Erfolgreiche Forschung: Brasilien will die Welt ernähren
06.07.2012 von
Brasilien ist zu einem führenden Weltmarktlieferanten für Agrarprodukte geworden. Während China derzeit bereits Lebensmittel importieren muss, schickt die grösste südamerikanische Nation in grossen Mengen Soja, Zucker, Kaffee, Mais und Fleisch in viele Teile der Erde. So kommt beispielsweise in Singapur mehr als die Hälfte der verkauften Poulets aus Brasilien.
In den letzten 10 Jahren hat das aufstrebende Land, bekannt für Fussball und Samba, die landwirtschaftliche Produktion um durchschnittlich jährlich fünf Prozent steigern können. Das ist die höchste Wachstumsrate unter den Agrarweltmächten.
Brasilien will künftig zu einem der wichtigsten Ernährer der Welt werden; zu dieser Gruppe werden auch afrikanische Staaten zählen. Die Voraussetzungen sind vorhanden: Der Bundesstaat hat eine überaus reiche Biodiversität und ein immenses Potenzial an zusätzlich nutzbarer Landfläche, beispielsweise brachliegende Savannengebiete. Die Prognosen lauten denn, dass Brasilien bis in 20 Jahren gegen 40 Prozent der Erdenbürger ernähren könnte. Dies soll ohne Abholzung des Regenwaldes erreicht werden, sondern durch effizientere und verbesserte Agrartechnologien und der damit verbundenen intensiveren Produktion, dem Einsatz von Gentechnologie sowie der Erschliessung weiterer landwirtschaftlicher Flächen.
Auch die geplante Steigerung der Ethanolproduktion mit Zuckerrohr für Biotreibstoffe soll nicht auf Kosten des Urwalds und der Nahrungsmittelproduktion gehen, das Argument «Tank statt Teller» gilt da also nicht. Die Ernten werden zunehmend mechanisiert und Brasiliens Zuckerrohr-Plantagen liegen weit vom Amazonas-Regenwald entfernt. Zudem setzt man grosse Hoffnungen auf das Ethanol zweiter Generation aus Zellulose. Aktuell werden Verfahren entwickelt, mit denen sich der Biotreibstoff aus Pflanzenresten, Stroh oder sogar geschredderten Altpneus wirtschaftlich und mit deutlich positiver Umweltbilanz gewinnen lässt. Ein solche Technologie vermarktet auch das ETH-Spin-off Sunbiotec. (www.sunbiotec.ch)
Beste Adresse für tropische Agrarwissenschaft
Den rasanten Fortschritt hin zu einer Spitzenposition im globalen Agrargeschäft verdankt Brasilien hauptsächlich Embrapa. Das staatliche Forschungsinstitut mit Hauptsitz in Brasilia wurde 1973 unter der Militärregierung gegründet und ist weltweit wohl die beste wissenschaftliche Adresse für tropische Landwirtschaft. Embrapa umfasst 47 Forschungszentren, die übers ganze Land, aber auch im Ausland verteilt sind (vor allem in Afrika). Von den 9‘000 Mitarbeitenden sind 2‘400 Forscherinnen und Forscher. Sie entwickeln im staatlichen Auftrag Technologien, welche die Produktionskosten senken und gleichzeitig die Nahrungsmittelproduktion erhöhen. Zudem sollen damit Ressourcen und Umwelt nachhaltig geschont werden.
Eine grosse Herausforderung ist das Züchten von Pflanzen, die auch in übersäuerten und ausgedörrten Böden gedeihen und überleben können. Solche Verhältnisse findet man in den ausgedehnten Savannen Zentralbrasiliens, dem sogenannten Cerrado. Dabei kommt auch die Grüne Gentechnik zum Einsatz, zum Beispiel bei Sojasorten, die gegen verbreitete Herbizide resistent sind und so keinen Schaden nehmen. Embrapa ist offen für Partnerschaften mit Forschungsinstitutionen in andern Ländern, daher hat letzte Woche ETH-Präsident Ralph Eichler am 27. Juni das Hauptquartier in der brasilianischen Hauptstadt besucht. Mit einem Workshop, geplant im nächsten halben Jahr, will man mögliche gemeinsame Forschungsprojekte ermitteln und genauer definieren.
Embrapa betreibt vor allem angewandte Forschung, daher könnte die ETH Zürich mit ihrem systemorientierten Ansatz eine gute Ergänzung bieten. Am neu geschaffenen ETH-Zentrum für Welternährungssysteme (World Food Systems Center) sind zahlreiche fachübergreifende Kompetenzen vereint. Mit diesen gebündelten Fachkräften liesse sich beispielsweise prüfen, ob die in Brasilien entwickelten Agrartechnologien auch effektiv umweltschonend und nachhaltig sind und welche Verbesserungen anzubringen wären.

