Zehn Jahre Netzwerk Stadt und Landschaft – ein Einblick in spannende Projekte
16.11.2012 von
Letzten Montag präsentierten sämtliche Institute des Netzwerks Stadt und Landschaft (NSL) einem breiten Fachpublikum ihre aktuellen Projekte. Die sogenannte Werkdiskussion bot einen vielfältigen und spannenden Einblick in die nachhaltigen Raumwissenschaften. Einige der Projekte möchte ich hier kurz vorstellen.
Zu den Instituten des Netzwerks Stadt und Landschaft gehören Städtebau, Soziologie, Verkehrsplanung, Raum- und Landschaftsentwicklung sowie Landschaftsarchitektur. Insgesamt sind es über 170 Mitarbeitende, die erforschen, wie unser begrenzter Lebensraum optimal und mit möglichst wenig Ressourcenverbrauch genutzt werden kann. Die etwa zweihundert Besuchenden der Werkschau wurden belohnt mit spannenden Einblicken in aktuelle Herangehensweisen in den nachhaltigen Raumwissenschaften.
Ökosystemleistungen
Was wäre, wenn wir den Leistungen, die unser Ökosystem erbringt, einfach ein Preisschild umhängen und dafür bezahlen? Dass dies so einfach nicht geht, weiss Prof. Adrienne Grêt-Regamey vom Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung. Dennoch können diese Leistungen, auf die unsere Gesellschaft angewiesen ist, mit Hilfe von 3D GIS-basierten multikriteriellen entscheidungsunterstützenden Ansätzen bereits in der Planung berücksichtigt werden. Resultate des Projektes PALM «Potentialanalyse der Ressource Boden für nachhaltiges Landmanagement» werden bald als Internet-Plattform zur nachhaltigen Verteilung von Bauzonen nach Ökosystemleistungen und Standortsfaktoren zur Verfügung stehen.

Ökosystemleistungen
Raum- und Landschaftsvisualisierung
Ein departementsübergreifendes Projekt ist das computergestützte Labor «Landscape Visualization and Modeling Lab (LVML)». Das erstaunlich kostengünstige Instrument liefert hochpräzise 3-D-Bilder in Farbe und simuliert auch Unwetter, Hochwasser und Bergstürze. Bau- und Umweltingenieurinnen und -ingenieure können damit einfacher nachhaltige Lösungen mit wissenschaftlicher Klarheit durchsetzen. Beispielsweise hat das Team von Prof. Christophe Girot den Bauschutt der Gotthardröhre visuell zu einer Landschaft aufgeschüttet, die als natürlich entstanden wahrgenommen wird. Dasselbe Instrument hilft auch Überschwemmungen des Flusses «Ciliwung» in Jakarta zu verhindern, dessen Ufer streckenweise vornehmlich aus einer «Sedimentsschicht» von 5-8 Metern Plastik und Abfall besteht.

Landscape Visualization and Modeling Lab LVML
Mobilität
Dass ein Ausbau der Strassennetze für Privatfahrzeuge zu vermehrtem Privatverkehr führt, ist hinlänglich bekannt. Die Gruppe Strassenverkehrstechnik von Dr. Monica Menendez forscht stattdessen für ein nachhaltiges Transportsystem der Zukunft: Wie viele und welche Verbindungswege können entfernt werden, ohne dass dies zu Stau oder längeren Fahrwegen führt?

Verbesserung des Strassenverkehrs
Nachhaltige Slums?
Slums sind sehr nachhaltig: Die Bewohnerinnen und Bewohner verbrauchen wenig Platz, verfügen über keine motorisierten Verkehrsmittel und benötigen mangels Wasser- und Stromanschluss wenig Ressourcen. Diese zynische Feststellung ist für viel zu viele Menschen harte Realität, der Platz reicht nicht aus, um sie in schöne Gartenhaussiedlungen umzupflanzen. „Bulldozer machen nicht nur informell erstellte Häuser, sondern auch soziale Netzwerke platt“, meinte Prof. Hubert Klumpner und plädiert stattdessen dafür, die Slums bewohnbarer zu machen. Der „Torre David“ ist der ungenutzte Rohbau eines Hochhauses, das von Familien und Wohngemeinschaften besetzt wird, also ein vertikaler Slum. Mit Unterstützung internationaler Firmen wie Schindler kann dort ein Aufzug installiert werden (Buchvernissage: 10. Dezember, 18 Uhr, Semperaula ETH Zürich).

Torre David
Zur Autorin
Claudia Gebert koordiniert das Netzwerk Stadt und Landschaft. Sie hat Publizistik mit Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation an der Universität Zürich studiert.
Anmerkung der RedaktionAuf Wunsch von Prof. Adrienne Grêt-Regamey wurde das Projektbeispiel unter «Ökosystemleistungen» nach der Publikation noch geändert.
Kommentare (2) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen
Sehr geehrte Frau Gebert,
Mich beeindruckt und überrascht an den vorgestellten Projekten die Herangehensweise an Raum-,Landschafts- und Mobilitätsprobleme. Erwartet hätte ich die Arbeit mit Karten, Statistiken und Zukunftsvisionen. Vorgefunden habe ich anspruchsvolle Modellierungen und Visualisierungen wo beispielsweise die Landschaftswahrnehmung, -visualisierung und -planung auf die gleiche Ebene vorstösst wie heute schon die Stadtplanung und sich unerwartete Möglichkeiten öffnen wie etwa Bauten, die selbst als Teil der Landschaft wahrgenommen werden.
Dass unsere zukünftige Mobilität weiterhin vom Auto bestimmt sein wird ist dagegen weniger erfreulich. Wobei mich nicht das Auto an und für sich stört, sondern vielmehr die Tatsache, dass viele Städte – inklusive Zürich – sich als System von Strassen für den Autoverkehr präsentieren. Sogar verglichen mit dem 19. Jahrhundert haben die Städte durch die vielen Strassenschneisen an raumgestalterisch verloren, denn wo es früher freien Raum und grosse Plätze gab, kreist heute der Verkehr. Ich bin überzeugt, die heutige Verkehrssituation in den meisten Städten ist nicht eigentlich gewollt, sondern sie ist eine Konzession an das vermeintlich Unvermeidliche. Für viele unvermeidlich, weil sie Autostrassen als so grundlegend und vital wichtig halten wie die Blutgefässe und Adern, die den Körper durchziehen. Adern braucht es auch in der Stadt. Nur sollte man sie nicht alle sehen und ihnen alles andere unterordnen.
Danke, ein hervorragend geschriebener Artikel über die weiteren Implikationen des Klimawandels für Stadt und Land, also für unsere alltägliche Umwelt, sei es in der Schweiz oder sei es in den informellen Siedlungen („Slums“) der Entwicklungsländer.
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