Es geht um mehr als um CO₂-Reduktionen
15.01.2013 von
Ob der mehr als zähen globalen Verhandlungen und dürftigen Ergebnisse der globalen Klimakonferenzen könnte man verzweifeln, in Lähmung erstarren – oder eben erst recht die Initiative ergreifen und Engagements realisieren für konkreten Klimaschutz. Die Zeit ist reif und die Möglichkeiten und Notwendigkeiten sind enorm gross, bereits heute starke und konkrete Massnahmen gegen den Klimawandel zu realisieren. Dabei geht es um mehr als um CO₂-Reduktionen.
Die Reduktion von Treibhausgasen ist eine zentrale Massnahme. Hier setzen unsere aktuell mehr als 60 Klimaschutzprojekte an: Nebst dem Vermeiden, Reduzieren und Kompensieren von CO₂-Emissionen geht es uns stets auch um eine nachhaltige Entwicklung, die die Lebensbedingungen der Menschen in den Projektregionen langfristig verbessert.
Der Bedarf an nachhaltiger Entwicklung ist genauso enorm wie an Klimaschutz. Zum Beispiel haben gemäss neustem World-Energy-Outlook der internationalen Energie Agentur IEA immer noch rund 1.3 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Kerzen oder Kerosinlampen sind ihre einzige Lichtquelle. Fast gleichzeitig meldete die Welt-Tourismusorganisation UNWTO, dass weltweit jährlich eine Milliarde Menschen reisen.
Nachhaltige Entwicklung: Grundbedürfnissen erfüllen
Mit CO₂-Kompensation könnten diese Milliarde Reise-Privilegierten ohne Problem der Milliarde Menschen ohne Zugang zu Elektrizität nachhaltig Licht verschaffen und zum Beispiel eine Milliarde Solar-Licht-Installationen unterstützen. Was nachhaltiges Licht erst möglich macht, können wir alle bestens erahnen in diesen langen Winternächten… Machen Sie das alles mal nur mit Kerzenlicht!
Ebenfalls gemäss IEA kochen noch immer 2.5 Milliarden Menschen auf offenen Feuerstellen. Diese ineffiziente Art (‚unsustainable use of biomass’) des Kochens ist eine Hauptursache für die globale Abholzung. Gleichzeitig sind weltweit mehr als eine Milliarde Autos in Gebrauch und stossen jährlich einige Milliarden Tonnen Treibhausgase aus. Mit einem CO₂-Preis für diese Emissionen könnten wir den 2.5 Milliarden Unterprivilegierten nachhaltiges Kochen ermöglichen.
Bei einer nachhaltigen Entwicklung geht es stets um die Erfüllung von Grundbedürfnissen wie gesunder Nahrung, Licht, einem Dach über dem Kopf, sauberem Wasser, Bildung, Mobilität, Einkommen oder Gesundheit. Für die lokale Bevölkerung sind es diese zusätzlichen Benefits, die ein Klimaschutzprojekt für sie besonders wertvoll machen.
Konkrete Taten im Alltag
Es sind auch diese wertvollen zusätzlichen Benefits, welche die myclimate-Klimaschutzprojekte zu sogenannten Leuchtturmprojekten machen. So durften wir an der Klimakonferenz in Doha gleich für zwei Projekte die Auszeichnung «Lighthouse Activities» entgegennehmen. Eine grosse Ehre. Und eine Anerkennung, die allen gebührt, die mit ihren CO₂-Beiträgen solche Projekte ermöglichen! Die insgesamt neun prämierten Projekte wurden aus über 100 Projekten im Rahmen des «Momentum for Change-Programmes der UNFCCC» ausgewählt.
Das eine unserer beiden prämierten Projekte ist das EELA-Projekt in Zusammenarbeit mit Swisscontact und Deza. Mit dem Projekt fördern wir die Energieeffizienz von Brennöfen zur Herstellung von Backsteinen in Peru, Ecuador und weiteren südamerikanischen Ländern (siehe Bild). Neben der CO₂-Reduktion hilft das Projekt, Abholzung und Luftverschmutzung zu vermindern, Techniken zu verbessern, die lokale Wirtschaft zu entwickeln und die Lebensqualität der Backsteinproduzenten zu erhöhen.
Im zweiten prämierten Projekt, dem Biocomp-Projekt in Kathmandu (Nepal), werden organische Abfälle zu Kompost veredelt. Damit werden die Treibhausgasemissionen von traditionellen Mülldeponien reduziert, das Abfall- und Hygieneproblem im Land reduziert, hochwertiger Dünger für eine ökologische Landwirtschaft bereitgestellt und im SocialBusiness Arbeitsplätze geschaffen.
Wir alle sind Verursacher und Opfer vom Klimawandel, aber wir alle können uns jetzt und heute bei uns zu Hause und global für den Klimaschutz engagieren. Denn, wie UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon in seiner Momentum-of-change-Laudatio betonte: Es geht um konkrete Taten im Alltag.

Klimaschutzprojekt in Peru: In Südamerika lassen sich mit effizienter Backsteinproduktion 40-50 Prozent der Brennstoffe einsparen und die Abholzung reduzieren.
Gastautor René Estermann ist Geschäftsführer der Stiftung myclimate, die CO₂-Bilanzen, Klimabildung und freiwillige Kompensationsmassnahmen anbietet.
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„Mit einem CO₂-Preis für diese Emissionen könnten wir den 2.5 Milliarden Unterprivilegierten nachhaltiges Kochen ermöglichen.“
Nachhaltiges Kochen macht wenig Sinn, wenn keine nachhaltige Nahrungsmittelversorgung vorhanden ist. Hungernde Menschen essen auch rohe Nahrungmittel, wenn sie sie finden.
Und mit dem Carbon-Pricing lässt sich kein Blumentopf gewinnen:
„Last year, Swiss investment house UBS released a damning report about the $287 Billion wasted propping up the ETS, the European Carbon Cred Scheme. They pointed out at that time that if the money had been used to renovate Europe’s power generation fleet, CO2 emissions would have been cut by 42%. Now they have more bad news for already overburdened taxpayers across the E.U.“
http://tallbloke.wordpress.com/2013/01/21/ubs-drops-another-bombshell-on-the-e-u-carbon-trading-market/
„Der Bedarf an nachhaltiger Entwicklung ist genauso enorm wie an Klimaschutz. Zum Beispiel haben gemäss neustem World-Energy-Outlook der internationalen Energie Agentur IEA immer noch rund 1.3 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Kerzen oder Kerosinlampen sind ihre einzige Lichtquelle.“
Rund eine Milliarde Menschen brauchen keine Lichtquellen, um zu sehen, dass bei Ihnen kein Essen auf dem Tisch steht. http://www.worldhunger.org/articles/Learn/world%20hunger%20facts%202002.htm
Jährlich rund 200 Millionen Menschen erkranken an Malaria, über 600’000 brauchen definitiv keine Lichtquellen mehr.
Jährlich sterben über 3 Millionen Menschen an verunreinigtem Trinkwasser. Lassen wir lieber das Licht aus.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man unter dem Deckmantel des „Klimaschutzes“ versucht, an Geld heranzukommen, das dann in schönmalerisch verpackte Projekte investiert wird. Da die finanziellen Ressourcen nicht unendlich sind, gräbt man damit in direkter Konkurrenz dringenderen aber weniger spektakulären humanitären Projekten sprichwörtlich das Wasser ab.
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