Intensive Öffentlichkeitsarbeit – aber mit welchem Erfolg?
21.03.2013 von
Die Wissenschaft soll nicht im Elfenbeinturm bleiben, sondern dafür sorgen, dass nützliche Erkenntnisse der Allgemeinheit zugänglich werden; dies gilt ganz besonders im Bereich der Klimaforschung. Stichworte in diesem Sinn sind «Öffentlichkeitsarbeit» im weitesten Sinn, «Umsetzung» und der neudeutsche «Stakeholder-Dialog» – Was bringen diese Bemühungen?
Am 13. März erschien eine Studie von uns in der angesehenen Zeitschrift Global Change Biology, welche sich unter anderem mit den Auswirkungen eines milden Klimaszenarios auf Gebirgswälder der Schweiz beschäftigte. Die Veröffentlichung wurde begleitet von einem Artikel auf unserer Onlineplattform ETH Life. Dies ist eine Möglichkeit, Forschungsergebnisse an die Öffentlichkeit zu bringen: Besonders hochkarätige oder publikumswirksame Themen aus der Fachliteratur werden durch die Medien publik gemacht und in eine Sprache übersetzt («umgesetzt»), welche für interessierte Laien verständlich ist. Vielleicht schafft man es sogar in die Sendung 10 vor 10 des Schweizer Fernsehens. Doch: bewirkt dies etwas in der breiten Öffentlichkeit?
Öffentlichkeitsarbeit selber machen
Als Forscher kann man Öffentlichkeitsarbeit auch selber machen. Beispielsweise, indem man Artikel für Zeitschriften schreibt, welche nicht auf die Wissenschaft, sondern auf die Praxis ausgerichtet sind. Dazu gehören in meinem Fachbereich die Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen (SZF; sie richtet sich in erster Linie an akademisch gebildete Praktiker) oder Wald und Holz (welche die Revierförster als Zielpublikum hat). Der Aufwand dafür ist beträchtlich, und die Lorbeeren, die man damit in der Wissenschaft verdienen kann, sind marginal bis inexistent, da keine dieser Zeitschriften im Katalog des ISI (Institute of Scientific Information) geführt wird. De facto ist solche Arbeit wissenschaftlich gesehen sogar eher schädlich, da sie mich als Forscher davon abhält, meine Zeit für «hochkarätigere» Tätigkeiten wie den nächsten Artikel in Global Change Biology einzusetzen. Meine Forscherkollegen und ich haben seit 1999 eine Vielzahl von Artikeln in der SZF geschrieben – sind die Botschaften angekommen?
Des Weiteren können wir beispielsweise in der SZF in einer eigens eingerichteten Rubrik alle zwei Monate über das Neuste aus Forschung und Lehre im Bereich Wald und Landschaft an der ETH berichten oder im ETH-Klimablog Beiträge verfassen. Werden diese Dinge gelesen?
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass wir uns als Referenten für Vorträge und Kurse zur Verfügung stellen, welche dem eigenen Fachgebiet gewidmet sind. So habe ich in den vergangenen 14 Jahren eine Unzahl von Referaten gehalten bei Versammlungen von Naturforschenden Gesellschaften, Vereinen, Zünften, bei Veranstaltungen der Fortbildung Wald und Landschaft und anderen Trägerschaften. Hat das etwas gebracht?
Die Kluft zwischen den Informierten und den Nichtinformierten
Informationskampagnen sollten – theoretisch – die Kluft des Wissens zwischen den Informierten und den Nichtinformierten verkleinern. Die Informierten brauchen nicht wirklich zusätzliche Information, also sollten vor allem die Nichtinformierten profitieren. Zyniker sagen aber, dass solche Kampagnen nur eine einzige Wirkung haben, nämlich indem sie diese Kluft vergrössern: Die Informierten integrierten neue Erkenntnisse sofort in ihr Weltbild und würden dadurch noch informierter, während die Nichtinformierten gar kein Interesse hätten an den neuen Erkenntnissen, diese nicht einordnen könnten und deshalb genauso uninformiert blieben wir vor der Kampagne.
