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Von der Wegwerf- zur Kreislaufwirtschaft

16.10.2012 von

«Climate change is not the problem» – Klimawandel sei nicht das Problem. Mit dieser überraschenden Aussage beginnt der Jahresbericht 2010 des Global Footprint Network. Auch die Abholzung der Wälder, die Wasserknappheit und das Verschwinden von Pflanzen- und Tierarten seien nicht das Problem. Diese Phänomene seien nur die Symptome einer einzigen, vorrangigen Ursache: Der Mensch verbrauche zu viele Ressourcen. Wir konsumierten mehr Ressourcen als die Natur zur Verfügung stellen kann. 

Das Global Footprint Network führt uns vor Augen, wie übermässig unser Ressourcenverbrauch ist. Laut dessen Berechnungen ist der ökologische Fussabdruck der Schweiz drei Mal zu gross. Das heisst, wenn alle so leben würden wie wir, wären drei Planeten notwendig.

Wenn wir dieser Tatsache ins Auge blicken und unser Handeln darauf konzentrieren, können wir etwas bewegen, statt reine Symptombekämpfung zu betreiben.

Kreislaufwirtschaft

Wie kann das Problem des zu hohen Ressourcenverbrauchs gelöst werden? Dazu sind wir alle gefordert; mit unserem Konsumverhalten und unserem Lebensstil. Ein weiterer Ansatz ist, die heutige Wegwerfwirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft umzubauen, wie es die kürzlich eingereichte Volksinitiative für eine Grüne Wirtschaft verlangt.

Wie funktioniert eine Kreislaufwirtschaft?

  • «Industrielle Ökologie»
    Ressourcen sollen möglichst effizient eingesetzt werden. Dazu braucht es moderne Technologien, sowie die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen. Wie beispielsweise im Industriegebiet Kalunborg in Dänemark: Eine Raffinerie, ein Kraftwerk, eine Gipsplattenfabrik und die Gemeindeverwaltung arbeiten zusammen, um ihre Ressourcen effizient einzusetzen: Dasselbe Wasser wird von den verschiedenen Unternehmen zum Heizen, Kühlen oder Spülen verwendet. In der Raffinerie entsteht Gas als Abfallprodukt, welches von der Gipsplattenfabrik zur Trocknung des Gipses genutzt wird. Die Abwärme des Kraftwerks wird für die Heizung der Häuser in Kalunborg genutzt, sowie in einem Aquakulturbetrieb, welcher am Kraftwerk angeschlossen ist. Diese Synergienutzung wird als industrielle Oekologie bezeichnet (bisher v.a. französisch gebräuchlich: écologie industrielle).
  • Cradle to Cradle®
    Nicht von der Wiege bis zur Bahre, sondern wieder zurück zur Wiege ist die Idee des «Cradle to Cradle® Prinzips», welches von Prof Michael Braungart und seiner EPEA (Environmental Protection Encouragement Agency) vertreten wird. Dieses Prinzip definiert und entwickelt kreislauffähige Produkte. Produkte die entweder vollständig biologisch abbaubar sind (biologischer Kreislauf) oder wiederverwendbar (technischer Kreislauf) (siehe Graphik).

Wirtschaften für die Zukunft

Viele Unternehmen haben erkannt, dass sich «grünes Wirtschaften» lohnt. Wir müssen davon ausgehen, dass die meisten Rohstoffe knapper und somit teurer werden. Also bezahlt sich ein effizienter Umgang damit je länger je mehr. Wer heute in Ressourceneffizienz investiert, wird morgen gewinnen.

Nicht von der Wiege bis zur Bahre, sondern wieder zurück zur Wiege ist die Idee des «Cradle to Cradle® Prinzips». Dieses wurde implementiert von der EPEA Switzerland GmbH. Grafik: EPEA

Zum Autor

Gastautor Alec von Graffenried ist Nationalrat der Grünen und Direktor für Immobilienentwicklung bei der Firma Losinger Marazzi.





Kommentare (6) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

In einer vollen Kreislaufwirtschaft sind (Zitat)„die Abholzung der Wälder, die Wasserknappheit und das Verschwinden von Pflanzen- und Tierarten“ keine Probleme mehr, weil nichts wirklich verbraucht, sondern alles benötigte rezykliert wird.

