Rebound-Effekt: Ein Argument für oder gegen die Förderung von Energieeffizienz?
13.03.2013 von
Als Argument gegen die Förderung von energieeffizienten Technologien wird häufig der sogenannte Rebound-Effekt angeführt. Aber führt eine Erhöhung der Energieeffizienz wirklich zu einer Steigerung des globalen Energieverbrauchs? Tatsächlich liefert die Existenz von Rebound-Effekten eher Argumente für eine staatliche Förderung von Energieeffizienz über alle Sektoren, als dagegen.
Interessanterweise haben viele Käufer sparsamerer Autos die Tendenz, öfter damit zu fahren, und den alten Spritschlucker als Zweitwagen zu behalten. Dies mindert natürlich die möglichen Einsparungen durch effizientere Motoren. Solche Zusammenhänge, in denen die theoretisch möglichen Einsparungen durch effizientere Technologien praktisch nicht erreicht werden, werden auch als Rebound-Effekte bezeichnet. Rebound-Effekte werden häufig als Argument gegen eine staatliche Förderung von Energieeffizienz angeführt, da ja Investitionen in energieeffiziente Technologien sogar zu einem Anstieg von Ressourcenverbrauch und Emissionen führten, wie manche Kritiker behaupten. (Siehe zum Beispiel Zeit-Artikel «Rebound-Effekt: Das unterschätzte Paradoxon der Klimapolitik»
Die Existenz von Rebound-Effekten ist unbestritten. Dabei beschränken sich die Gründe für diesen Effekt nicht nur auf Verhaltensänderungen, wie im Beispiel des sparsameren Autos. Denn die Einsparungen in den Energiekosten setzen immer auch Kaufkraft für andere, potentiell emissionsintensive Aktivitäten frei. Wer zum Beispiel durch den Einbau einer effizienteren Heizanlage seine Heizkosten senkt, kann im Prinzip mit dem nun zur Verfügung stehenden Geld in den Urlaub fliegen. Dies hätte einen negativen Effekt auf den globalen Energieverbrauch und damit auf den globalen CO₂-Ausstoss .
Erhöhter Ressourcenverbrauch durch Wachstum
Gesamtwirtschaftlich gesehen führt mehr Effizienz in der Regel zu mehr Wachstum. Nach einer Steigerung der Energieeffizienz kann mit dem gleichen Einsatz an Ressourcen ein höherer Output erzeugt werden, also ein höheres Bruttoinlandsprodukt (BIP). Ein höheres BIP wiederum bedeutet aber gleichzeitig auch einen höheren Konsum, was wiederum einen erhöhten Energieverbrauch zur Folge hat. Somit existiert auch ein gesamtwirtschaftlicher Rebound-Effekt. Dies ist die grundlegende Überlegung hinter der häufig vorgebrachten Hypothese, dass ein ressourcenschonendes Wachstum nicht möglich ist. Somit stehen Rebound-Effekte auch hinter der These, dass das Wachstum durch die Knappheit von (Umwelt-)Ressourcen beschränkt ist.
Rebound-Effekte und die Förderung von Energieeffizienz
Es ist allerdings nicht so, dass Rebound-Effekte die Effizienzgewinne vollständig auffressen. Nach neueren Schätzungen bleiben nach Berücksichtigung der Rebound-Effekte 40 bis 80 Prozent der ursprünglichen Reduktion im Energie- bzw. Ressourcenverbrauch erhalten. Die tatsächliche Höhe eines Rebound-Effekts hängt davon ab, wie emissionsintensiv der Konsum ist, der durch die Einsparung finanziert wird. Wenn eine Volkswirtschaft also in der Lage ist, Energienachfrage und Emissionen über alle Sektoren hinweg gleichermassen zu senken, wird auch der Rebound-Effekt eher gering ausfallen. Ergo: Die Existenz von Rebound-Effekten liefert eher Argumente für eine staatliche Förderung von Energieeffizienz über alle Sektoren, nicht dagegen.
Die Förderung der Energieeffizienz müsste weltweit sogar noch massiv gesteigert werden und mit sehr viel stärkeren Anreizen zur Nutzung von erneuerbaren Energien einhergehen, um die Emissionsintensität der Energieproduktion zu senken. Für einen solchen Fall zeigen Modellvergleiche, dass auch bei durchschnittlichen langfristigen Wachstumsraten des globalen BIP von rund zwei Prozent ein Erreichen des 2-Grad-Ziels – trotz Rebound-Effekts – prinzipiell möglich ist.
