Ein neues arktisches Klima?
25.09.2012 von
3.41 Millionen Quadratkilometer – so klein ist derzeit die Meereisfläche in der Arktis. Dieser herbstliche Tiefststand ist nur noch halb so gross wie im Mittel zwischen 1979 und 2000 und 18 Prozent kleiner als das bisher beobachtete Minimum im 2007. Die schwindende Meereisdecke hat eine verstärkte Erwärmung in der Arktis zur Folge und beeinflusst den atmosphärischen Wasserhaushalt. Weitere Folgen auf das zukünftige Klima in der Arktis und Auswirkungen auf die mittleren Breiten sind aber erst ansatzweise verstanden.
Der Sommer 2012
Über die Hintergründe des neuen Meereisrekords wurde bereits viel geschrieben. So war der Sommer 2012 nicht nur in der Schweiz und in Nordamerika warm, sondern auch in der Arktis, besonders auf dem kanadischen Archipel. Dazu kam ein aussergewöhnlich starker Sturm, „Great Arctic Cyclone“ genannt, der in der ersten Augusthälfte über die Arktis zog. Er wühlte die Eisbedeckung auf und trug zu rascherem Schmelzen des Meereises bei.
Ausreisser oder Trend?
Trotz dieser Besonderheit ist der Sommer 2012 kein Ausreisser, sondern fügt sich in eine Serie warmer Sommer. Ein Vergleich der letzten sieben Sommer mit den ersten sieben Sommer seit Beginn der Satellitenmessungen zeigt, dass sich die Atmosphäre über der Arktis seit den 1980er Jahren stark erwärmt hat (siehe Abbildung). Wärmer geworden ist es vor allem in Bodennähe und in Regionen, in denen das Meereis in den Sommermonaten der letzten Jahre vermehrt ganz wegschmolz. Das zeigt die Rückkopplungsvorgänge zwischen Temperatur und dem schwindenden Meereis deutlich auf. Der Wind spielte ebenfalls eine wichtige Rolle, nicht nur im 2012 sondern auch für die Meereisabnahme der letzten Jahre1.
Folgen des Meereisrückgangs
Aber was bedeutet dies für das zukünftige Klima der Arktis? Die stärkere Erwärmung in den bodennahen Luftschichten führt zu einer instabileren Atmosphäre. Gleichzeitig ist auch der Wasserdampfgehalt deutlich höher. Denn einerseits liefern die riesigen eisfreien Flächen des Ozeans Feuchte. Andererseits hat auch der Transport von Feuchte aus den mittleren Breiten nach Norden stark zugenommen2. Mehr Feuchte in der Luft bedeutet, dass mehr Energie vorhanden ist. Dies zusammen mit der instabileren Atmosphäre könnte die Entwicklung von Stürmen fördern.
Der höhere Wasserdampfgehalt wirkt sich auch aus auf Bewölkung, Niederschläge, Bodenfeuchte und Abfluss der angrenzenden Landregionen. Aufgrund von mehr Niederschlägen hat z.B. die herbstliche Schneebedeckung in Sibirien zugenommen. Wird sich dieser Trend fortsetzen? Wird es aufgrund all der Veränderungen bald ein neues arktisches Klima geben? Und was für Auswirkungen wird dies haben auf das Klima der Mittleren Breiten? Die Folgen des Meereisrückgangs können erst ansatzweise abgeschätzt werden.
Stürme im Fokus
Dies soll sich ändern mithilfe des jetzt startenden europäischen Forschungsprojekts «Arctic Climate Processes Linked through the Circulation of the Atmosphere». In Zusammenarbeit mit anderen Gruppen wollen wir frühere und heutige Energie- und Wasserdampfflüsse in die Arktis besser quantifiziert. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Rolle von Stürmen. Hier könnte der Schlüssel zum bessern Verständnis des zukünftigen Arktischen Klimas liegen.

Abbildung: Profile der Temperatur (rot) und des Wasserdampfs (blau) in der Arktis (nördlich von 60°N) gemittelt über die Monate April bis September. Gestrichelte Linien: Mittelwerte 1979 bis 1985; durchgezogene Linien: Mittelwerte 2006 bis 2012.