Zudem ist es in der heutigen Zeit so, dass die meisten von uns an einer krassen Informations-Überflutung leiden. Somit finden auch wichtige und dringende Informationen oftmals nicht den Weg zum Adressaten. Aktionen wie jene zu unserer Studie in Global Change Biology dürften damit zwar ein kleines Strohfeuer entfachen – ich bezweifle aber, dass sie eine nachhaltige Wirkung haben.
Wenn sich Leute aus der Forstpraxis bei mir beklagen, sie hätten keine Ahnung, was an der ETH im Bereich Wald und Landschaft laufe, sage ich ihnen, dass es etliche Fachartikel in der SZF und in Wald und Holz gibt und ausserdem die zweimonatliche Rubrik in der SZF – worauf ich zur Antwort bekomme, sie hätten doch nicht die Zeit, das alles zu lesen…
Die nachhaltigste Art der Informations-Vermittlung scheinen mir deshalb Kurse und Vorträge zu sein, da die Zuhörerschaft sich aktiv darum bemüht und in vielen Fällen sogar etwas dafür bezahlt, mit Informationen versorgt zu werden.
Wir haben keine Chance – nutzen wir sie!
Sie sehen: ich bin nicht gerade optimistisch, was die Wirkung aller Öffentlichkeitsarbeit angeht; denn wenn sie allein wirksam wäre, so wäre nach einem Vierteljahrhundert Arbeit des IPCC das 2-Grad-Ziel von der Staatengemeinschaft schon längst verbindlich fixiert worden, beispielsweise. Dass dies nicht so ist, hat damit zu tun, dass Information allein noch nicht zum Handeln führt, sondern auch gesellschaftliche und politische Prozesse verändert werden müssen.
Trotzdem halte ich Öffentlichkeitsarbeit für eminent wichtig. Erstens, weil ich es für eine moralische Notwendigkeit halte, unsere Forschungsarbeiten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – schliesslich werden die Forschenden (mindestens im Klima-Bereich) mit ganz wenigen Ausnahmen durch Steuergelder finanziert. Und zweitens, weil ich ja vielleicht falsch liege mit meiner eher pessimistischen Einschätzung der Wirkung meiner eigenen Bemühungen. Der Aufwand für diese Bemühungen ist gross; das heisst, Information ist sehr teuer. Im Klimabereich dürfte langfristig nur etwas noch teurer sein als Information für die Öffentlichkeit, nämlich keine Information…
Übrigens, ich habe heute nicht nur den vorliegenden Text, sondern auch den nächsten Beitrag für die Rubrik «Wald und Landschaft an der ETH Zürich» in der SZF geschrieben. Mit Freude. Und auch ein bisschen nach dem Motto: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Zum AutorHarald Bugmann ist Professor für Waldökologie an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie
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Information ist gut, wenn sie „gut“ ist. Aber auch wenn sie nicht gut ist, kann man mit Information manipulieren und zum (fehlgeleiteten) Handeln motivieren. Es muss also neben der Menge noch andere Kriterien geben, um die Qualität der Information zu beurteilen. In vielen Fällen besteht Information nicht nur aus Fakten sondern auch aus Meinungen oder Überzeugungen. In diesem Fall ist es wichtig, dass eine grosse Vielfalt von Meinungen zur Verfügung steht, damit sich der Informierte selbst ein Bild und eine eigene Meinung machen kann.
Und selbst Fakten können, aus dem Zusammenhang gerissen und einseitig verbreitet, zu Fehlinformation führen.
In diesem Sinne ist es begrüssenswert, „dass Information allein noch nicht zum Handeln führt“
Wenn Information mit dem Ziel verbreitet wird, „gesellschaftliche und politische Prozesse“ zu verändern, dann schrillen bei mir die Alarmglocken, denn bei dieser Zielsetzung besteht die Gefahr, dass Information als Mittel zum Zweck eingesetzt und zum Spielball von Interessengruppen und Politik wird.
Leider haben wir in den letzten paar Jahren einige unrühmliche Beispiele kennengelernt.
Meine Empfehlung an Prof. Bugmann: informieren Sie weiter, aber beschränken Sie sich darauf,, über Ihr Fachgebiet zu informieren.
Information ist die Voraussetzung für informiertes Handeln und es motiviert das Handeln auch.