Zum AutorDr. Markus Ohndorf ist Oberassistent und Dozent an der Professur für Nationalökonomie am Institut für Umweltentscheidungen (IED) der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie
Kommentare (15) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen
Der Rebound-Effekt wie er in diesem Artikel dargestellt macht das Produkt energie-effizienter und über die Lebensdauer deutlich kostengünstiger, was dann zum Mehrkonsum führt. Ein Paradebeispiel für einen massiven Rebound durch Effizienzverbesserung ist der Ersatz der Kohlenstofffadenglühbirne durch Glühbirnen mit Wolframfäden, die bei 1/4 des Stromverbrauchs für die gleiche Lichtausbeute zudem einen wesentlich höhere Lebensdauer hatten. Das führte aber nicht etwa zu reduziertem Stromverbrauch sondern im Gegenteil zu einem Siegeszug der Wolframglühbirne, was den Stromverbrauch explodieren liess.
Der Siegeszug der Glühbirne ist auch ein Paradebeispiel dafür, dass Kosten und damit auch Energiekosten eine entscheidende Rolle für die Verbreitung eines Produkts und auch einer Energieform spielen können. Auch heute noch lässt sich das beobachten: In den USA hat die Erdgasschwemme, die durch das Fracking von einheimischen Schiefergas ausgelöst wurde, dazu geführt, dass Kohlekraftwerke durch Gaskombikraftwerke ersetzt werden.
Ein kostengünstiges effizientes Produkt hat auch gute Chancen sich weltweit zu verbreiten. Unter der Voraussetzung, dass das Produkt so einfach einzusetzen ist wie eine Glühbirne. Das ist bei Strom aus Wind- und Sonnenenergie leider noch nicht der Fall, denn sie benötigen einen Umbau der Infrastruktur. Ändern könnte sich das, wenn ein weltumspannendes Supergrid überall in Reichweite wäre. Dann könnte Sonnen- und Windstrom von den besten Standorten zu noch so weit entfernten Verbraucherzentren geleitet werden und auch das Problem der Produktionsschwankungen wäre gelöst.
Heute stehen dem globalen Siegeszug der Erneuerbaren auch gerade Leute entgegen, die autarke Lösungen mit Speichern und Smart Grids bevorzugen, was zu einem teuren System führt, dass dennoch nicht in der Lage ist, die saisonalen Schwankungen auszugleichen. Global ausstrahlende Lösungen haben über den Skalen- und Kosteneffekt jedoch weit mehr Potenzial.
Rebound-Effekte gibt es nur dann, wenn einen höhere Energieeffizienz auch zu einem billigeren Produkt führt, was obige Aussage „mehr Effizienz [führt] in der Regel zu mehr Wachstum. Nach einer Steigerung der Energieeffizienz kann mit dem gleichen Einsatz an Ressourcen ein höherer Output erzeugt werden, also ein höheres Bruttoinlandsprodukt (BIP).“
in ihrer Gültigkeit einschränkt. Ein gutes Gegenbeispiel ist der Ersatz von fossilen Heizungen durch Dämmung und Wärmepumpen. Damit kann echt Energie gespart, doch das „effizientere“ Haus ist auch deutlich teurer als das weniger energieeffiziente und besonders teuer wird es, wenn es gilt, bestehende Häuser zu sanieren. Die energetische Sanierung aller Gebäude in Deutschland soll insgesamt 1 Billion Euro kosten.
Auch treibstoffeffizientere Fahrzeuge, die in der EU ab 2020 nur noch 95 gr CO2 pro Kilometer ausstossen sollen, resultieren nicht unbedingt in kostengünstigeren Fahrzeugen, auch wenn weniger Benzin getankt werden muss um eine bestimmte Strecke zu fahren. Doch das Einsparen von Benzin und damit indirekt Rohöl könnte sich dennoch auszahlen, denn seit 2006 sind die Fördermengen für konventionelles Rohöl – das leichtflüssige Öl, welches leicht zu fördern und leicht zu raffinieren ist – nicht mehr gestiegen. Es gibt zwar sogar mehr unkonventionelles Öl in Form von extremen Schwerölen (Venezuela), Ölsanden (Kanada), Schieferöl (USA) etc. doch dies ist wesentlich teurer in der Förderung und Raffinierung und das meiste davon kann mit heutigen Methoden noch gar nicht gefördert werden. Werden spriteffizientere Fahrzeuge zum neuen Weltstandard so spart man teuer zu förderndes Rohöl ein und macht überhaupt erst möglich, dass sich auch die meisten Chinesen und Inder ein Auto leisten und es sogar betanken können. Auch dies ist ein Effekt, der mit dem Rebound-Effekt verwandt ist: Durch Einsparungen werden knappe Ressourcen (Rohöl) gestreckt und eine Peak-Oil-Krise hinausgezögert.
