Vermindert eine Wirtschaftskrise die Zustimmung zum Klimaschutz?
02.04.2013 von
Es wird häufig angenommen, dass in wirtschaftlichen Abkühlungsphasen die Zustimmung der Bevölkerung zum Klimaschutz sinkt und dieser somit insbesondere in Demokratien geschwächt wird. Interessanterweise existiert bisher jedoch kein solider wissenschaftlicher Nachweis dafür, dass diese Annahme stimmt.
Theoretische Argumente aus der Sozialpsychologie und der Politikwissenschaft (z.B. von Abraham Maslow und Ronald Inglehart) sprechen dafür, dass es so sein könnte: Erst wenn Menschen ihre grundlegenden materiellen Bedürfnisse befriedigt haben, sind sie bereit, in «post-materielle» Güter wie den Umweltschutz zu investieren. Beim Klimaschutz kommt hinzu, dass die Auswirkungen der globalen Erwärmung sich eher langsam entfalten und – anders als bei akuter Wasser- oder Luftverschmutzung – die Ursachen des Problems und die Konsequenzen für das menschliche Wohlbefinden nicht direkt und deutlich sichtbar in Verbindung stehen.
Klimaschutz könnte deshalb als weniger dringend angesehen werden und in der menschlichen Bedürfnispyramide insbesondere dann eine nachrangige Priorität einnehmen, wenn der Gürtel aufgrund von akuten Wirtschaftsproblemen enger geschnallt werden muss.
Fehlende oder zu wenig umfassende Umfragedaten
Basierend auf den verfügbaren Umfragedaten zum Klimaschutz (z.B. aus dem Eurobarometer) lässt sich ein solcher Effekt seltsamerweise jedoch kaum feststellen. Ist die Annahme beziehungsweise Behauptung also falsch?
Wir wissen es nicht. Ein Grund dafür ist, dass wir keine guten Umfragedaten für längere Zeiträume und viele Länder haben – und Umfragedaten lassen sich nicht für zurückliegende Zeitpunkte erheben. Nur mit solchen Daten liesse sich jedoch statistisch herausfinden, ob und wie stark die Zustimmung zum Klimaschutz mit dem Wirtschaftsverlauf steigt oder sinkt. Die Resultate bisheriger Studien – zum Beispiel von Scruggs und Benegal (2012) und Kahn und Kotchen (2011) – sind deshalb aus meiner Sicht nicht robust, auch wenn sie die Behauptung teilweise zu stützen scheinen.
Umfragen messen meist die Handlungs- und Zahlungswilligkeit nicht
Ein weiterer Grund ist, dass die meisten Umfragen vorwiegend Risikowahrnehmungen und generelle Einstellungen zur Klimapolitik erfassen. Nur in Ausnahmefällen wird untersucht, was die befragten Personen bereit wären für den Klimaschutz zu tun beziehungsweise zu bezahlen. Die Forschung hat gezeigt, dass generelle Einstellungen eher durch langfristig wirkende Faktoren wie zum Beispiel politische Ideologie und Ausbildungsniveau geprägt sind; kurzfristig wirkende Faktoren wie eine Wirtschaftskrise prägen diese Einstellungen weniger.
So kann beispielsweise eine linksliberale, gut ausgebildete Person zustimmen, dass die globale Erwärmung ein hohes Risiko darstellt, und einen stärkeren Klimaschutz befürworten. Diese Einstellung kann die befragte Person auch dann beibehalten, wenn sie ihren Job zu verlieren droht. Einen negativen Effekt des drohenden Jobverlustes würde man aber zumindest auf die Zahlungsbereitschaft für Klimaschutz erwarten – zum Beispiel die Ablehnung einer starken Anhebung der CO₂-Steuern. Aber genau dies testen die bisherigen Studien nicht.
Vorauseilender Gehorsam?
Viele Politikerinnen und Politiker in der Schweiz und anderen Ländern nehmen an, dass sie in wirtschaftlich schwierigen Zeiten von der Wählerschaft abgestraft werden, wenn sie eine ambitiöse Klimapolitik verfolgen. Es wäre eigentlich ganz nützlich, wenn die sozialwissenschaftliche Forschung zeigen könnte, ob dieses «Bauchgefühl» eine reale Grundlage hat – oder ob die Politikerinnen und Politiker in Wirtschaftsflauten in vorauseilendem Gehorsam und letztlich unnötig beim Klimaschutz bremsen.
Literaturhinweise- Kahn, Matthew E., & Kotchen, Matthew J. (2011). Business cycle effects on concern about climate change: The chilling effect of recession. Climate Change Economics, 2(3), 257-273.
- Scruggs, L., & Benegal, S. (2012). Declining public concern about climate change: Can we blame the great recession? Global Environmental Change, 22(2), 505-515.