Literaturhinweis
1 Dorn et al. (2012), The Cryosphere: Limitations of a coupled regional climate model in the reproduction of the observed Arctic sea-ice retreat
2Xiangdong et al. (2012), Nature Climate Change: Enhanced poleward moisture transport and amplified northern high-latitude wetting trend
Zum AutorStefan Brönnimann ist Professor für Klimatologie am Oeschger Zentrum für Klimaforschung und am Geographischen Institut der Universität Bern. Persönliches Zitat und Biografie.
Kommentare (9) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen
„Nur durch veraenderte Stroemung zustandekam, diese Moeglichkeit wird natuerlich nicht in Erwaegung gezogen, da nicht opportun“
doch, wir in Erwaegung gezogen..
welche Daten sprechen dafür?
Solange der Golfstrom nicht staerker geworden ist..
kann man diese Idee zu den Akten legen..
(mit anderen Worten .. der Schnee von gestern!)
Dass die Eisabnahme evtl. Nur durch veraenderte Stroemung zustandekam, diese Moeglichkeit wird natuerlich nicht in Erwaegung gezogen, da nicht opportun
Herr Buehler,
erst lesen und nachdenken dann schreiben!
(und ja was ist mit deiner Vorhersage des cooling in der Arktis..
ich erinnere mich an deine Beobachtung ..
http://nsidc.org/data/seaice_index/images/daily_images/N_stddev_timeseries.png
Zu Beginn der Schmelze in 2012 gab es 10% mehr Eis als
in 2007.. daraus hast du brilliant geschlossen dass es jetzt kalt wird!.. Bravo fuer das Eigentor! )
Aber zurueck zum Thema Antarktis ..
alles in der Diskussion zum Beispiel hier:
(leider nicht von ETH Klimawissenschaftlern.. )
http://climateandenergynews.zparking.net/?p=640
und
der link
http://www.skepticalscience.com/antarctica-gaining-ice-intermediate.htm
und gleich noch etwas mehr an beeindruckenden Daten
@ Dittmar & Holzherr
„Modelle“
Die Zunahme der antarktischen Eisbedeckung (in Masse und Fläche) bilden die Modelle auch nicht ab. Im Norden selbstverständlich und zweifelsfrei AGW-Wirkung und im Süden – Schweigen?
Tolle Hypothese, passt irgendwie immer: mehr Kälte/weniger Kälte, mehr Hitze/weniger Hitze, mehr Eis/weniger Eis, mehr oder weniger Niederschläge – alles AGW?!
Der „Fluch der eigenen Unbedachtheit“ oder ganz einfach „arktisches Klima“ in den Köpfen?
Sehr geehrter Herr Professor Broennimann,
Das schnelle Abschmelzen des arktischen, schwimmenden Sommereises wurde von den Klimamodellen nicht vorausgesagt und die weitere Klima-Zukunft nach Etablierung eines meereisfreien arktischen Sommers wird wohl ebenfalls nicht richtig in den Klimamodellen abgebildet. Es könnten sich Szenarien abspielen, an die kaum jemand gedacht hat, zum Beispiel durch die zu erwartenden zunehmenden Niederschläge über der Arktis. Sie schreiben:
„Aber was bedeutet dies für das zukünftige Klima der Arktis? … Gleichzeitig ist auch der Wasserdampfgehalt deutlich höher. Denn einerseits liefern die riesigen eisfreien Flächen des Ozeans Feuchte. Andererseits hat auch der Transport von Feuchte aus den mittleren Breiten nach Norden stark zugenommen. …
Der höhere Wasserdampfgehalt wirkt sich auch aus auf Bewölkung, Niederschläge, Bodenfeuchte und Abfluss der angrenzenden Landregionen. Aufgrund von mehr Niederschlägen hat z.B. die herbstliche Schneebedeckung in Sibirien zugenommen. Wird sich dieser Trend fortsetzen?“
Sollten die Niederschläge in der Arktis nun stark zunehmen – die Voraussetzungen dafür scheinen gegegen – könnte der grönländische Eispanzer gar wieder wachsen – dann nämlich, wenn Die erhöhte Luft-Feuchtigkeit in Form von intensiven Schneefällen auf den grönländischen Eisschild niedergeht. Im Extremfall würde soviel zusätzlicher Schnee auf den arktischen Eisschildern niedergehen, dass der Meeresspiegel gar zu sinken beginnt.
