Ein grünes Mäntelchen umhängen? (Teil 1)
17.04.2013 von
Unternehmen können entweder Gewinn erzielen oder wirklichen Nutzen schaffen, beides gleichzeitig geht nicht. Oder doch?
Als ich als Jugendlicher begann, mich für die Welt und ihre Abläufe zu interessieren und mir ein politisches Bewusstsein zuzulegen, kam ich relativ rasch und ohne grosse Umwege zu folgendem Schluss: Da sind auf der einen Seite die Unternehmen, die rücksichtslos ihren Gewinn steigern, und auf der anderen Seite die Verbände, bestimmte Medien und Parteien sowie eine gewisse Öffentlichkeit, die uns und die Natur vor diesen Grobianen schützen. Mein Konzept bekam Risse, als Freunde von mir ihr Sackgeld im Reformhaus aufbessern gingen. Ein gewinnorientiertes Unternehmen mit hehren Absichten, gibt es das doch? Diese Frage lässt mich seither nicht mehr los. Um mehr zu erfahren, ging ich kürzlich in eine Sommerschule zum Thema nachhaltige Unternehmen. Mit geschärftem Blick schaute ich mich in der Unternehmenswelt um.
Pseudo-Nachhaltigkeit
Da ist die Elektro-Auto-Industrie, die ihre Modelle als perfekte Stadtflitzer anpreist. Das macht voll Sinn, dachte ich im ersten Moment, denn in der Stadt lässt sich die nötige Infrastruktur bauen und es werden viele Menschen von Abgasen entlastet. Nur: Wo, wenn nicht in der Stadt, lässt es sich zu Fuss, per Velo oder mit dem ÖV gut leben? Sollen wir den ohnehin knappen (sauberen) Strom fürs Autofahren in der Stadt vergeuden? Nein, den brauchen wir doch sinnvollerweise für den effizienteren städtischen ÖV.
A propos Strom, die Elektrizitätsunternehmen preisen ihre Pumpspeicherkraftwerke als saubere Batterie für Strom aus unstetiger Produktion wie Wind und Sonne an. Das tönt gut. Tatsächlich aber wandelten sie vor allem günstigen Atomstrom aus der Nacht in teuren Spitzenstrom – mit viel Gewinn und den bekannten Problemen mit Schwall und Sunk für die Gewässer.
Oder gewisse sogenannte nachhaltige Konti einiger Banken, die unser Geld statt bei Exxon in BP-Wertpapiere anlegen, weil BP innerhalb der Ölindustrie angeblich von allen Unternehmen noch am besten dasteht. Dieser sogenannte «Best-in-class»-Ansatz streut das Geld des Bankkunden auf alle möglichen Wirtschaftszweige und wählt innerhalb jeder Branche das Unternehmen aus, das für die Umwelt am wenigsten Schaden anrichtet. Entscheidend ist einzig, dass das Unternehmen umweltfreundlicher ist als die anderen seiner Branche– wie umweltverträglich es an und für sich ist, spielt keine Rolle.
Und während meines Einkaufs gestern bei einem Schweizer Grossverteiler lachten mich überall auffällig präsentierte Bio-Produkte an. Liegt die Umwelt dem Grossverteiler tatsächlich am Herzen? Aber dann müsste er konsequenterweise geschätzte drei Viertel seiner Produkte aus dem Sortiment nehmen. Gewichtiger für die Bio-Verliebtheit scheint mir, dass massiv höhere Margen auf Bio-Produkten möglich sind, wie «Kassensturz» immer wieder berichtet.
Vielleicht geht es auch nur um ein grünes Image, wie bei H&M und seiner «Conscious Collection». Dazu wird der Chef von H&M zitiert, wir Kunden würden nun hoffentlich darauf vertrauen, dass alles, was wir von H&M kaufen, mit Rücksicht auf Mensch und Umwelt hergestellt werde. Ein paar Kleidungsstücke mit Bio-Baumwollfasern herstellen und schon soll die Kundschaft ihr schlechtes Gewissen ablegen?