Thomas Bernauer ist Professor für Politikwissenschaft an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie
Kommentare (5) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen
In meiner Arbeit bei Neustart Schweiz mache ich die Erfahrung, dass gerade Menschen – Junge vor allem – mit kleinem Budget sich tendeziell eher mehr für Umweltschutz einsetzen, als jene, die viel Geld zur Verfügung haben. Zudem: Arme Menschen kaufen eher saisonal und regional ein, reisen weniger und wenn, dann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln – schlicht, sie verbrauchen weniger Ressourcen. So gesehen dürfte die Bevölkerung ein klimapolitisches Engagement von Regierungen in Krisenzeiten goutieren. Dies sicher auch, weil die Menschen sehr wohl erkennen, dass es mehr nachhaltige Investitionen braucht. Nur wird damit natürlich nicht das kurzfristige Renditedenken bedient, welches mit dem Reichtum in der Regel zunimmt, weil Gier einem Suchtverhalten nahe kommt.
Warum sollte (Titel dieses Beitrags) „Eine Wirtschaftskrise die Zustimmung zum Klimaschutz“ vermindern? Weil man im „postmateriellen“ Bereich sparen will, wie der Autor antönt oder gar um (Zitat Peter Bühler, 3.4.2013)„nicht finanzierbare Massnahmen, die das angestrebte Ziel nicht erreichen und mehr Schaden anrichten als nützen“ einzuschränken?
Eine Umstellung auf nichtfossile Treib- und Brennstoffe sollte in den entwickelten Ländern eigentlich finanzierbar sein, denn in den OECD-Ländern wird deutlich weniger als 10% des BIP für Energie und Kraftstoffe ausgegeben. Strompreis- und Energiepreisanstiege können jedoch einem exportorientierten Land über einen Wettbewerbsnachteil schaden. Das scheint auf Spaniens EE-Politik nach 2000 zuzutreffen. Dort führte die EE-Förderung sogar zum Konkurs von Energieversorgungsunternehmen. Im ebenfalls exportorientierten Deutschland sind dagegen die Preise an der Strombörse infolge der deutschen EE-Politik deutlich gefallen, weil Stromschwemmen durch Wind- und Solarstrom den Strom immer wieder stark verbilligen. Fast alle exportierenden Firmen in D sind zudem von der EEG-Umlage ausgenommen. Die höheren Stromkosten werden also in D vorwiegend von den Privaten gezahlt.
Tatsache ist, dass viele Ökonomen und Journalisten in den Energiepreisen einen entscheidenden Wirtschafts- und Standortfaktor sehen. Im TA vom 6.4.2013 wird dem US- Schiefergas-Boom folgendes zugerechnet:
– Rückverlagerung von Arbeitsplätzen in die USA wegen billiger heimischer Energie
– Deutliche Reduktion des Leistungsbilanzdefizits der USA, welches jetzt zu 40% von den Energieimporten verursacht wird
– Anstieg des Dollarkurses
Conclusio: Eine weltweiten Siegeszug werden nichtfossile Lösungen wohl erst dann davontragen, wenn sie billiger sind als fossile. Das könnte beispielsweise beim reinen Elektromobil dann der Fall sein, wenn sich die Batteriepreise gedrittelt haben.
Fakt ist, dass der mit den geplanten Massnahmen verfolgte „Klimaschutz“ (was immer darunter verstanden wird), weder finanzierbar ist, noch die angestrebten Ziele erreicht, stattdessen aber mehr Schaden anrichtet, als er je Nutzen zu stiften imstande wäre.
Diese Einsicht macht sich allmählich breit, in Deutschland, Spanien, Grossbritannien z. B., Ländern, die sich mit ganz anderen, existentielleren Sorgen konfrontiert sehen.
Dass die Klimasensitivität nach den jüngeren Forschungsergebnissen erheblich geringer ist, als die vom IPCC verbreiteten Werte befürchten liessen – von der langen Reihe weiterer, fälschlich prognostizierter aber nicht eingetretener Katastrophen ganz zu schweigen – wird den „Klimaschutz“ auf der Liste dringlicher Probleme international weiter abrutschen lassen.
Diese Entwicklung wird in der Schweiz durch die Lobby der NGO’s, der EE-Industrie, grünbeseelte Politiker fast aller Parteien, die Mehrheit der Medien, weite Teile der Bürokratie, speziell auch die Klima-Diplomatie z. T. wider besseres Wissen ausgeblendet.
Statt die zunehmend unhaltbaren Positionen zu prüfen und zu korrigieren, wird überlegt, wie man das widerspenstige, vermeintlich schlecht informierte Stimm- und Konsumentenvolk mit noch mehr PR-Aufwand und notfalls mit Zwangsmassnahmen auf den gewünschten Kurs verpflichten könnte. Ein Kurs, der die Wirtschaft und die Bürger des Landes mit enormen Kosten für völlig unsinnige und ineffiziente Massnahmen belasten wird.
