ETH-Klimablog - Umweltfolgen - CO₂-Emissionen – schon wieder höher…

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CO₂-Emissionen – schon wieder höher…

21.02.2013 von

Die Zahlen sind ernüchternd, wenn auch nicht überraschend: Bei den CO₂-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger gilt es im Jahre 2011 einen satten Zuwachs von drei Prozent gegenüber dem Jahre 2010 zu verzeichnen. Damit haben die CO₂-Emissionen schon wieder einen neuen Höchststand erreicht1.

Im 2011 sind die CO₂-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger bei fast 35 Milliarden Tonnen CO₂ angelangt – das sind 54 Prozent mehr als 1990 und 42 Prozent mehr als 1997, als das Kyoto-Protokoll unterzeichnet wurde. Die Voraussagen fürs Jahr 2012 lassen nochmals einen Anstieg in der Grössenordnung von zwei bis drei Prozent erwarten.

Die Entwicklung der fossilen CO₂-Emissionen folgt damit weiterhin dem oberen Rand der Projektionen, die in den 1990 Jahren unter der Annahme des «Business as usual» erstellt wurden (Special Report on Emission Scenarios (SRES), siehe Grafik). Die Emissionen liegen somit auch weit oberhalb der Pfade, die in Richtung einer Stabilisierung des Klimawandels gehen (siehe Kurven «RCP 4.5» und «RCP3-PD» in der Grafik).

Zwei-Grad-Ziel: «Restguthaben» von 700 Milliarden Tonnen CO₂

Das Fenster, das der Menschheit bleibt, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, schliesst sich daher immer schneller (siehe Blogbeitrag von Joeri Rogelj «Ist das 2-Grad-Klimaziel am Ende?»). Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, kann die Menschheit bis 2050 noch rund 700 Milliarden Tonnen CO₂ in die Atmosphäre ausstossen. Verbleiben wir jedoch bei den heutigen Emissionen, wird dieses Guthaben schon in 20 Jahren aufgebraucht sein. Wachsen die Emissionen weiterhin wie in den letzten 20 Jahren, sind wir schon Anfang der 2020er Jahre soweit. Nur eine schnelle und starke Trendumkehr der Emissionen erlaubt es uns, innerhalb des 2-Grad-Zieles zu bleiben.

Das sind keine grundlegend neuen Erkenntnisse (siehe auch mein früherer Blogbeitrag «CO₂-Emissionen – immer höher») zum ähnlichen Thema, aber das jährliche Aufdatieren der Daten durch das «Global Carbon Project» macht einem klar, wie gross die Herausforderung ist und wie stark die Entwicklung in den letzten Jahren dem Ziel der Stabilisierung des Klimawandels entgegenläuft.

Neuer Höchstwert auch beim CO₂-Gehalt der Atmosphäre

Aufgrund der menschgemachten Emissionen ist auch der CO₂-Gehalt der Atmosphäre wiederum auf einen neuen Höchstwert angestiegen. Im Jahre 2011 lag er im globalen Schnitt bei 390.5 ppm (ein ppm entspricht einem Teil in einer Million Teile). Im vergangenen Frühling lag zudem die monatliche mittlere CO₂-Konzentration in den hohen Breiten des Nordens zum ersten Mal über der Grenze von 400 ppm.

Glücklicherweise zahlen wir Menschen weiterhin nur etwa die halbe Miete für unsere Emissionen (siehe mein Blogbeitrag «Die halbe Miete»). Die CO₂-Senken der Ozeane und der Ökosysteme auf dem Land haben im Jahre 2011 mehr als die Hälfte des durch den Menschen ausgestossenen CO₂ aus der Atmosphäre entfernt. Die Aufnahme des Ozeans scheint sich im Vergleich zu den Erwartungen abzuflachen – ob das tatsächlich der Fall ist oder nicht, wird in der Wissenschaft zur Zeit intensiv diskutiert.

Falls Senken ausfallen, verkleinert sich unser «CO₂-Restguthaben»

Die Landökosysteme sind dagegen erstaunlich starke Senken. Ihre Senkleistung ist seit Ende der 1980er Jahre deutlich gestiegen. Warum das so ist, ist noch unklar. Mögliche Faktoren sind unter anderem der CO₂-Düngungseffekt (Pflanzen wachsen tendenziell besser bei höherem CO₂-Gehalt), der Klimawandel und die veränderte Landnutzung.