In Roadmap for moving to a low-carbon economy in 2050 liest man
„To make the transition [to a low carbon economy] the EU would need to invest an additional €270 billion or 1.5% of its GDP annually, on average, over the next four decades“ Diese 270 Milliarden entsprechen zwar nur 1.5% des EU-BIP aber 15% des nominalen BIP’s von Indien, dabei hat Indien doppelt soviele Einwohner, womit man mit 540 Miliarden Ökoausgaben pro Jahr für Indien rechnen müsste. Doch selbst wenn wir bei 270 Milliarden bleiben und anstatt mit dem nominalen mit dem kauftkraftmässigen BIP rechnen kommt man noch auf 5% des indischen BIP pro Jahr für die Transformation zu einer low carbon Wirtschaft in Indien. Doch es gibt noch einen viel wichtigeren Punkt, der Indien davon abhalten dürfte in eine Low Carbon Wirtschaft zu investieren: Eine Energieversorgung mit Erneuerbaren kann nur langsam aufgebaut werden und benötigt weit mehr als ein paar Windräder, nämlich einen völligen Umbau des Energiesystems mit dem Bau eines leistungsfähigen Transmissionsnetzes. Deutschland braucht ein Jahrzehnt allein um allen Atomstrom, also 20% des Stroms mit Erneuerbaren (und Kohle) zu ersetzen. China aber hat zwischen 2004 und 2010 seine Stromproduktion verdoppelt und das vor allem durch schnell hochgezogene Kohlekraftwerke. Genau diesen Weg will Indien nun nachvollziehen.
Die EU will zudem im Jahre 2050 30% weniger Energie brauchen als heute. Das ist ohne weiteres möglich, wenn fossile Raumheizungen durch Dämmung und Wärmepumpen ersetzt werden. Doch allein Deutschland rechnet für eine solche Sanierung 1 Milliarde Euro an Renovationsbedarf. Für Indien wiederum nicht finanzierbar.
Fazit: China und Indien sind nicht aus Achtlosigkeit Umweltverschmutzer und CO2-Emittenten, sondern aus Mangel an Finanzen und Zeit. Später können und werden sie das wieder rückgängig machen.
@Kommentar von Ben Palmer. 24.03.2013, 1:39
Sehr geehrter Her Palmer,
In Satz von mir, den sie zitieren: “Die EU wird 2020 mindestens 20% weniger CO2 emittieren als 1990, plant eine Reduktion von 40% bis 2030 und von 80% bis 2050. ” gebe ich lediglich die Fakten und Absichten der EU wieder.
Mein Kommentar vom 23.03.2013, 23:12 ist insgesamt aber wohl informierte Spekulation. Sie basiert auf der Annahme, die Environmental Kuznet Curve gelte für die nächsten Jahrzehnte. Das ist ja auch genau das, was wir alle beobachten: Eine schnelle wirtschaftliche Entwicklung wie hier nach dem 2. Weltkrieg und jetzt in China oder auch Indien geht zuerst mit erheblicher Umweltverschmutzung einher. Anschliessend – nach Erreichen eines gewissen Wohlstands – wird die Umweltverschmutzung rückgängig gemacht und die Emissionen sinken wieder. Aus dieser simplen Beobachtung schliesse ich nun messerscharf, dass selbst unter denkbar optimistischten Annahmen (die EU erreicht ihre selbst gesteckten Emissionsziele), im Jahre 2050 die CO2-Emissionen weltweit mindestens gleich hoch sein werden wie heute. Wenn bis dann bereits alle Länder der Erde den Grossteil ihrer wirtschaftlichen Entwicklung abgeschlossen haben, werden die Treibhausgas-Emissionen dann bereits am Sinken sein.