Vernebelungstaktik funktioniert oft
Diese Liste könnte ich endlos fortsetzen. Sie zeigt: Nicht alles, was glänzt, ist Gold. Und nicht alles, was sich mit grün, nachhaltig, eco, bio und so weiter schmückt, ist dies auch. Aber sehr oft funktioniert die Verneblungstaktik. Vielleicht auch, weil wir uns eigentlich wünschen, den Gegensatz zwischen Gewinnstreben und nachhaltigem Nutzen aufheben zu können. Aus Bequemlichkeit, Eigennutz, Idealismus oder Harmoniebedürfnis. Wie auch immer, die Rechnung, gleichzeitig Gewinn wie echten Nutzen zu machen, geht meistens nicht auf. War mein jugendliches, unausgegorenes Weltbild gar nicht so verkehrt? Weitere Gedanken dazu folgen in meinem nächsten Blogbeitrag.
Zum AutorRaphael Fuhrer absolvierte seinen Master in Raumentwicklung und Infrastruktursystemen. Er schreibt zurzeit seine Doktorarbeit am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie
Kommentare (9) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen
Raphael Fuhrer: „Meiner Meinung ist es fatal, wenn Unternehmen nur des Geldes wegen auf diesen Zug aufspringen und diesen Konsumentenwunsch nicht als echtes Bedürfnis betrachten.“
Zumindest bei Aktiengesellschaften geht es nicht anders. Ein Manager ist aktienrechtlich verpflichtet auf das Geld zu achten. Und wenn der Staatsanwalt schon nicht einschreitet, werden die Aktionäre einen Manager mit „echten Bedürfnisse“ ersetzen.
Fred Frohofer: „Doch vor allem sind wir Konsumenten gefragt: Mit unserem Konsum steuern wir, was wie produziert wurde.“
Verbraucher können den ersten Schritt machen und damit einen neuen Wirtschaftszweig aufbauen. Irgendwann muss aber auch gesetzliche Regelungen greifen. Wenn, zum Beispiel, die Verbrauchen fast nur noch Freilandeier kaufen, sollten Käfigeier verboten werden (die in viele verarbeitete Produkte „versteckt“ werden) und sollte es auch erlaubt sein Käfigeier nicht mehr zu importieren, was am Moment der WTO als Handelsschranke verbietet. Die Abschaffung oder Umgestaltung der WTO wäre wichtig für eine nachhaltige Entwicklung.
Raphael Fuhrer: „Wenn ich Sie richtig verstehe, meinen Sie, dass Greenwashing immer noch besser ist als überhaupt nichts.“
Auch wenn es erste Betriebe gibt die verantwortlich produzieren, braucht man auch noch immer anreizen für den Rest.
In Holland gibt es, zum Beispiel, 2 ethische Banken. Triodos die nur in „gute“ Sachen investiert und der ASN Bank die eher best-in-class verwendet (neben einigen Ausschlusskriterien). Der ASN Bank kann damit die gleiche Zinsen bieten als normale Banken, wodurch mehr Leute bereit sind mit zu machen. Der Triodos Bank ist relativ klein, aber man bekommt persönlich gleich ein gutes Gewissen. Und Triodos hält die bereits gute Betriebe scharf. Bei ASN geht es eher um die Dynamik unter der breiten Rest die sich langfristig entfaltet. Ich sehe beide Ansätze als gleich wertvoll, es gibt halt eine große Spannbreite, und man muss die Verbraucher und Betriebe…
Lieber Herr Frohofer
Ich frage mich bei dieser Diskussion auch immer, was wir unter „Wachstum“ verstehen sollen? Wachstum an was? Ich habe den Eindruck, dass immer mehr Leute unter Wachstum nicht unbedingt „mehr besitzen“ verstehen.
Im Beitrag ging es mir vor allem darum, mir Gedanken aus der Perspektive der Unternehmen zu machen. Aber natürlich ist es auch wichtig, was wir Konsumenten mit den tatsächlich oder eher halbpatzig nachhaltigen Angeboten machen. Ich habe dabei den Eindruck, dass es den Unternehmen nicht schlecht gelingt, uns in dieser Entscheidung zu beeinflussen. Und zum Beispiel die Diskussion um best-in-class zeigt auch, dass es nicht immer einfach ist, als KonsumentIn den „richtigen“ Entscheid zu fällen. In diesem Zusammenhang danke für den link zur Gemeinwohl Ökonomie.