In der prähistorischen Zeit gab es schon eine Kreislaufwirtschaft und alle Rohstoffe waren nachwachsend oder im Überfluss vorhanden. Rohstoffe wie Holz, Tierhäute, Wasser, Stein. Als Jäger und Sammler benötigte der Mensch jedoch im Verhältnis zu heute riesige Landlfächen um ein Auskommen zu finden. Auch die nachfolgende Zeit der Agrikultur war immer noch eine Kreislaufwirtschaft, ermöglichte aber ein starkes Anwachsen der Bevölkerung, denn jetzt züchtete der Mensch Pflanzen und Tiere zum Hauptzweck der eigenen Ernährung.
Erst der zunehmende Abbau fossiler, und damit endlicher Rohstoffe ermöglichte aber das geradezu explosive Bevölkerungswachstum der letzten 200 Jahre. Jetzt ist der Kreislauf nicht mehr geschlossen. Er muss aber irgendwann wieder geschlossen werden, sonst droht der Industriezivilisation der unvermeidliche Untergang sobald die Rohstoffe knapp werden.

Wir sind momentan noch viele Jahrzehnte von einer völligen Kreislaufwirtschaft entfernt. Was heute Kreislaufwirtschaft bedeutet erkennt man, wenn man nach Deutschland schaut, welches bereits ein Kreislaufwirtschaftsgesetz kennt. In der Wikipedia liest man dazu: „Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) ist das zentrale Bundesgesetz des deutschen Abfallrechts. Es regelt grundlegend den Umgang mit sowie die Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen und die damit gekoppelte Förderung der Kreislaufwirtschaft.“

Kreislaufwirtschaft ist heute also Abfallbewirtschaftung. Das macht als ersten Schritt Sinn: Abfälle als Rohstoff betrachten und Abwasser so aufbereiten, dass es wieder als Trinkwasser genutzt werden kann. Es braucht aber mehr.

Das tönt wunderbar ist aber in unserer von der Finanzwirtschaft kontrollierten Gesellschaft nicht umsetzbar. Für die Profithungrigen gibt es nur ein Ziel: WACHSDUMM.

Sehr geehrter Herr Graffenried,
der ökologische Fussabdruck ist nicht sehr aussagekräftig, wenn es darum geht die langfristige Nachhaltigkeit des Wirtschaftens zu beurteilen, denn eine Aussage wie (Zitat)„nach Berechnungen ist der ökologische Fussabdruck der Schweiz drei Mal zu gross.“ tönt für mich eher beruhigend, bedeutet sie doch, dass die Schweiz 3 Mal mehr Ressourcen verbraucht als auf ihrer Fläche „nachwächst“. Ihre Interpretation „Das heisst, wenn alle so leben würden wie wir, wären drei Planeten notwendig“ ist dagegen falsch. Sie würde nur stimmen, wenn alle Länder eine ähnlich hohe Bevölkerungsdichte wie die Schweiz hätten. Dass die Schweiz einen nur 3 Mal höheren Ressourcenverbrauch hat, als ihre Landfläche hergibt, würde bedeuten, dass die Welt als Ganzes immer noch einen Fussabdruck um 1 herum hat, was vielen sogar als Ziel erscheint. Diese Schlussfolgerung ist jedoch irreführend wie folgendes Gedankenexperiment zeigt: Nehmen wir an, in 30 Jahren würden die Phosphatvorräte knapp werden oder in 10 Jahren würde die Erdölförderung Jahr für Jahr um 3% zurückgehen. Das hätte katastrophale Auswirkungen und würde wahrscheinlich vielen Millionen Menschen das Leben kosten – und sie würden sogar dann sterben, wenn ihr Fussabdruck nur gerade 1 wäre.
Ganz anders steht es um die Zielsetzung eine Kreislaufwirtschaft aufzubauen. Kreislaufwirtschaft bedeutet in letzter Konsequenz: Material-Input = Material-Output. Alles wird zu 100% wiederverwertet, nur gerade die Energie muss immer wieder neu nachgeliefert werden, was die Sonne ja für uns tut. Nur mit einem solch geschlossenen Kreislauf kann die Menschheit tausende von Jahren unbesorgt auf diesem Planeten leben. Dann gibt es auch keine Phosphor- oder Ölknappheit. Schlicht und einfach weil wir allen Phosphor wiederverwenden und auf endliche Ressourcen wie Öl entweder verzichten oder sie künstlich mit Energieeinsatz wieder neu synthetisieren. Denken sie doch einmal darüber nach.