Doch Informatation, Informiertheit und selbst Sorge und Betroffenheit genügen nicht immer um etwas zu verändern. Das gilt vor allem für Bereiche und Entwicklungen, auf die man keinen direkten Einfluss hat, die tief mit unserer Gesellschaft und Lebensweise verwoben sind und die nationale Grenzen überschreiten. So fühlen sich beispielsweise viele Menschen durch Extremarmut und Hunger irgendwo auf der Welt betroffen, doch in der Schweiz haben wir nur begrenzte Möglichkeiten das zu ändern. Für den Klimawandel gilt das ebenso, wobei wir in diesem Fall mindestens bei uns selbst klimabewusst handeln können. Doch selbst noch so klimabewusst handelnde Schweizer können die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gebirgswälder nicht entscheidend beeinflussen, denn die Schweiz kann ihr Klima nicht selbst bestimmen. Vielmehr müssen weltweite alle Menschen dieser Erde einen Beitrag dazu leisten und alle Regierungen die Weichen dafür stellen. Bis jetzt gibt es aber auf internationaler Ebene nur Verhandlungen. Verträge, die auf internationaler Ebene abgeschlossen werden haben meist dann Erfolg, wenn der Verhandlungsgegenstand einen eng umgrenzten Bereich umfasst. Ein Verbot von ABC-Waffen oder ozonschädigenden Substanzen gehören in diese Kategorie. Ein Verzicht auf die Verwendung von fossilen Energie betrifft aber fast alle wirtschaftlichen Bereichen und würde Bodenschätze, deren Wert heute auf viele Billionen geschätzt wird, wertlos werden lassen. Da Energie zudem eine Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung und wirtschaftliche Entwicklung die Voraussetzung für ein besseres Leben von Milliarden von Menschen ist, verwundert es nicht, dass (Zitat Rio+20) sustained economic development eine höhere Priorität geniesst als sustainable economic development, zumal wenn das zweite langsamer und teurer wäre. Das muss aber nicht immer so bleiben.
Lieber Harald,
Das 2°C Ziel wurde 2009 in Kopenhagen nur „zur Kenntnis genommen“, aber 2010 in Cancun offiziell verabschiedet. Nur fehlen bis jetzt Wille und Massnahmen, um das tatsächlich zu erreichen. Du sagst es richtig: „… Information allein noch nicht zum Handeln führt, sondern auch gesellschaftliche und politische Prozesse verändert werden müssen.“
Reto
Ich teile Herrn Bugmanns Einschätzung weitgehend. Dass etwas schwierig ist, heisst nicht, dass es sinnlos wäre. Es ist aber eine gute Gelegenheit, über das „wie“ nachzudenken. So bin auch ich überzeugt, dass Medienarbeit alleine nicht ausreicht. Das A und O sind all diejenigen Aktivitäten, welche direkte Begegnungen erlauben (wie die von Herrn Bugmann erwähnten Vorträge). Allerdings sind diese direkten Begegnungen auch sehr, sehr aufwändig. Rechnet man die Kosten/Kontakt aus (inkl. Arbeitszeit), wird einem zuerst einmal schwindlig. Dafür entfalten sie aber eine langfristige Wirkung, und oft agieren die Besucher und Zuhörerinnen danach als Multiplikatoren. Das rechtfertigt meiner Ansicht nach den Aufwand.
Allerdings: Auch zu Vorträgen kommen in der Regel die bereits Informierten. Wenn man die Uninformierten erreichen möchte, muss man zu ihnen gehen und darf dabei vor einer gewissen Vereinfachung nicht zurück schrecken. Die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL (inkl. SLF) war in den letzten Jahren in Einkaufszentren und Autobahnraststätten mit Ausstellungen präsent. In der Medienarbeit versuchen wir, nicht nur im Wissenschafts-Teil, sondern z.B. auch im Sport vorzukommen (z.B. mit Arbeiten rund um Kunstschnee). Die Wissenschaftskommunikation muss also über den Tellerrand hinausgucken – das ist anspruchsvoll, aber unverzichtbar, wenn man etwas bewirken will.
Für die Transparenz: Ich bin die Kommunikationsleiterin der WSL
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