Lieber Herr Venema
Wenn ich Sie richtig verstehe, meinen Sie, dass Greenwashing immer noch besser ist als überhaupt nichts. Zum Teil kann ich das verstehen, wenn es beispielsweise um Bereiche geht, wo es noch gar nichts gibt. Ich finde jedoch, dass mittlerweile das Bewusstsein in der Bevölkerung so verbreitet ist, dass wir nicht mehr von der Annahme ausgehen können, wir müssten von null aus starten. Zudem: sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass viele Leute finden werden, mit dem Niveau Greenwashing sei es getan und alles Weiterführende ist nicht mehr nötig? Weil sonst müssten sich diese Leute ja eingestehen, dass sie bis jetzt sich selbst getäuscht haben. Ich habe nämlich Zweifel, ob sich umweltbewusste Leute bereits mit Greenwashing zufrieden geben.
Zu Ihren Überlegungen bezüglich best-in-class. Das stimmt natürlich, dass so Anreiz geschaffen werden kann. Trotzdem stört es mich, dies dann als nachhaltig anzupreisen, weil die Ausrichtung unserer Energieversorgung auf fossile Energie – und da ist die Öl-Industrie ein grosser Teil davon – Nachhaltigkeitsüberlegungen komplett entgegen läuft. Um meine Einschätzung etwas technisch auszudrücken: Nur weil etwas weniger negativ ist, ist es nicht per se positiv.
Lieber Herr Holzherr
Ich denke, es ist tatsächlich so, dass heute eine nicht vernachlässigbare Nachfrage nach sozial und ökologisch unbedenklich hergestellten Produkten da ist. Oft geht dies mit einer Art Lebensstil oder Ähnliches einher. Und diese Nachfrage möchten natürlich immer mehr Unternehmen abschöpfen. Das ist im Prinzip ja erfreulich.
Ich wollte mir in meinem Beitrag mehr Gedanken dazu machen, wie Unternehmen darauf reagieren. Meiner Meinung ist es fatal, wenn Unternehmen nur des Geldes wegen auf diesen Zug aufspringen und diesen Konsumentenwunsch nicht als echtes Bedürfnis betrachten. Denn dann kommen Pseudo-Sachen heraus. Gleichzeitig muss ein Unternehmen ja profitabel sein und das Geld dort holen, wo es sich anbietet. Dies beides zu vereinen, scheint mir nicht unmöglich aber schwierig. Ich finde, diese Frage stellt sich sowohl in Ländern mit hohem wie auch mit tiefem Einkommen. Denn unter beiden Bedingungen müssen sich Unternehmen entscheiden, mit was und wie sie ihr Geld verdienen.
Eben flattert der neuste ‚Beobachter‘ auf meinen Tisch. Titelstory: „Was können wir noch essen? Lebensmittelskandale, Etikettenschwindel, Transport-Wahnsinn: Das müssen Sie wissen“
Will ich das wirklich wissen? Macht es die Sache besser, wenn ich es (einmal mehr) weiss? Ändert es etwas an meiner Nicht-Souveranität als Konsument? Wer in Politik und Wirtschaft Verantwortung übernimmt und gerne das Wort „Gemeinwohl“ in den Mund nimmt, soll sich doch bitte zu Wort melden – aber ohne mit dem Finger auf mich als Konsumenten zu zeigen!
Wieder mal das alte Lied (Frohofer): „…vor allem sind wir Konsumenten gefragt: Mit unserem Konsum steuern wir, was wie produziert wurde.“ Wie soll man dieser fixen Idee, die durch stetiges Wiederkäuen nicht wahrer wird, bloss sagen? Verblendung? Grössenwahnsinn? Ein geniales Ergebnis von Brain-Washing?
Wer sich nur schon oberflächlich auf die Fragen einlässt, a) welche Informationen/Informationsquellen den Konsument/inn/en zur Verfügung stehen, um „das Richtige“ zu kaufen und b) ob das den Menschen überhaupt interessiert (interessieren sollte…), sich regelmässig intensiv mit den Produkteigenschaften und Produktionsbedingungen der Güter des alltäglichen Bedarfs herumzuschlagen, merkt rasch, dass an dieser Argumentation etwas nicht aufgehen kann.
Es ist schon so (Holzherr): „Sie kaufen einen Lebensstil und schaffen mit den richtigen Gütern ein Bild von sich selbst. Sie inszenieren sich als Kleiderständer oder als wandelnde Litfasssäule für die richtigen Produkte und das richtige Denken.“ Aber das ging während einigen Tausend Jahren Evolution des homo sapiens auch ganz gut ohne und wird erst kultiviert und zelebriert, seit sich die Marketingpsychologie des modernen Menschen bemächtigt hat. Das Marketing verhilft uns zur fehlenden Persönlichkeit und die Wirtschaftspolitik erhebt den Konsum zur Bürgerpflicht (schafft und erhält schliesslich Arbeitsplätze – hütet euch vor schlechter Konsumentenstimmung!) – ein perfektes Gespann, um den Ressourcenverschleiss in Gang zu halten.