Die Gleichung 450 ppm = +2°C stammt nicht von mir, vielmehr ist 450 ppm die Konzentration von CO2 in der Luft, die nach IPCC nicht überstiegen werden sollte. Für das breitere Publikum wurde das in das 2° Celsius-Ziel übersetzt.
Was hat das nun mit dem Thema Energieeffizienz zu tun, um den es ja in diesem Blogbeitrag geht? Sehr viel! Denn Szenarien (aus RECIPE), die die 450 ppm Grenze nicht überschreiten, haben gemeinsam, dass der weltweite Energiekonsum bis 2050 sinkt, anstatt zu steigen. Das ist jedoch absolut unrealistisch!!
Martin Holzherr. 23.03.2013, 23:12 : „Die EU wird 2020 mindestens 20% weniger CO2 emittieren als 1990, plant eine Reduktion von 40% bis 2030 und von 80% bis 2050. “
Ich nehme an, dass dieser gesamte Kommentar sarkastisch gemeint ist. Inklusive die Gleichung 450 pppm = +2°C.
Grundsätzlich könnte das Szenario sich so entwickeln, aber die Zahlen sind rein spekulativ und ohne Bedeutung.
Die EU wird 2020 mindestens 20% weniger CO2 emittieren als 1990, plant eine Reduktion von 40% bis 2030 und von 80% bis 2050. Erneuerbare Energiequellen allein erzeugen dann den europäischen Strom und Autos werden nur noch 40 Gramm CO2 pro km emittieren.
Doch 2050 werden weltweit auch 4 Mal mehr Autos verkehren, so dass alle Autos zusammen gleich viel CO2 emittieren werden wie heute. 2050 wird weltweit doppelt soviel Energie und 4 Mal soviel Strom erzeugt werden wie heute.
Im Jahre 2050 wird also die EU pro Kopf nur noch 2 Tonnen CO2 emittieren, doch weltweit könnte trotzdem ähnlich viel CO emittiert werden wie heute. Der Grund dafür ist gut nachvollziehbar:
1) Das Aufschliessen von 8 Milliarden Menschen zum Wohlstand des Westens wird das Welt-BIP um 3 bis 4% pro Jahr wachsen lassen.
2) Viele Schwellenländer (Ausnahme z.B. Brasilien) nutzen Kohle als wichtigste Energiequelle weil billig und in eigenem Besitz
3) Sich industrialisierende Entwicklungsländer nutzen etablierte (veraltete) Technologien und vollziehen unseren Weg nach: Zuerst Wachstum und Verschmutzung, dann Aufräumarbeiten und Reduktion der Emissionen
Prognose: Die EU wird ein IPCC-kompatibles CO2-Emissionsziel bis 2050 erreichen und bereits in den späten 2030er Jahren könnten die globalen CO2-Emissionen zu sinken beginnen, allerdings nicht ohne vorher Werte deutlich über 40 Gigatonnen CO2 pro Jahr erreicht zu haben. Zwischen 2028 und 2032 wird zudem die atm. CO2-Konzentration 450 ppm überschreiten (2°C-Ziel).
Fazit: Der Nachvollzug der Industrialisierung in den aufstrebenden Ländern wird in den nächsten 20 Jahren die CO2-Emissionen deutlich ansteigen lassen. Doch noch vor 2050 könnten die Gesamtemissionen zurückgehen, wenn alle Länder dem Westen folgen. Das Entwicklungsmodell das hinter diesem invers U-förmigen Verlauf steht, ist die Enivronmental Kuznets Curve
Energieeffizienz und Erneuerbare sollen den Planeten retten und können das gemäss Studien auch. Doch auch Italiens Ökonomie könnte ohne weiteres zur Deutschen aufschliessen. Kein Ökonom erwartet das aber für die nächsten 30 Jahre – Studien hin oder her.
Wie unsere nähere Treibhausgaszukunft aussieht
Mit hoher Wahrscheinlichkeit (90-99% Chance) wird Kohle noch vor 2020 die wichtigste Primärenergiequelle sein. Nach IEA soll das schon 2017 der Fall sein. Kohle löst Erdöl als wichtigste Energiequelle ab. Dies als Reaktion auf The End of Cheap Oil.