„Bauchgefühl“ und „vorauseilender Gehorsam“?
In Sachen „Klimaschutz“ wohl die vorherrschende Haltung unter den Vertretern einer Politik, die sich Skeptiker und Meinungsgegner aus unerfindlichen Gründen nichts anders als schlecht informiert und ignorant vorstellen kann. Dass die diffamierende Unterstellung möglicherweise auf ihre Urheber zurückfällt, wird in der unkritischen, allgemeinen Verblendung gar nicht erst erwogen.
Sehr geehter Herr Professor Bernauer,
In einigen PIIGS-Krisenstaaten wurden EE-Programmme und Einspeisevergütungen aus finanziellen Gründen massiv zurückgestutzt, wobei die Zustimmung der Bevölkerung zu Klimaschutzmassnahmen wohl eher eine untergeordnete Rolle gespielt haben, was eigentlich nicht verwundern darf, ist doch Europa nach Habermas, Bofinger und Nida-Rüdelin ohnehin nur eine marktkonforme Fassadendemokratie.
Gemäss dem Artikel Pollution Fight Fading as European Leaders Battle Crisis wurde auf den vergangengen EU-Gipfeln kaum noch über Klimastrategie, wohl aber über den Euro debattiert. Prototypisch für die Verhältnisse kann die Entwicklung am EU-Emissions-Trading System gesehen werden, wo trotz Absacken des CO2-Preises auf historische Tiefstände sich Mitglieder (vor allem Polen) dagegen aussprechen, überschüssige CO2-Zertifikate vom Markt zu nehmen.
Zwar wird die EU ihr 20% CO2-Emissionsreduktionsziel bis 2020 auch aufgrund der Wirtschaftskrise erreichen, doch gleichzeitig wurde in den 5 grössten EU-Ökonomien die Einspeisevergütungen deutlich zurückgefahren, am stärksten in Spanien, welches sein Programm im Januar 2012 einstellte, deutlich aber auch in Grossbritannien und Frankreich.
Allerdings darf die EE-Politik und die Höhe der Einspeisevergütung Spaniens vor dem Einschnitt durchaus als irrational bezeichnet werden. So wurde mit überhöhten Einspeisetarifen erreicht, dass Spaniens ursprüngliches Ziel bis 2020 40% der Gesamtelektritzität zu erzeugen schon 2010 erreicht. Gleichzeitig machten mehrere Elektriztitätsgesellschaften Konkurs.
Fazit: Boom&Bust gab es national auch im EE-Bereich. EU-weite Programme wie das ETS sind dagegen am Boden.
„So kann beispielsweise eine linksliberale, gut ausgebildete Person zustimmen, dass die globale Erwärmung ein hohes Risiko darstellt, und einen stärkeren Klimaschutz befürworten“
Gut erfasst, wenn vielleicht auch nur rhetorisch gemeint, stellt die gedachte Figur doch in der Regel einen wesentlichen Teil des Problems und nicht etwa eine wie auch immer geartete Hoffnung auf seine Lösung dar.
Möglich, dass die „linksliberale, gut ausbildete Person“ keine Ahnung von Klimafragen hat und einfach einer CAGW-Weltanschauung huldigt, die in den Milieus, in denen sie verkehrt und in den Medien, in denen sie sich zu informieren glaubt, selbstredend zur Grundausstattung der Sozialisation und zum allgemeinen Glaubenskanon zählt und nicht ernsthaft hinterfragt wird?
Denkbar auch, dass die „linksliberale, gut ausbildete Person“ zwar die evtl. ihren Job bedrohende wirtschaftliche Abkühlung mitkriegt, aber nicht die offensichtliche Stagnation der globalen klimatischen Erwärmung seit gut 15 Jahren und auch nicht die anhaltende wissenschaftliche Debatte um die Klimasensitivität und die tatsächliche Bedeutung von CO2 in der Atmosphärenphysik?
Oder handelt es sich womöglich um eine nicht nur gut ausgebildete, sondern auch gut informierte und echt liberale Person (was ist eigentlich linksliberal?), die hinter die angeblich katastrophale, von Menschen verursachte globale Klimaerwärmung deutliche Fragezeichen setzt und ggf. ihren Job deshalb gefährdet sieht, weil die Massnahmen zur „Klimarettung“ ihn leichtfertig aufs Spiel setzen?
Fragen über Fragen. Ein paar treffende stellt der Economist, ein Medium, das sich bisher nicht eben einen Namen als skeptisches Organ erworben hat, aber durchaus von gut ausgebildeten Personen geschrieben und gelesen wird …
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