
Beat Jans bloggt: Die Macht der Begriffe
Die Macht der Begriffe
09.04.2013 von
Die Wissenschaft vertraut auf die Kraft der rationalen Argumente und vergisst zuweilen, dass Begriffe und ihre emotionale Wirkung mächtiger sind. Das ist mit ein Grund dafür, dass das Thema Klimaschutz kaum über die Universitäten hinauskommt.
Eigentlich hätte sie «Volksinitiative zur Stärkung der Aktionäre» heissen sollen. Thomas Minder nannte sie aber «Volksinitiative gegen die Abzockerei». Die Gegner nannten sie «Minderinitiative». Warum diese unterschiedlichen Bezeichnungen für ein und denselben Initiativtext? – Verantwortliche von Politkampagnen wissen eben schon lange, dass die Wahl der Begriffe über den Erfolg des Anliegens entscheidet. Sie kennen die Kraft der Assoziation.
Erfolgreiche Lenkungsabgabe
Wissenschaftler sollten sich über die Macht der Begriffe mehr Gedanken machen. Gewisse Begriffe sind offensichtlich zum Scheitern verurteilt. So zum Beispiel die «Lenkungsabgabe». Die Umweltökonomen zeigen seit Jahrzehnten, dass Lenkungsabgaben effizient sind. Die Realität hat ihnen recht gegeben. In der Schweiz zum Beispiel sind der Ausstoss an Flüchtigen Kohlenwasserstoffe (VOC) und der CO₂-Ausstoss aus fossilen Brennstoffen mit der Einführung der Lenkungsabgaben deutlich zurückgegangen.
Trotzdem bleibt die für den Klimaschutz so wichtige Lenkungsabgabe auf Treibstoffe seit Jahrzehnten im Ansatz stecken. Das liegt nicht zuletzt am Begriff selber. Wer lässt sich schon gerne «lenken»? Und wer bezahlt denn schon gerne «Abgaben»? Man denkt bei «Lenkungsabgabe» an nichts Gutes. Schon gar nicht an einen finanziellen Gewinn.
Unverstandenes Instrument
Als Bundesrat Leuenberger die Einführung einer «CO₂-Abgabe» vorschlug, oder als bekannt wurde, dass Bundesrätin Widmer-Schlumpf im zweiten Teil der Energiestrategie 2050 eine Lenkungsabgabe vorsieht, wetterten einige Schweizer Zeitungen am nächsten Tag in den schärfsten Tönen gegen den Irrsinn weiterer Ökosteuern. Wie wir wissen, ist eine Lenkungsabgabe keine Steuer. Sie wird an die Bevölkerung und an die Firmen rückerstattet, zum Beispiel via Krankenkasse.
Leuenberger und Widmer Schlumpf hätten die Idee als «Krankenkassenvergünstigung» oder als «Klimaschutzbonus» lancieren können. Stattdessen bevorzugten sie den wissenschaftlich etablierten Begriff der Lenkungsabgabe. In den Zeitungen stand deshalb auch kein Wort über die Rückvergütung der Gelder. Niemand realisierte, dass finanziell eher mehr Menschen gewinnen als verlieren. Und schon standen die Ideen hoffnungslos im Gegenwind.
Abgeltung der Gemeingüter
Dass bedachte Begriffswahl überzeugen kann, zeigte ETH-Professor Anton Gunzinger. In seinem Vortrag «Plan B oder Faktor 10» erklärte er als Mitglied der Geschäftsleitung von SCS – Super Computing Systems, wie Atomausstieg und Klimaschutz gelingen können. Dabei verwendete er das Wort «Lenkungsabgabe» kein einziges Mal. Statt dessen sprach er von «der Abgeltung der Gemeingüter, welche die alten Eidgenossen bei ihrer Allmendbewirtschaftung schon praktizierten». Er rechnete vor, dass die Energiewende mit der «Abgeltung der Gemeingüter», welche an die Bevölkerung zurückverteilt werde, sehr viele Gewinner hat. Viele Leute würden finanziell entlastet. Das System würde nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch gerechter.
Zum AutorGastautor Beat Jans ist Nationalrat und Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie UREK.
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Dass CO2 einen Preis haben muss ist unter Klimaökonomen unbestritten. Fördermassnahmen für Erneuerbare Energien sind kein Ersatz dafür. Der Grund liegt an der Durchdringung unseres gesamten Wirtschaftslebens durch fossile Rohstoffe. Gibt es keinen Preis auf CO2 gewinnen die fossilen Rohstoffe im Konkurrenzkampf um Bereitstellung kostengünstiger Energie.
Ein aktuelles Beispiel findet sich im Artikel Deutscher Kohlestrom flutet Europa beschrieben. Dort liest man: “ Steinkohlekraftwerke steigerten ihren Ausstoß [in Deutschland] um etwa 23 Prozent, wie Berechnungen von manager magazin online auf Basis der ISE-Zahlen ergaben. Braunkohle legte um etwa 8 Prozent zu, während alle anderen Energieträger weniger produzierten als im Vorjahr, darunter Wind-, Solar- und Wasserkraft.