Mit einiger Warscheinlichkeit (66-90% Chance) wird China, welches heute absolut mehr Energie erneuerbar herstellt als die USA und Südamerika zusammen, im Jahre 2020 mehr als 2% seiner Primäenergie aus Windenergie erzeugen und fast 1% aus Solarenergie.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit (66-90% Chance) wird China zwischen 2020 und 2030 seinen maximalen Kohleverbrauch und seine maximalen Pro-Kopf-CO2-Emissionen von dann 10 bis 12 Tonnen erreichen.
Massnahmen, die nötig wären um die CO2-Emissionen zu reduzieren
Die OECD-Länder reduzieren ihre CO2-Emissionen schon seit einigen Jahren, die armen Entwicklungsländer haben sehr tiefe CO2-Emissionen und nur die Schwellenländer erhöhen ihre CO2-Emissionen in den nächsten 20 Jahren stark. Und zwar vor allem China und Indien. Doch auch weitere Länder, die sich industrialisieren könnten ihren Kohleverbrauch erhöhen – sogar afrikanische Länder. Die wirksamste Massnahme gegen weitere CO2-Emissionsrekorde wären Energiealternativen zur Kohle für die sich industrialisierenden Länder. Die 100 Milliarden Dollar pro Jahr aus dem grünen Klimafonds für Entwicklungsländer sollten statt dessen in die Energieinfrastruktur der Schwellenländer investiert werden – um die CO2-Emissionen zu senken.
Der im obigen Beitrag indirekt verlinkte Bericht R E C I P E the economics of Decarbonization, der angeblich zeigen soll, dass das 2°C-Ziel auch bei globalem Wachstum von 2% (aktuell ist es 4%) errreicht werden kann, demonstriert die Fragwürdikgeit solcher ökonomischer Machbarkeitsanalysen, denn die politischen Umstände werdem kaum berücksichtigt. So geht RECIPE im Jahre 2009 (Jahr erkennbar am erwähnten „gegenwärtigen“ atm.CO2 von 385 ppm) noch vom Vorbildcharakter des europäischen Emissionshandelssystems (EU ETS) für die Welt aus. Doch das ETS funktioniert seit 2012 überhaupt nicht mehr. Auch die RECIPE-Aussage „To keep mitigation costs low, investments into conventional coal-fired power generation capacity need to be halted immediately.“ kollidiert mit der Realität, gibt es doch weltweit 1200 geplante Kohlenkraftwerke (vor allem China und Indien).
Die fossile Realität ist geprägt durch langfristige Trends mit plötzlichen Trendbrüchen und lässt sich gut aus den Weltentwicklungsfaktoren der IMF ablesen. Dort findet man z.B. von 1975 bis 2002 fast unveränderte CO2-Emissionen von 4 Tonnen pro Kopf. Doch dann steigen die CO2-Emissionen auf 4.7 Tonnen pro Kopf im Jahre 2009. Das ist ein solcher Trendbruch: Die Kohlendioxidemissionen pro Erdenbürger steigen in den letzten Jahren deutlich, weil die Schwellen- und Kohleländer China und Indien sich industrialisieren. RECIPE geht davon aus, dass ab 2020 alle Länder sich analog zu den Kioto-Ländern zu CO2-Reduktionen verpflichten und dass damit das 2°C-Ziel erreicht werden kann. Dass ein Vertrag Indien davon abhält weitere Kohlekraftwerke zu bauen wage ich jedoch zu bezweifeln.
@ Holzherr
„umweltschädigenden Emissionen besteuern“
Besteuern Sie sie, sobald valable, d. h. umweltfreundliche UND kostengünstige Alternativen zur Wahl stehen. Die Besteuerung fossiler Energieträger zur Subventionierung von ineffizienten Technologien dagegen ist Unfug.
Nebenbei: auch seltene Erden bilden eine knappe Ressource.