Es ist alles andere als klar, ob die Senken auf dem Land und im Ozean in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiterhin so aktiv bleiben. Auf alle Fälle sind diese Senken in den Berechnungen des Guthabens, das uns bleibt, um das 2°C Ziel zu erreichen, schon einkalkuliert. Falls die Senken sich verkleinern oder sogar ganz ausfallen, würde das Guthaben entsprechend verkleinert – und die Zeit, die uns noch bleibt, noch kürzer. Daher ist jedes Jahr mit wachsenden fossilen CO₂-Emissionen ein verlorenes Jahr.

Quelle: Peters et al. (2012) G. Peters, R. Andrew, T. Boden, J. Canadell, P. Ciais, C. Le Quéré, G. Marland, M. Raupach, C. Wilson (2012) The challenge to keep global warming below two degrees. Nature Climate Change. DOI:10.1038/nclimate1783.

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1 Die Zahlen stammen alle vom Global Carbon Budget. Die Zahlen sind für das Jahr 2011, dem letzten Jahr, für das bereits alle Zahlen zur Verfügung stehen.

Zum Autor

Nicolas Gruber ist Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie

 





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Die 35 Milliarden Tonnen CO2, die im Jahre 2011 emittiert wurden, entsprechen einem Pro-Kopf-Ausstoss von 5 Tonnen CO2, gerade etwas weniger als die Pro-Kopf-CO2-Emissionen der Schweizer Bevölkerung im Jahre 2011. Die Schweiz gehört zusammen mit den meisten OECD-Ländern (Westen+Japan/Korea) zu den Ländern in denen die CO2-Emissionen seit etwa 10 Jahren leicht sinken ( etwa 1% pro Jahr). Der globale Anstieg der CO2-Emissionen von 3% pro Jahr geht damit fast vollständig auf das Konto der Schwellenländer. China steigerte seine CO2 Emissionen zwischen 2010 und 2011 tatsächlich um 9% und emittiert nun 7 Tonnen CO2 pro Person.
Das Phänomen der sinkenden Emissionen in den Industrieländern bei gleichzeitig steigenden in den Schwellenländern wird mit der Umweltbezogenen Kuznets Kurve erklärt und ermöglicht auch die jetzigen Emissionstrends in die Zukunft zu extrapolieren: China wird wohl den CO2-Emissionspeak in den mittleren 2020er Jahren erreichen und dann 10 bis 12 Tonnen CO2 pro Person ausstossen – deutlicher weniger als die USA und Europa auf ihrem Emissionspeak. Dies wegen Effizienzfortschritten. Weltweit wird der CO2-Emissionspeak wohl in den späten 2030er Jahren erreicht werden (mit Indien und Afrika als Industrialisierungsnachzügler) und zwischen 50 und 60 Milliarden Tonnen CO2 betragen, was einem Pro-Kopf-CO2 Ausstoss von 7 bis 8 Tonnen CO2 pro Erdenbürger Ende der 2030er Jahre entspricht (heute stösst ein US-Bürger 17 Tonnen CO2 aus).
Technologische Fortschritte zum Beispiel bei den Erneuerbaren Energien könnten allerdings zu viel stärkeren Rückgängen der CO2-Emissionen schon in den 2030er Jahren führen. Wind- und Sonnenenergie entwickeln sich kostenmässig verheissungsvoll. Lediglich die unregelmässige Stromproduktion dieser Energien muss noch in den Griff bekommen werden, was am besten mit einem weiträumigen, ganze Kontinente umfassenden Energieverbund geschieht.

„Die Entwicklung der fossilen CO₂-Emissionen folgt damit weiterhin dem oberen Rand der Projektionen“

Umso interessanter und erfreulicher, dass gleichzeitig die Entwicklung der globalen Mitteltemperatur allenfalls noch dem untersten Rand der Projektionen folgt.

Oder spielt das einfach deshalb keine Rolle, weil es längst nicht mehr um die Temperaturen geht, sondern um die Vermeidung von CO2-Emissionen egal zu welchem Zweck und um welchen Preis?

