass es mit der Versicherung allein keineswegs getan ist, habe ich oben und in meinen früheren Beiträgen bereits dargelegt. Deshalb werden Modelle erfolgreicher Zusammenarbeit vermehrt im Ausland nachgefragt. Die Schweiz hat heute die Gelegenheit, hier ihre führende Position auszubauen.
Literaturhinweis
Studie «Risk Perception Survey» von Swiss Re
Zum AutorGastautor David Bresch ist Head Sustainability bei Swiss Re.
VeranstaltungshinweisWollen Sie mehr wissen über den Umgang mit Risiken? Am Wochenende vom 31. August bis 1. September findet die Scientifica 2013 statt zum Thema «Risiko – was wir wann wagen». Die Zürcher Wissenschaftstage von ETH und Universität Zürich zeigen mit anschaulichen und spannenden Projekten, wie Menschen mit Risiken umgehen und wie die Wissenschaft Risiken auf den Grund geht.
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Seit kurzem verdichten sich die Forschungsergebnisse, welche den Klimawandel als langfristigen Prozess sehen, wo die schwerwiegendsten Änderungen erst in 50, 100 oder noch mehr Jahren zu erwarten sind. So kam eine kürzliche Studie von Anders Leverman zum Resultat, dass ein Anstieg der Temperatur um 1 Grad Celsius langfristig (über mehrere hundert Jahre betrachtet) zu einem Meeresspiegelanstieg von 2.3 Metern führt. Schon ein Meeresspiegelanstieg von einem Meter würde aber 56 Millionen Menschen in Entwicklungsländern betreffen. Zitat:„If seas rise as little as 39 inches (1 meter) this century, as forecast in some scientific models, one-fourth of the heavily populated Nile Delta in Egypt would be underwater, said Susmita Dasgupta, author of a report on the impact of sea level rise on developing countries.
Coastal Vietnam would also be severely affected, Dasgupta said at a briefing, as would Mauritania, Suriname, Guyana, French Guiana, Tunisia, United Arab Emirates, the Bahamas and Benin.“
Fazit: Medien, Versicherungen und die Politik sehen heute den Klimawandel als Herausforderung fùr die unmittelbare Gegenwart. Schon bald wird sich Grossbritannien beispielsweise aber die Frage stellen müssen, ob London in 100 Jahren alle paar Jahre mit Überschwemmung vom Meer her rechnen muss, selbst wenn London 25 m über Meer liegt. Zudem wird die Bedrohung mit jedem Jahrzehnt zunehmen. Irgendwann wird man die CO2-Emissionen nicht nur stoppen sondern den CO2-Gehalt der Luft sogar senken wollen.
„Sechs von zehn Personen meinen, die Auswirkungen des Klimawandels auf Naturkatastrophen seien enorm.“
Wie kommen diese Menschen zu dieser Meinung? Man darf bezweifeln, dass diese Menschen sich mit den wissenschaftlichen Fakten auseinandergesetzt haben oder gar persönlich „Auswirkungen“ festgestellt haben. Ihre einzige Informationsquelle sind die Massenmedien und die Agenturmeldungen. Haben sich die Agenturen mit den wissenschaftlichen Fakten auseinandergesetzt, haben sie versucht, die Spreu vom Weizen zu trennen, haben sie sich um eine ausgewogene Berichterstattung bemüht? Die Antwort ist schlicht und einfach : NEIN.
„Dies deutet darauf hin, dass viele die Herausforderung der Bekämpfung des Klimawandels und der globalen Erwärmung als eine wichtige Massnahme zur Risikominderung sehen.“
Wobei diese Menschen wohl meist der Ansicht sind, MAN müsse etwas zur Bekämpfung tun. Wenn es darum geht, sich persönlich zu engagieren, ihren persönlichen Energiekonsum kritisch zu hinterfragen und dann einzuschränken, melden sich alle ab.
Alle, die diesen Blog lesen und kommentieren besitzen einen PC oder ein Tablet, hergestellt aus und mit Hilfe von Erdöl. Und sie nehmen gerne in Kauf, dass das Internet aus Millionen von Servern besteht, alle unter Verwendung von kostbarem Erdöl hergestellt und betrieben, alle mit entsprechendem CO2-Bilanzen.