Wenigstens bleibt das Parlament nicht tatenlos und hat – endlich – die ETH F&E-Budgets im Bereich Energieforschung aufgestockt. Nicht gerade üppig, gemessen an der Bedeutung des Forschungsgebiets, aber immerhin … 30 neue Forschungsgruppen dürften bei geeigneten Forschungsvorhaben zusätzliches Geld aus der Wirtschaft generieren.
http://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/130314_energieforschung_mf/index
@Kommentar von Peter Bühler. 18.03.2013, 15:37
Sie schreiben:
„Bleibt die Behauptung, die EE-Stromproduktion sei umweltfreundlicher als die auf fossilen Energieträgern basierende.“
Fossile Rohstoffe gehen langfristig zu Neige und verändern mittelfristig das Klima. Sie müssen also auf alle Fälle verlassen werden und darauf sollte man sich vorbereiten. Das heisst nun aber nicht, dass man bestimmte präferierte Ersatztechnologien fördern muss. Gegen die Förderung bestimmter Technologien im Alltagseinsatz spricht
1) Wir können uns im Potenzial der geförderten Technologie täuschen und damit viel Geld verschwenden
2) Finanzielle Entschädigung bis auf das Niveau des einzelnen Energiekonsumenten/produzenten wird rasch sehr teuer
3) Finanzielle Förderung von präferierten Technologien ist willkürlich, immer an eine fördernde Regierung/einen Staat gebunden und darum für ein globales Problem nicht angemessen
Kostengünstiger und zukunftsträchtiger scheint mir die Kombination von einem Preis auf umweltschädigende Emissionen und einer massiven Investition in die Forschung – im Falle der fossilen Energien konkret in die Erforschung aller nichtfossilen Ersatzenergien. Die Forschung kann bis in den Anwendungsbereich hineingehen und die Bildung von Kompetenzzentren einschliessen. Man sollte aber nicht ähnliche Fehler wie im Fall Solyndra machen wo eine gehypte US-Solartechnik mit vielen Millionen gefördert wurde und das dann noch durch Investition in eine einzige Firma.
Zu ihrer Aussage: „Sie und Herr Hänggi plädieren demnach dafür, den Begriff “Effizienz” im Zusammenhang mit Erneuerbaren Energien zu streichen. Interessant.“
Effizienz sollte man genau so wenig fördern wie gewisse Technologien. Statt dessen sollte man die umweltschädigenden Emissionen besteuern. Es bleibt dann dem Markt und Konsumenten überlassen ob er mit Einsparungen/Effizienzgewinnen, mit Verzicht oder mit Ersatz darauf reagieren will.
@ Holzherr
Sie und Herr Hänggi plädieren demnach dafür, den Begriff „Effizienz“ im Zusammenhang mit Erneuerbaren Energien zu streichen. Interessant.
Bleibt die Behauptung, die EE-Stromproduktion sei umweltfreundlicher als die auf fossilen Energieträgern basierende.
Montage und Betrieb von blitzsauberen, mehrheitlich importierten Solarpanels mögen umweltfreundlich erscheinen, – ihre Herstellung dagegen ist es nicht. Das Gleiche gilt für den Bau von Windrädern. Allein der Beton, der in den gewaltigen Fundamenten steckt, dann die Schürfung und die Herstellung der Permanentmagneten, in denen bis zu 300 kg seltene Erden stecken. Dazu kommt der Bau der benötigten Smartgrids, abgesehen von weiteren Umweltbelastungen speziell durch Windräder.
Die Umweltbilanz sieht bei realistischen Annahmen betr. Produktionsaufwand und Laufzeit beider Anlagetypen trübe aus.
Was die EE mit Blick auf das 2-Grad-Ziel tatsächlich bringen, rechnet Bjørn Lomborg im heutigen SPIEGEL (12/2013) vor:
„Alle Anstrengungen Deutschlands beim Ausbau erneuerbarer Energien werden den Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts daher sogar nur um 5 (!) Tage hinauszögern“ und „Der derzeitige Emissionsrückgang durch Ausbau der erneuerbaren Energien, für den Deutschland hunderte von Milliarden Euro ausgibt, entspricht dem Anstieg der chinesischen Emissionen in 19 (!) Tagen“
Die entsprechenden Zahlen für die Schweiz bei einem vergleichbaren EE-Ausbau mag jeder selber ausrechnen.
Auch Lomborg votiert deshalb gegen den EE-Ausbau und für deutlich höhere Investitionen in F&E. Allerdings stagnieren in Deutschland die entsprechenden Ausgaben genau gleich wie in der Schweiz. Wir sind dabei, eine enorme Chance zu verpassen und stecken – bei gleichzeitiger Schädigung des Wirtschaftsstandorts -viel Geld in ineffiziente Massnahmen statt in die forcierte Entwicklung zukunftsträchtiger Technologien.