Die Ingenieure zum Glück halten sich bei weltanschaulichen Betrachtungen nicht auf, sondern suchen – und finden Lösungen, hoffentlich auch wieder mal an der ETH …

http://researchnews.osu.edu/archive/looping203.htm

http://www.csiro.au/en/Portals/Media/CSIRO-solar-sponge-soaks-up-CO2-emissions.aspx

Ein von allen Industrie- und Schwellenländern Programm das Carbon Capture and Storage erforscht, in Testanlangen einsetzt und schliesslich weltweit in allen bestehenden Kohlekraftwerken einbaut wäre wohl die einzige Chance den CO2-Anstieg noch in den 2020er Jahren zum Peak zu bringen und ihn anschliessend langsam abfallen zu lassen. Alle anderen Vorschläge wie schneller und massiver Ausbau der Erneuerbaren oder Abschalten von Kohlekraftwerken werden nicht die nötige Breitenwirkung haben um das zu erreichen, denn es sind jetzt schon zuviele Kohlekraftwerke in Betrieb oder in Planung und die Energie die diese liefern wird auch in Zukunft benötigt.

Das Departement of Energy hat ein umfangreiches Programm, dessen Ziel der nachträgliche Einbau von CCS in bestehenden Kohlekraftwerken ist. Es umfasst völlig neue Ansätze und die Verbesserung bekannter Verfahren wie dem Oxyfuel Combustion Verfahren.Auch die internationale Energieagentur beschäftigt ein ganzes Team von Experten für CCS.

Generell müssten angesichts der ungebremsten Emissionen alle nur denkbaren Ansätze verfolgt werden um diese innerhalb der nächsten 20 Jahre zu stoppen. Nur auf die Klimaverhandlungen zu setzen scheint dagegen nicht sehr vielversprechend. Es könnte durchaus sein, dass diese Verhandlungen sogar von vielen Staaten missbraucht werden um Anstrengungen im Emissionsbereich immer weiter hinauszuschieben und die Verantwortung für das Scheitern und Hinauszögern den anderen Parteien zuzuschieben.

Sehr geehrter Herr Professor Gruber,

Sogar stärker als in der Vergangenheit steigende CO2-Emissionen sind eigentlich zu erwarten, denn ein immer grösserer Anteil der CO2-Emissionen geht auf das Konto der Länder, die das Weltwirtschaftswachstum dominieren, also auf Schwellenländer. Länder wie China, Indien oder Südafrika setzen aber auf die billigste, am schnellsten entwickelbare und in eigenem Besitz befindliche Energieressource. Das ist Kohle. Von 25% Anteil an der weltweiten Primärenergieproduktion ist der Anteil von Kohle inzwischen auf 30% gestiegen und nach Prognosen der internationalen Energieagentur wird Kohle ab 2017 Öl als wichtigste Energiequelle ablösen. China könnte allerdings den Kohleverbrauchspeak bereits in den 2020er Jahren überschreiten, doch Indien wird wohl bis in die 2030er Jahre seinen Kohleverbrauch ausbauen.

Eines steht wohl fest: Billige Energie wird auch in den nächsten Jahrzehnten gefragt sein und das Wirtschaftswachstum wird in den Schwellen- und Entwicklungsländern ungebrochen anhalten. Eine wirkliche Reduktion der CO2-Emissionen ist deshalb erst dann zu erwarten, wenn es kostengünstige Energiequellen gibt, die kein CO2 emittieren. Und wenn diese neuen Energien zudem problemlos installierbar sind. Diese Rolle der Ersatzenergien für Öl, Kohle und Erdgas können folgende Kandidaten übernehmen:
– die Erneuerbaren Energien (Speicher oder Netze nötig)
– neue Formen von Nuklearenergie (deep burn, LFTR, Fusion)
– neue Formen der Bioenergie wie treibstoffproduzierende Mikroorganismen

Bis jetzt wurde wenig unternommen um weltweit zu einer CO2-freien Energiewirtschaft zu kommen. Einen weltweit gültigen Preis auf CO2-Emissionen gibt es nicht und die Investitionen in die Energieforschung sind weiterhin bescheiden.

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