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Rebound-Effekte: Sozio-psychologische Forschung ist nötig

07.05.2013 von

Rebound-Effekte sind eine Realität. Dies spricht jedoch nicht gegen Energieeffizienz, sondern für mehr Forschung – um zu verhindern, dass Effizienzgewinne1,2 verloren gehen.

Die Existenz verschiedener Formen von Rebound wurde empirisch längst nachgewiesen. Rebound bedeutet, dass Menschen durch Effizienzsteigerungen eine finanzielle oder psychische (moralische) Entlastung erfahren, die ihrerseits einen Mehrverbrauch an Energie (bzw. mehr Treibhausgasemissionen) verursacht. So geht ein Teil der theoretisch möglichen Effizienzgewinne wieder verloren.

Wie viel geht verloren?

Es gibt verschiedene Schätzungen dazu, wie hoch diese Verluste bei den theoretisch möglichen Effizienzgewinnen ausfallen. Für direkten und indirekten ökonomischen Rebound finden sich Angaben im Bereich von 5 bis 30 Prozent, mit gesamtwirtschaftlichen Effekten zusammen meist unter 60 Prozent2. Das bedeutet, dass die theoretisch möglichen Energie- bzw. Emissionseinsparungen insgesamt bei weitem nicht erreicht werden. Direkter Rebound zeigt sich in einer vermehrten Nachfrage nach der effizienzbedingt verbilligten Energiedienstleistung. Beim indirekten Rebound wird das eingesparte Geld anderweitig ausgegeben bzw. werden anderweitig Ressourcen beansprucht. Gesamtwirtschaftlicher Rebound besteht darin, dass in einem gesellschaftlichen Sektor eingesparte Mittel für Ausgaben in anderen Sektoren zur Verfügung stehen, was wiederum mit vermehrter Inanspruchnahme von Ressourcen verbunden ist. Für die preissignal-induzierten Effekte – was billiger wird, wird mehr nachgefragt – gibt es bereits recht viele Studien; seltener finden sich Untersuchungen zu den psychologischen Mechanismen3,4.

Die Unsicherheiten bezüglich der Grössenordnungen liegen zum einen darin, dass sich die Effekte gesunkener Preise und – im Sinne eines entlasteten Gewissens – gesunkener psychischer Kosten nicht immer klar trennen lassen. Ausserdem wird öfter übersehen, dass die Grössenordnungen auch von den konkreten Technologiefeldern abhängen dürften; Effizienzsteigerungen bei Heizung, Beleuchtung oder Mobilität wirken psychisch unterschiedlich entlastend.

© Heinz Gutscher

Nach «guten» Taten leisten wir uns weniger gute Taten

Menschen streben in ihrem Handeln nach einer moralischen Balance. Dabei zielen sie auf einen vertretbaren, für sich selbst akzeptablen (nicht perfekten) moralischen Standard. Wenn nun Handlungen oder Unterlassungen als moralisch problematisch angesehen werden ­– etwa aufgrund neuer Information – wird diese Balance gestört. Das motiviert Menschen zum Ausgleich durch «gute» Taten. Umgekehrt wird die psychische Entlastung infolge einer Investition in Energieeffizienz als eine «Lizenz» zu etwas lockererem Umgang mit Energie erlebt (moral licensing). Im Extremfall können dabei sogar mehr als die gesamten Effizienzgewinne wieder «ausgegeben» werden (back fire).

Neben solchen psychischen Entlastungs-Effekten aufgrund eigener Investitionen in Energieeffizienz gibt es auch stellvertretende psychische Entlastungs-Effekte. Diese beruhen auf Annahmen zur Nutzung effizienter Technologien durch andere Personen. So zeigt eine neue Studie, die einer meiner Doktoranden erarbeitet hat, dass der leider sehr weit verbreitete, naive Optimismus, Greentech allein werde alle Probleme lösen unter bestimmten Bedingungen davon entlastet, selbst aktiv zu werden4.

Fazit: Es braucht neben Technologieforschung auch integrierte sozio-psychologische Forschung zu Rebound-Effekten. Erforscht werden müssen die zugrundliegenden Prozesse. Zudem braucht es insbesondere auch Forschung zu möglichen Massnahmen, die neue, effizientere Technologien begleiten und einen allfälligen Rebound mindern.

 

1ETH-Klimablog, Markus Ohndorf vom 13.3.2013: Rebound-Effekt: Ein Argument für oder gegen die Förderung von Energieeffizienz?

2Gillingham et al. (2013). The rebound effect is overplayed. Nature, 493, pp. 475-476.

3Girod and de Haan (2009). Mental rebound. Rebound Research Report Nr. 3. ETH Zurich, IED-NSSI, report EMDM1522, 34 pages. Download: www.nssi.ethz.ch/res/emdm/

4Soland, M. (2013). “Relax… Greentech will solve the problem!”. Socio-psychological models of environmental responsibility denial due to greentech optimism (Unveröffentlichte Dissertation). Universität Zürich. (m.soland@psychologie.uzh.ch)

Zum Autor

Heinz Gutscher ist Professor Emeritus für Sozialpsychologie an der Universität Zürich, Präsident der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) sowie Vorsitzender von ProClim, dem Forum für Klima und globale Umweltveränderungen der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT).