Optimierung der Ernten durch Forschung: Plantage mit Bananen, Kaffee und Passionsfrüchten im Bundesstaat Rio de Janeiro. (Foto: Embrapa)

Embrapa erforscht in den Trockengebieten des Cerrado die Fruchtbarkeit von Mais, Soja und andern Pflanzen. (Foto: Embrapa)

Agroenergie-Zentrum des brasilianischen Forschungsinstituts Embrapa in Brasilia. (Foto: Embrapa)
Beat Gerber ist Referent für Öffentlichkeitsbelange des Präsidenten der ETH Zürich.
LesetippDie Favelas als Forschungsobjekte: Stadtplaner und Architekten der ETH Zürich entwickeln für brasilianische Slums Gebäudetypen und Technologien, die eine nachhaltige Siedlungsentwicklung ermöglichen. Sie tun dies zusammen mit der Bevölkerung und den lokalen Behörden. Weitere Informationen im ETH-Life-Artikel «Forschung im urbanen Grosslabor»
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noch etwas zum Thema und was mehr als Milliarden Euro etc zaehlt .. und was fuer uns alle an der ETH gilt:
http://www.umwelt.ethz.ch/about
Umweltleitbild der ETH Zürich
Die ETH Zürich bekennt sich in einem umfassenden und nachhaltigen Sinn zu einer integralen Verantwortung gegenüber der Umwelt. Sie strebt dabei innerhalb der Hochschule in Lehre und Forschung eine weltweite Spitzenrolle an. Ihre Leistungen erbringt sie auf allen Gebieten möglichst ressourcen- und umweltschonend.
Zweck
Dieses Bekenntnis bildet den Rahmen der Umweltstrategie der ETH Zürich. Sie legt jährlich umweltbezogene Zielsetzungen und Massnahmen fest, die dazu dienen, die Leistungen zugunsten der Umwelt laufend zu optimieren. Den Prinzipien des Programms RUMBA (Ressourcen- und Umweltmanagement in der Bundesverwaltung) wird Rechnung getragen.
Umsetzung
Die wirtschaftliche, ökologische und soziale Verantwortung ist in der Schulleitung verankert. Sie ist für die aktive Umsetzung der Umweltstrategie verantwortlich und stellt die nötigen Mittel zur Verfügung.
• Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter verhält sich umweltgerecht.
• Wir bauen in Lehre und Forschung Kompetenz in Ökologiefragen auf.
• Wir bestimmen periodisch unsere Umweltleistung und dokumentieren sie.
• Wir kommunizieren regelmässig unsere Umweltleistung offen und sachlich nach innen und aussen.
• Wir kennen die massgeblichen Umweltvorschriften und halten sie ein.
• Wir beziehen Umweltaspekte bei Lieferanten und Partnern in die Entscheidungsgrundlagen mit ein
Das brasilianische Agrobusiness ist der am schnellsten wachsende Sektor in Brasilien: 27% des BIP, 37% der Exporte – und ausbaufähig. Es gibt Prognosen von 40% Wachstum in den nächsten 10 Jahren.
Herr Gerber schreibt:
„Brasilien will künftig zu einem der wichtigsten Ernährer der Welt werden; zu dieser Gruppe werden auch afrikanische Staaten zählen. „
Und Brasilien investiert tatsächlich in Afrika, exportiert sein landwirtschaftliches Entwicklungsmodell oder/und sucht nach Landreserven auch in Afrika:
“
Brazil’s booming agribusiness may have found greener pastures. The government of Mozambique has offered a 50 year concession to Brazilian farmers to plant soy, corn and cotton in the northern part of the impoverished African nation.
This follows Mozambique’s launch last year of a $13.4 million program called PROSAVANA, in conjunction with Brazil’s agricultural research group Embrapa and the Japanese government, which is meant to promote industrial farming for export together with small family farming.“
Es gibt viele Berichte, die bestätigen, was Herr Gerber schreibt: Es wäre theretisch möglich, die brasilianische Landwirtschaft noch stark auszubauen ohne Urwald zu fällen.
Doch in der Realität passiert alles miteinander. Es wird auf bestehendem Land intensiver angebaut und es werden Wälder gefällt. Die Brasilianer scheinen eben Geschäftsleute zu sein wie andere auch: Jede Gelegenheit wird genutzt – legal oder illegal (ist eh egal).
Brasiliens rasante Entwicklung gerade im Agrarsektor ist einerseits ein Hoffnungsschimmer für die tropische Landwirtschaft (sogar mehr), andererseits wird dieses Geschäftsmodell wohl auch viel Landnahme bedeuten und die natürliche Umwelt stark verändern.
Hallo Tim,
das lag mir auf der Zunge. Hatte aber noch keine Zeit
zum Antworten.
in dem Zusammenhang:
http://amazonwatch.org/work/belo-monte-dam
und will sich die ETH moralisch wirklich bei der Ausrottung der Awa beteiligen und gleichzeitig „Nachhaltigkeit“ als Parole haben?
http://www.survivalinternational.org/
„Dies soll ohne Abholzung des Regenwaldes erreicht werden“
Und wers glaubt wird seelig.
Die Abholzung von Cerrado und Amazonas schreitet nach wie rasant fort. Gerade die Cerrado-Wälder sind massiv bedroht und bereits zu mehr als 50% verschwunden. Der Grossteil dieses Ökosystems befindet sich auf Privatgrund und die Umwandlung in extensive Weidegründe wird kaum kontrolliert.
Die Erhöhung der Produktivität führt bei gleichzeitig ungebremst steigender Nachfrage leider nicht zu weniger Abholzung – eher zu mehr, da es sich noch mehr lohnt Waldflächen in Felder und Weiden umzuwandeln.
Jegliche Förderung der Agrarintensivierung sollte daher unbedingt an direkten, überwachten Waldschutz auf Farm-Ebene geknüpft sein und im Fall von Abholzung entgegen den Abmachungen mit Sanktionen verfolgt werden.
In der Zusammenarbeit mit dem Brasilianischen Agrarsektor ist höchste Vorsicht geboten und ich hoffe sehr das die ETH die entsprechenden internen Experten zu rate ziehen wird.
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