Langfristig führt kein Weg an der Kreislaufwirtschaft vorbei, doch heute sind wir so weit davon entfernt wie vom Fusionsreaktor oder vom Quantencomputer. Kreislaufwirtschaft ergibt sich zwangsläufig, wenn man alles was man zum Leben braucht aus einem begrenzten Raum kommt. Doch: Ein Leben im Einmachglas gibt es zwar, aber es weit von unserem expansiven Leben entfernt.
Verkürzt auf ein paar Schlagworte heisst Kreislaufwirtschaft: „Waste is Food, Diversity is strength, Energy must come from renewable sources, Systems thinking“
Deutschland und China sind die Länder, die sich dieses Ziel auf die Fahnen geschriebn haben, oder wohl besser, die sich schon einmal damit beschäftigt haben, aber wohl auch erkannt haben, dass sie noch weit davon entfernt sind.
Bi Jun, ein Forscher der Nanjing Universität erkennt folgende Probleme in China:
– Die grossen Erwartungen der Zentralregierung finden keine Entsprechung im Wissen und der Erfahrung der lokalen Offiziellen und der Bevölkerung
– Die Top-Down Herangehensweise im Stil einer geplanten Ökonomie ist problematisch
– Die Leitlinien, wie die Kreislaufwirtschaft umgesetzt werden soll sind unklar oder fehlen
– Es fehlt eine breitere Sicht
– Marktlösungen sind nicht ingegriert.

In bestimmten Bereichen zeichnet sich aber sogar in der Schweiz eine Kreislaufwirtschaft ab. So sollen die wichtigsten Wasserabreinigungsanlagen in den nächsten Jahren so aufgerüstet werden, dass sie auch Mikroverunreinigungen (Hormone etc.) eliminieren. Dann könnte man Abwasser sogar trinken.
Das wäre echter Kreislauf oder eben : Waste is Food

Doch trotz einzelener Erfolge kann man mit Sicherheit sagen: Kreislaufwirtschaft wird uns sicher noch viele Jahrzehnte beschäftigen.

Herr Graffenried,

Wie waere es mal mit einem Grundkurs in der Physik,
Erinnern sie sich an den 2. Hauptsatz der Thermodynamik?

Auch beim Footprint Konzept haben die Autoren leider
„vergessen“ wie man nicht erneuerbare (Energie) Ressourcen
zaehlen koennte. Real waere der Schweizer Footprint dann
nicht 3 Erden sondern eher 30!
(die Antwort von Wackernagel darauf.. in etwa:
„wir zaehlen Oel etc nicht weil es nicht erneuerbar ist..“

und weiter: aber (Energie) Holz wird gezaehlt..
Man kann also wenn man will das „Holz“ Aequivalent unseres
Oelverbrauchs rechnen.. das Resultat ist so erschreckend
dass Wackernagel et al es lieber ignorieren.

„Climate change is not the problem“? Das spezifische Problem mit dem Climate Change ist, dass das Zeitfenster für die Einhaltung der 2 Grad Grenze quantifizierbar und extrem knapp ist: http://blogs.ethz.ch/klimablog/2011/11/29/funf-vor-zwolf-fur-das-2-grad-klimaziel/
Ein weiteres Problem ist, dass eine weitere ungebremste Erwärmung andere Probleme wie z.B. die Nahrungsmittelproduktion oder die Migrationsbewegungen drastisch verschärfen würde.
Die Konzepte einer „industriellen Ökologie“ sind trotzdem sinnvoll und nötig. Die verschiedenen Handlungserfordernisse sollten jedoch nicht gegeneinander ausgespielt, sondern wo möglich kombiniert werden – ein niedrigerer Resourcenverbrauch ist ja auch entscheidend für die Reduktion der CO2 Emissionen.

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