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Wer an Energieffizienz als Primat der Dekarbonisierung glaubt, dem fehlt der Durchblick und der sollte Tom Blees Buch prescription for the Planet lesen, in dem man folgende Passage findet:

What can possibly be wrong with promoting energy efficiency
The Spanish generate 5.8 tonnes of CO2 per person per year (t-CO2/person/yr) while the Swedes produce almost 20 percent less at 5.07 t-CO2/person/yr. So can the Spanish turn off more lights, watch less TV, drive less, eat more raw food, use smaller more efficient fridges, cars, computers and so on to save 20 percent and get themselves down to the Swedish level?
Quite possibly. But it’s an incredibly brainless way to reduce emissions. Partly because it won’t ever get them low enough to be sustainable, but more importantly because it may impede the deep and meaningful changes that will.
It’s not difficult to see this when you consider that the Swedes use more than twice the electricity per person of the Spanish. In fact, at 15,000 kWh/person/yr, the Swedes use more electricity than almost anybody, even more than couch potato Australians and Americans, but they have far lower CO2 emissions.
Why? Because the Swedes generate smart clean electricity for about 20-30 grams of CO2 per kilowatt hour (g-CO2/kWh). They are lucky enough to get about half of it from hydro schemes and smart enough to have built plenty of nuclear reactors during the 70s and 80s. „

@Kommentar von Rolf Hügli. 13.05.2013, 9:49

Das scheint mir der entscheidende Punkt: Rebound mindert die gewonnene Energieeffizienz. Doch Energieeffizienz spielt in Bezug auf die Treibhausgasproblematik sowieso nur eine Rolle, wenn man fossile Energien nutzt. Rebound bei nichtfossilen Energien dagegen ist harmlos und schadet niemandem: Wenn sie länger in der Abendsonne liegen bleiben als eigentlich nötig wäre um sich aufzuwärmen, haben sie auch eine Art Rebound-Effekt, denn sie benutzen die Sonnenergie länger als absolut nötig und „verschwenden“ damit Energie. Doch aus menschlicher und ökonomischer Sicht verschwendet die Sonne sowieso die meiste Energie. Und das schadet niemandem.

Die Rebound Problematik ist an sich unbestritten. Doch sollte man in dieser Hinsicht etwas differenzieren. Wenn ich mein Haus mit einer solaren Warmwasseraufbereitung ausrüste, die mich 100% autonom macht, schadet es wenig, wenn ich nachher doppelt so lange unter der Dusche verbringe.

Sehr geehrter Herr Professor Gutscher,
ich behaupte, dass Rebound vor allem ein ökonomisches und psychoökonomisches Phänomen ist. Meine Erklärung ist folgende: Erst wenn ein Produkt eine gewisse, minmale Energieeffizienz erreicht, wird es oft akttraktiv und damit massentauglich. Das gilt für den Übergang von der Kohlenfaden- zur Wolframfadenglühbirne (nur noch 1/4 des Stromes nötig) oder auch für Grossbildfernseher, die mit heutiger Technik nicht zugleich Heizungen sind. Erst ein Produkt, das eine gewisse Effizienzschwelle überschreitet wird attraktiv und der Rebound-Effekt kommt dann vor allem über den Masseneffekt zustande: Was sich früher nur wenige leisteten wird dann Allgemeingut. Anstatt 1 Million Leute, die in die Ferien fliegen sind es nun 100 Millionen, anstatt dass nur die reichsten 5 % einen Grossbildschirmfernseher haben sind es nun 20 oder mehr Prozent.

Wenn es um Treibhausgase geht, scheint mir der Effizienzansatz – mehr Wärme mit weniger Öl, mehr Strom mit effizienteren Kohlekraftwerken ohnehin problematisch. Der richtige Ansatz wäre es, Kohle, Öl und Erdgas als Giftstoffe zu behandeln. Also nicht mehr Strom mit effizienteren Kohlekraftwerken, sondern überhaupt keine Kohlekraftwerke mehr. Zugegeben ist dieser Ansatz nicht ganz einfach umzusetzen, weil die fossilen Brenn- und Treibstoffe eine solche Verbreitung haben. Dennoch ist es der richtige Ansatz, fossile Treibstoffe zu verteuern. Und wenn die fossile Technologie effizienter wird, dann muss man halt den Preis gleich noch mal hinaufsetzen. Jeder darf soviel Fliegen wie er will – vorausgesetzt das Flugzeug verbraucht keine fossilen Treibstoffe, jeder soll soviel Auto fahren wie er will, vorausgesetzt das Auto erzeugt keine CO2-Emissionen und jeder darf soviel Energie verschwenden wie er will, vorausgesetzt es sind keine fossilen Energien. Umgekehrt sollte Heizen mit Öl so teuer sein, dass auch ein effizienterer Ölbrenner nicht viel nützt.

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