Überlegen sie sich doch heute abend beim Zähneputzen, aus welchem Rohstoff ihre Zahnbürste hergestellt wurde …
Noch ein Nachtrag zu meinem vorhergehenden Kommentaren:
http://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/warum-wir-uns-oft-vor-dem-falschen-fuerchten
„Jeder Umgang mit Risiken beginnt mit deren – subjektiver – Wahrnehmung. […] Deshalb hat Swiss Re mehr als 20’000 Personen in 19 Ländern zu ihrer persönlichen Risikowahrnehmung befragt.“
Auch mehr als 20’000 befragte Personen können aus ihrer subjektiven Meinung keine objektive Risikoabschätzung machen. Wenn dieselbe Umfrage vor 30, 20, 10, 5 Jahren gemacht worden wäre, hätte man spielend eine Korrelation mit der Anzahl Publikationen zum Thema in den Massenmedien gefunden. Man hätte wohl auch feststellen können, dass die Risikowahrnehmung (= Glaube an ein objektives Risiko) in den letzten Jahren gesunken ist.
Ich wundere mich, dass ein Unternehmen wie die Swiss Re in diesem Blog so einen breiten Raum einnehmen darf. In Fragen zum Thema Risiko ist die Swiss Re aufgrund ihrer Unternehmensziele eher voreingenommen.
@Holzherr: „Extremwetterereignisse scheinen mit dem Klimawandel tatsächlich zuzunehmen: Mit steigender Temperatur gibt es nicht nur mehr Hitzerekorde, sondern auch auch intensivere Niederschläge.
Roger Pielke junior ist allerdings ein prominenter Gegner der These, Extremwetterereignisse hätten zugenommen.“
Sie irren sich und machen sich damit gleichzeitig schuldig, die subjektive Risikowahrnehmung hochzuschrauben. Pielke vertritt nicht eine These, sondern er belegt seine Aussage mit Fakten. Ich nehme an, sie wissen, was der Unterschied zwischen Spekulationen und Fakten ist?
Wenn tatsächliche höhere Temperaturen Extremereignisse (ein Sammelbegriff ohne klare Definition) begünstigen würden, dann wären wir seit der kleinen Eiszeit in einer Aufwärtsspirale und müssten uns sehnlichst eine neue Eiszeit herbeiwünschen. Eine Eiszeit wäre dann aber per se ein katastrophales Extremereignis für die Menschheit.
Sehr geehter Herr Bresch,
Risiken müssen zuerst wahrgenommen werden bevor Vorsorge getroffen – und eventuell gar eine Versicherung abgeschlossen wird. Doch Menschen scheinen in ihrer Risikowahrnehung sehr subjektiv zu sein. Dazu zwei Beispiele:
1) Die Angst vor Terroranschlägen hier im Westen führt zu Milliardeninvestitionen in die Sicherheit obwohl die Todesfälle durch Terrorismus im Westen hinter fast allen anderen Gefahren zurückliegen
2) Die Lebenserwartung in Nordchina liegt um 5.5 Jahre hinter derjenigen von Südchina wahrscheinlich wegen den vielen Kohleheizungen in Nordchina, die zu Atemwegs- und Herz-/Kreislaufkrankehiten führen. Trotzdem wird kaum etwas gegen dieses Problem unternommen.
Die Risikowahrnehmung von Wetterextremen ist besonders subjektiv, denn Ereignisse wie Überschwemmungen sind selten und treten sporadisch auf und die jüngste Gegenwart wird immer gegenüber einer Jahrzehnte alten Vergangenheit überschätzt.
Naturkatastrophen haben in Entwicklungs- und Schwellenländern für Betroffene weit grössere Konsequenzen als in Industrieländern, so dass die Frage nach der Ursache dort stärker ist und der Klimawandel als mögliche Ursache eine grössere Rolle spielt
Extremwetterereignisse scheinen mit dem Klimawandel tatsächlich zuzunehmen: Mit steigender Temperatur gibt es nicht nur mehr Hitzerekorde, sondern auch auch intensivere Niederschläge.
Roger Pielke junior ist allerdings ein prominenter Gegner der These, Extremwetterereignisse hätten zugenommen. Zuhanden des US-Senats schreibt er:
„“It is misleading, and just plain incorrect, to claim that disasters associated with hurricanes, tornadoes, floods, or droughts have increased on climate timescales either in the United States or globally.”
Ferner sagt er: „Human-caused climate change likely ranks low in the Lloyd’s 2013 Risk Index „
Viele Klimawissenschaftler sehen das aber anders.
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