Wir scheinen einer spannenden Zukunft entgegenzugehen. Im alten China verwünschte und verfluchte man seine Feinde mit dem Spruch: „Mögest du in interessanten Zeiten leben.“
Die Arktisschmelze haben wir uns allerdings selber eingebrockt und die interessanten Zeiten, die uns winken, sind eine Fluch unserer eigenen Unbedachtheit.
Wo habe ich das „sachliche“ bestritten Herr „Denial Buehler“?
(bitte in Zukunft richtig zitieren). Ich habe nur angemerkt dass
etwas wichtiges fehlt:
aber weil das versagen der Modelle (seit mindestens 10 Jahren)
so eindrucksvoll ist (passt natuerlich nicht in die Welt des P. B.)
hier als Plot: Figure 3
http://climateandenergynews.zparking.net/?p=632
sowie was Reuters dazu schreibt:
http://in.reuters.com/article/2012/09/19/arctic-ice-idINL1E8KJB5F20120919
Sehr geehrter Herr Professor Broennimann,
Die Klimaforscherin Jennifer Francis erwartet jedenfalls ein neues Klima, verursacht durch die arktische Sommereisschmelze, sagt sie doch:
„Die Frage ist nicht, ob der Verlust des Meereises die globale Zirkulation beeinflusst, sondern: wie könnte er nicht?“
Der vollkommene Verlust des arktischen Sommereises bedeutet, dass einer der Kipppunkte überschritten wurde, die man schon früh antizipiert hat und deren Überschreiten das Klima grossräumig und in kurzer Zeit stark verändern kann, wobei typischerweise die Klimaerwärmung weiter verstärkt wird – was im Falle der Arktis sicherich zutrifft, wird doch viel mehr Sonnenenergie ins Erdsystem eingeschleust.
Als Reaktion auf die zunehmende antarktische Eisschmelze liest man jetzt auch wieder viel über Geoengineering.
Bei den zu erwartenden Wetter-/Klimaphänomen wird über zu erwartende kalte Winter in Europa oder auch nur über Kälteeinbrüche berichtet. Ferner soll auch der Jet-Stream mehr Blockierungsphänome zeigen, was dann zu langanhaltenden Trockenheits- oder Flutphasen führen kann wie zuletzt in Russland und Pakistan.
Über die Zunahme von Stürmen infolge der arktischen Sommereisschmelze wurde hingegen noch nicht viel berichtet. Sie schreiben: “ Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Rolle von Stürmen. Hier könnte der Schlüssel zum bessern Verständnis des zukünftigen Arktischen Klimas liegen“.
Das wäre für uns hier in Europa vor allem von Bedeutung, wenn die zukünftigen Stürme nicht auf die Arktis beschränkt wären, sondern sich hier häufiger entwickeln würden aufgrund der sich verändernden arktischen Verhältnisse.
@ Prof. Brönnimann
Im Unterschied zu M. Dittmar finde ich Ihren Beitrag ausgesprochen sachlich und bestimmt von wissenschaftlichen Fragestellungen.
Dass Sie dabei auch den ungewöhnlich starken Wirbelsturm erwähnen, der im August weite Eisflächen zerstört und verfrachtet hat, trägt zur Objektivität Ihres Posts bei, werden doch in den Medien natürliche (Mit)Faktoren meist unterschlagen.
Dass die arktische Eisbedeckung innerhalb des Zeitraums der Satellitenmessungen einen negativen Trend zeigt, ist unbestritten. Bleibt die Suche nach den Ursachen. Auch hier spielen natürliche Faktoren eine Rolle, die in ihrer Gesamtheit und ihren Wechselwirkungen zu verstehen eine Beantwortung der Frage nach einem evtl. menschlichen Einfluss und dessen Bedeutung erst ermöglichen wird …
http://www.nature.com/ngeo/journal/vaop/ncurrent/full/ngeo1589.html
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0921818111001457
Sehr geehrter Herr Broennimann,
„Trotz dieser Besonderheit ist der Sommer 2012 kein Ausreisser“
Genau, und wie schon seit langem beobachten wir ein Versagen
der Modelle die der IPCC als Grundlage fuer
„viel reden und nichts machen“ nimmt.
Dort wo wir heute sind sollten wir eigentlich erst in rund 30 Jahren
sein.
Waere es in ihrem Beitrag nicht sinnvoll und in der wissenschaftlichen Verantwortung auf diese Tatsache
und deren Konsequenzen hinzuweisen?
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