Dramatisch sieht die Lage bei Gaskraftwerken aus. Ihre Erzeugung sank trotz des kalten Winters um etwa 16 Prozent. Versorger wie Eon Chart zeigen hatten zuletzt verstärkt damit gedroht, Gaskraftwerke vom Netz zu nehmen, weil ihr wirtschaftlicher Betrieb derzeit nicht möglich sei.“
Hintergrund dieses Exports von Kohlestrom ist folgender:
In D können die fossilen Kraftwerke ganz Deutschland mit Strom versorgen, auch wenn kein Wind weht und es dunkel ist. Sie dienen also als Schatten- und Reservekraftwerke und sollten eigentlich nur laufen, wenn es zuwenig Wind oder Sonne hat. Doch heute ist der Kohlestrom so günstig in der Produktion, dass es sich auch lohnt Kohlestrom zu erzeugen, wenn es gar nicht nötig wäre. Dies liegt daran, dass der CO2-Preis im europäischen Emissionshandelssytem auf eine äusserst tiefen Wert gefallen ist und Kohle in Europa jetzt die kostengünstigste Quelle für die Erzeugung von Strom ist.
Fazit:Kohle ist überall. Sogar im PV-Panel. Um sie – und andere fossile Rohstoffe – auch überall zurückzudrängen, muss die CO2-Emission etwas kosten.
Sehr geehrter Herr Müller,
Wenn sie schreiben „Wäre die CO2-Abgabe so erfolgreich, dann bräuchte es ja auch kein Gebäudeprogramm.“ so liegen sie falsch: Es braucht auf alle Fälle ein Gebäudeprogramm, weil die energetische Sanierung aller Gebäude in der Schweiz mindestens 40 Jahre in Anspruch nehmen (zu kleine Sanierungsrate) und zwischen 100 und mehr als 200 Milliarden CHF kosten wird. Solche Altlasten hat auch Deutschland und auch Deutschland hat in diesem Bereich Probleme und liegt im Verzug. Um das Klimaziel für 2050 zu erreichen – nur noch 2 Tonnen CO2 Emissionen pro Kopf – darf das Ziel der Null-Emissionen bei den Gebäuden nicht aus dem Auge gelassen werden und braucht auch entsprechende Anreize und Unterstützung.
Ihr Anliegen CO2 aus Kostengründen vorwiegend im Ausland einzusparen, weil der Klimafranken dort mehr Wirkung zeigt als hier, hat sicher seine Berechtigung. Doch viele derartiger Kompensationsprojekte sind nicht unbedingt nachhaltig und gerade in wenig entwickelten Ländern garantiert ihnen niemand, dass nicht später doch noch fossile Lösungen zum Einsatz kommen. Am effektivsten wäre es wohl, wenn man direkt die Energieinfrastruktur der Schwellenländer beeinflussen könnte, so dass Länder wie China und Indien schneller von der Kohle weggehen, denn in diesen Ländern nehmen die CO2-Emissionen am stärksten zu. Diese Länder sind aber zu selbstbewusst um sich in ihre Energiepläne dreinreden zu lassen.
Doch die Schweiz muss wie die übrigen europäischen Länder zuerst einmal die selbstgesteckten Ziele im Inland erreichen. Ein zusätzlicher Einsatz im ausländischen Klimaschutz schliesst das allerdings nicht aus.
Sehr geehrter Herr Holzherr,
Ich finde den entsprechenden Artikel leider nicht mehr, aber ich glaube mich erinnern zu können, dass ein Grund für die Einführung der Teilzweckbindung der C02-Abgabe eben deren verhältnismässig geringe Lenkungswirkung war. Der grösste Teil der Einsparungen gelang durch freiwillige Zielvereinbarungen, die natürlich massgeblich unter dem Druck der drohenden CO2 Abgabe erfolgten.
Wäre die CO2-Abgabe so erfolgreich, dann bräuchte es ja auch kein Gebäudeprogramm.
Es ist ja gar nicht so, dass ich generell gegen Lenkungsabgaben (z.B. auf Treibstoffen) bin. Ich finde nur, dass man eben nicht nur deren überzeugendes Wirkungsprinzip, sondern auch die Erwarteten Einsparungen behandeln und jenen anderer Massnahmen gegenüber stellen. Der oft verpönte Klimarappen spart mit kleinem Aufwand einen grösseren Teil CO2 ein, nur dass dies hauptsächlich im Ausland statt findet.
Wenn sie von kostengünstiger dekarbonisierung sprechen… wieso nicht erst die kostengünstigen und technisch etablierten Potentiale in anderen Ländern der Welt nutzen? Dort werden wohl auch die Sekundäreffekte (z.b auf die Luftqualität) weitaus grösser sein als hier in der Schweiz und es profitieren tendenziell Personen die auch am heftigsten von einem Klimawandel betroffen wären.
Nur ist es dann eben keine Arbeitsbeschaffungsmassnahme für unser Baugewerbe mehr….