Marcel Hänggi, der auf diesem Klimablog schon mehrere Beiträge geschrieben hat, bringt es im Tagesanzeigermagazin vom 22.3.2013 auf den Punkt: „Alle streiten sich, ob erneuerbare Energien gefördert werden sollen und wie sich die Energie effizienter nutzen lässt. Aber es geht weder um mehr Erneuerbare noch um mehr Effizienz. Sondern um weniger umweltschädigende Energien. Das eine führt nicht automatisch zum anderen, ..“
Dem kann man nur zustimmen. Nur weil man schon bald mit 3 Liter Benzin von St.Gallen nach Genf fahren kann, heisst das noch lange nicht, dass dann auch die CO2-Emissionen im Keller sind.
Das Treibhausgasproblem wird erst dann wirklich ernst genommen, wenn man die Treibhausgase wie Giftstoffe behandelt nicht aber wenn man durch Effizienzmassnahmen weniger davon brauchen will. Viele scheinen fossile Rohstoffe mit Leckereien zu verwechseln, von denen man nicht zuviel nehmen soll, weil man sonst faule Zähne bekommt und Speck ansetzt.
Zugegen ist es eine äusserst grosse Herausforderung in einer Welt, wo 80% der industriell erzeugten Energie aus fossilen Rohstoffen stammt und wo diese Rohstoffe z.B. in Form von Kohle konkurrenzlos billig sind, diese zu verlassen und sie einfach im Boden zu lassen. Das Vorsorgeprinzip genügt wohl nicht um diesen Schritt zu erzwingen. Erst wenn fast sicher feststehen wird, dass eine weitere Steigerung der CO2-Emissionen uns in eine alles andere als wünschenswerte Zukunft katatpultiert und wenn zudem kostengünstige Ersatzenergien zur Verfügung stehen, wird wohl auf globaler Ebene ein Umdenken stattfinden. Leider wird man dann wohl feststellen, dass viel Zeit verloren wurde, weil nicht einmal die nötige Forschung und Entwicklung für ein Verlassen der fossilen Rohstoffe stattfand. Nötig wäre zum Beispiel die Forschung und Entwicklung von Carbon Capture and Storage, denn jetzt gerade gebaute Kohlekraftwerke wird man nicht einfach so stillegen.
Fazit: Andere Energien nutzen anstatt Kohle einzusparen.
Das Ziel bis 2050 die CO2-Emissionen auf 2 Tonnen pro Erdenbürger und Jahr zu senken ist tatsächlich nicht zu erreichen, da muss ich Peter Bühlers Kommentar vom 14.03.2013 zustimmen. Letztlich hat das mit den Prioritäten in der realen Welt, die vor allem eine Wirtschaftswelt ist, zu tun.
1) Die höchste Priorität in den Schwellen- und Entwicklungsländern hat der möglichst schnelle und effiziente Nachvollzug der industriellen Entwicklung, die der Westen schon hinter sich hat mit dem Ziel von mehr Wohlstand, einem gesünderen und längeren Leben und von gesellschaftlicher und individueller Entwicklung. Effizienz bedeutet unter den Verhältnissen dieser armen Länder nicht Energieeffizienz sondern Kosteneffizienz. Deshalb nutzen Länder mit reichlichen eigenen Kohlevorräten wie China, Indien, Südafrika oder Indonesien diese Energiequelle.
2) Auch in den Industrieländern haben die Klimaziele nicht die höchste Priorität, gerade auch bei den „grün“ Denkenden, die von Ideen wie Energieautonomie und Erneurbarkeit beseelt sind.
Sogar viele grün denkenden Klimaforscher entscheiden sich für eine zukünftige „Klimahölle“, wenn die Alternative eine Welt voller Kernkraftwerke wäre.
Wenn das 2°C-Ziel die höchste Priorität hätte, müsste man
1) alle nicht fossilen Energiequellen zulassen und 2) die möglichst diversifizierte Energieforschung stark steigern 3) Konsequent auf kostengünstige nichtfossile Energiequellen setzen. 4) Die internationale Zusammenarbeit in Industrieprojekten fördern und nicht allein auf internationale Verträge und Protokolle vertrauen.