Ich habe kein Patentrezept (ausser öfters daran zu erinnern, dass Unternehmerverantwortung nicht beim Gewinn Erzielen aufhört), aber das ist längst noch kein Grund so naiv zu sein und zu glauben, ich könnte durch mein Konsumverhalten die Welt verändern/verbessern. In diesem Sinn freue ich mich schon auf die Fortsetzung dieses Blog-Beitrags!
Leider ist unser gesamtes Wirtschafts- und Finanzwesen nicht umweltgerecht, denn es basiert auf Wachstum. Man müsste wohl den Zins wieder verbieten, was ja lange so war http://de.wikipedia.org/wiki/Zinsverbot und nicht nachwachsende Rohstoffe hoch besteuern, damit Firmen wie unserer Grossverteiler oder etwa H&M wirklich ökologisch werden.
Natürlich könnten sie auch freiwillig etwas tun, indem sie sich der Gemeinwohl-Ökonomie http://gemeinwohl-oekonomie.org/ verschreiben.
Doch vor allem sind wir Konsumenten gefragt: Mit unserem Konsum steuern wir, was wie produziert wurde. Es geht nicht anders, als Firmen zu boykottieren, die sich einen Deut um die Umwelt scheren oder gar Gewinn mit «dem grünen Mäntelchen» maximieren. Und wir müssen selbst suffizienter leben. Beides macht übrigens Spass und hat nichts mit Verzicht zu tun.
Green-Washing ist ein schöner Einstiegsdroge. Wenn diese Betriebe dann einen Kundenstamm mit einem signifikanten Teil umweltbewusster Käufer haben, sind sie danach erpressbar. Wenn diese Betriebe ihre Versprechen nicht einlösen oder in anderen Bereichen eine Sauerei machen sind diese Kunden und deren Umsatz auch schnell wieder weg, was weh tut.
In jeder Branche, nur in den Besten zu investieren kann durchaus funktionieren. Wenn ein Betrieb in der Ölindustrie ganz ausgeschlossen wird, fehlt dieser Anreiz sich zu besseren.
Wenn das nachhaltige Konto einer Großbank fürs Gewissen nicht reicht, gibt es auch noch den GLS Bank, Triodos, und so weiter. Wenn der grüne Strom von EON nicht genug betragt an der Energiewende, gibt es Greenpeace Energy, Lichtblick, usw. Das etwas nicht perfekt ist, ist kein Grund gleich nichts zu machen. Jeder kann das machen was zu ihm passt.
Warum ist Green-Washing heute so wichtig? Weil die Menschen in den wohlhabenden Ländern mehr als nur Güter kaufen. Sie kaufen einen Lebensstil und schaffen mit den richtigen Gütern ein Bild von sich selbst. Sie inszenieren sich als Kleiderständer oder als wandelnde Litfasssäule für die richtigen Produkte und das richtige Denken. Von der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung werden die wohlhabenden Länder zwar immer weniger wichtig. Die Länder die am meisten Güter produzieren und am meisten Rohstoffe konsumieren sind vielmehr immer mehr die Schwellenländer. Die Menschen in den wohlhabenden Ländern bleiben aber wichtig als Trendsetter und als Vorbilder für die Menschen in den aufstrebenden Ländern. Die Globalisierung hat nämlich inzwischen auch die Welt der Ideen, der Lebensziele und des Sehnsüchte erreicht. Was ein Messi oder Beckham für erstrebenswert hält das halten nicht nur die Reichen für erstrebenswert sondern auch Kinder aus den Slums.
Der Überfluss in den wohlhabenden Ländern ist aber auch eine Chance. Sie macht den Teil des Einkommens bei den Wohlhabenden gross, der frei verfügbar ist. Mit dem frei verfügbaren Einkommen kann man machen was man will: Sinnvolles für sich und andere oder aber nur Tand und unnütze Macht- und Kraftsymbole. Dass es überhaupt Green-Washing gibt und braucht, beweist, dass die Leute eigentlich gut sein wollen. Wichtig wäre nun, dass sie sich nicht damit begnügen gut zu scheinen sondern anstreben gut zu sein.
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