Sehr geehrter Herr Müller,
Gemäss CO2-Statistik hat die Schweiz ihr CO2-Reduktionsziel 2008/12 nur wegen den Emissionsreduktion im Brennstoffbereich erreicht und deutlich zurückgegangen sind diese seit 2008 die CO2-Abgabe eingeführt wurde. Eine CO2-Abgabe auf Brennstoffe hat vor allem auch Auswirkungen auf Investitionsentscheide: Neue Gebäude und Häuser werden mit CO2-armen Heiz-und Klimatisierungsmöglichkeiten gebaut, wenn es absehbar ist, dass die CO2-Abgaben über die Lebensdauer des Gebäudes steigen werden. Seit 2010 beträgt die Abgabe 36 Fr. pro Tonne CO2 mit der Option sie ab 2014 auf 60 Fr. anzuheben.
Am besten wäre eine generelle CO2-Abgabe auf alle CO2-emittierenden Prozesse, denn dann würden auch bei allen Prozessen nach Alternativen zu Kohlenwasserstoffen gesucht werden und die Prozesse, wo der Umstieg auf nichtfossile Lösungen am kostengünstigsten ist, würden zuerst umgestellt werden.
Wie sie richtig schreiben, hat eine CO2-Abgabe heute wenig Einfluss auf den Treibstoffverbrauch, weil es noch keine kostengünstige Alternative zu Kohlenwasserstoffen als Treibstoffen gibt. Doch das spricht überhaupt nicht gegen eine generelle CO2-Abgabe, sondern eher dafür, denn heute sind fast alle industriellen Prozesse mit CO2-Emissionen belastet – selbst die Herstellung von Photovoltaik-Panels. Eine generelle CO2-Abgabe soll zuerst diejenigen Bereichen dekarbonisieren, wo es bereits kostengünstige Alternativen zu Kohlenwasserstoffen gibt wie z.B. bei Wärme und Kälte für Gebäude. Mit jeder Erhöhung der CO2-Abgabe werden dann weitere Bereiche einbezogen.
Andere Alternativen zu CO2-Abgaben kommen den Steuerzahler weit teurer zu stehen als die CO2-Abgabe. Eine Förderung für Photovoltaik z.B. kostet pro eingesparte Tonne CO2 800 Euro.
Also was den Erfolg der CO2 Abgabe auf fossile Brennstoffe betrifft:
Waren da die CO2 Einsparungen nicht eher gering, da die Preiselastizität der Nachfrage eben nicht so gross ist? Und ist beschlossen worden, die Einnahmen der CO2-Abgabe eben gerade nicht mehr gänzlich rückzuerstatten sondern 1/3 der Einnahmen für Gebäudesanierungen zu verwenden?
Bei den Treibstoffen ist die Preiswirkung auf die Nachfrage meines Wissens noch geringer und die Einsparung von CO2 wäre in dem Bereich eben ziemlich teuer (gerade wenn man die Einnahmen aus dem Tanktourismus mit einberechnet, aber auch sonst). Die Steuer „Klimarappen“ aus deren Erträge dann grösstenteils ausl. CO2 Zertifikate gekauft werden erreicht eine CO2 Reduktion deutlich billiger.
Ich finde nicht, dass man an den Begriffen herumschrauben sollte. „Lenkungsabgabe“ erklärt doch ganz gut, was dahinter steht und viele Leute haben doch jetzt schon das Gefühl, das beim Thema Klimawandel oft nicht mit offenen Karten gespielt wird. Da noch Begriffe schönzureden würde dies nur noch verstärken.
Stattdessen sollte man die einzelnen Instrumente lieber mal ehrlich und sachlich einander gegenüberstellen anstatt diese Massnahmen ideologisch aufzuladen. „Bedachte Begriffswahl“ tönt für mich nicht gerade nach einem Diskurs auf Augenhöhe…
Sehr geehrter Herr Jans,
Ein Preis auf CO2 weltweit würde zweifellos die fossilen Rohstoffe am stärksten zurückdrängen. Doch viel populärer sind Fördermassnahmen, denn diese haben Begünstigte, welche sich dafür einsetzen und begeistern können – nicht zuletzt weil sie davon profitzieren. Wenn PV-Anlagen gefördert werden, profitiert jeder Einfamilienhausbesitzer, wenn wie jetzt in der EU Biomasse gefördert wird können sich selbst Kohlekraftwerkbetreiber begeistern, denn das Co-Firing (Holzpelets werden zusammen mit Kohle verbrannt) schwemmt über die dazugehörigen Subventionen Geld in die Kasse und nimmt Kohlekraftwerken aus der Schusslinie von Umweltkrikern – verbrennen diese doch jetzt (mindestens teilweise) die EU-geförderte Biomasse.
Der Autor des Economist-Artikels Bonfire of the subsidies kommt hier zu einem treffenden Urteil, wenn er schreibt:
„Moving to an ever-lower-carbon economy at a deliberate pace is a good idea. The best way to do it is to set a carbon tax and let the market decide the cheapest, cleanest answer while researching future alternatives. Some renewable technologies would play a big role in that. But those who pursue renewable energy as an end in itself fail to see the wood for the trees.“
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