Der NYT-Artikel In Search of Energy Miracles widmet sich diesem Thema. Anders als Peter Bühler kann ich mir aber eine kostengünstige Versorgung der ganzen Welt nur mit Erneuerbaren Energien vorstellen. Dazu müssten die besten EE-Standorte mit einem Supergrid, vielleicht sogar mit einem Global Grid verbunden…
Geht es tatsächlich um Energieeffizienz, dann ist der Verzicht auf Wind- und Solarenergie zwingend, kann doch beim gegenwärtigen Stand der Technik und zumal in unseren Breiten von Effizienz keine Rede sein. Solaranlagen erbringen gerade mal 8 bis 9 Prozent der nominalen Leistung, die aber allenfalls am Äquator um die Mittagszeit und bei wolkenlosem Himmel voll ausgeschöpft würde.
Abgesehen von den Investitionskosten belasten die in der Produktion eingesetzte Energie und der Einsatz von Umweltressourcen die Bilanz erheblich.
Nicht viel besser sieht es bei der Windenergie aus, speziell die Offshore-Anlagen sind wegen der hohen Wartungskosten und der Tranportleitungen kaum effizient zu betreiben.
Beide Energieträger sorgen zudem für hohe Folgekosten beim Aufbau der benötigten Smart-Grids.
Effizienz sieht anders aus.
Dass auch bei durchschnittlichen langfristigen Wachstumsraten des globalen BIP von rund zwei Prozent ein Erreichen des 2-Grad-Ziels prinzipiell möglich ist, ist gleich doppeltes Wunschdenken.
Denn erstens gehen die Kosten durchs Dach …
http://content.globalmarshallplan.org/ShowNews.asp?ID=835
… und zweitens ist die Vorstellung, das Klima lasse sich behördlich steuern, einigermassen befremdlich. Das 2-Grad-Ziel ist wissenschaftlich nicht zu stützen. Davon abgesehen: wo genau würde die Erwärmung sich auf 2 Grad beschränken? gleichmässig global? in den Ländern mit den höchsten EE-Investitionen? bei allen anderen?
Europa, speziell Deutschland, Spanien und Grossbritannien, führen uns gerade vor, wie’s definitiv nicht funktioniert und weshalb wir ihrem Weg auf keinen Fall folgen sollten.
Zu wünschen bleibt, dass die Themen F&E und Innovation – hier an der ETH und in der Politik – vermehrt in den Fokus rücken ..
http://derstandard.at/1339638062581/Klimaschutzpolitik-Weniger-zahlen-und-viel-mehr-erreichen
Für mich stellt sich nicht die Frage ob man Energieeffizienz fördern soll, weil die Reboundeffekte einen grossen Teil der gewonnenen Effizienz wieder zunichte machen, sondern mir stellt sich die viel grundlegendere Frage, ob man Ziele indirekt anstreben soll. Denn Energieverschwendung ist nicht umweltschädlich. Die Sonne verschwendet jeden Tag unheimliche Energien und die Pflanzen, die die Sonnenergie nutzen sind darin (in der Umwandlungsleistung von Sonnen- in chemische Energie) höchst ineffizient. Trotzdem beklagt sich niemand darüber.
Viel Energie nutzen ist nämlich für Natur und Umwelt nicht schädlich. Schädlich sind nur falsche Formen der Energie. Solche Energiequellen sind schädlich, die mit Umweltverschmutzung und Teibhausgasemissionen verbunden sind. Und je weniger sie laufen umso besser.
Energieeffizienz soll also indirekt wirken, indem wir weniger Kraftwerke bauen müssen (Kraftwerke, die in vielen Fällen fossil betrieben werden), indem wir weniger Benzin für die gleiche Anzahl gefahrener Kilometer tanken müssen, indem wir weniger Strom brauchen um den Kühlschrank zu betreiben und damit indirekt weniger CO2-Emissionen verursachen, denn Gas- oder Kohlekraftwerke, die den Strom erzeugen, erzeugen auch CO2-Emissionen.
Ich tendiere eher dazu, die Schadstoffemissionen direkt zu „besteuern“ anstatt indirekt über die Energieeffizienz die Schadstoffemissionen zu senken. Würde seit 10 oder mehr Jahren die Emission von Treibhausgasen etwas kosten, würde das also ins Geld gehen, so wären inzwischen auf allen Gebieten CO2-behaftete Energiequellen durch andere Energiequellen ersetzt worden. Ob diese Energiequellen effizient oder nicht sind, spielte keine Rolle. Lediglich der Schadstoffausstoss spielte eine Rolle – denn auf den kommt es an und nicht auf die Effizienz.
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