ETH-Klimablog - Klimaforschung - Fünf vor zwölf für das 2-Grad-Klimaziel?

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Fünf vor zwölf für das 2-Grad-Klimaziel?

29.11.2011 von

Über das erklärte Klimaziel von maximal 2°C globaler Erwärmung lässt sich streiten. Aber die internationale Gemeinschaft hat es festgesetzt – und so ergeben sich daraus eine ganze Reihe von Folgerungen, von denen viele rein physikalischer und biogeochemischer Natur sind. Zusammen mit technologischen Einschränkungen, der Minimierung von Kosten und einer Prise Fairness ergibt sich deshalb nur eine kleine Zahl möglicher Szenarien zur CO₂-Reduktion, mit denen sich das 2°C-Ziel erreichen lässt.

Die «Budget-Idee»

Aufgrund der langen Aufenthaltszeit von CO₂ in der Luft hat jede emittierte Tonne, egal wo und wann sie ausgestossen wird, etwa die gleiche Erwärmung zur Folge. Somit steht uns für das Erreichen des 2°C-Ziels ein beschränktes Budget von etwas mehr als 1000 Milliarden Tonnen CO₂ zur Verfügung. Dieses müssen wir über die Zeit «verwalten» (Abschätzung am Schluss des Beitrags). Rund die Hälfte dieses CO₂-Budgets haben wir bereits verbraucht.

Wir können früh anfangen und langsamer reduzieren, oder zuwarten und später viel schneller reduzieren. Da sich neue Technologien nicht beliebig schnell entwickeln und in grosser Menge in die Praxis umsetzen lassen, sind CO₂-Reduktionen von mehr als 3.5% pro Jahr nur sehr schwierig und teuer zu erreichen. Zum Beispiel wird jährlich nur etwa 1% der Häuser renoviert und ein Kraftwerk hat eine Lebensdauer von 30 und mehr Jahren. Unter Berücksichtigung solcher Faktoren kommt man mit Klima- und Ökonomiemodellen auf das in der Figur 1 gezeigte blaue Band von Szenarien, mit denen sich das 2°C-Ziel erreichen liesse. Bei diesen Szenarien müssten die CO₂-Emissionen bis etwa 2015 ihren Höhepunkt überschritten haben und schon bis 2020 deutlich unter die heutigen Werte sinken. Ohne Intervention werden wir dieses Ziel jedoch deutlich verfehlen, wie in der Grafik an den rot dargestellten «Szenarien ohne Klimaschutz» ersichtlich wird.

Figur 1: Historische und zukünftige CO₂ Emissionen für Szenarien ohne Intervention und 2°C kompatible Szenarien.

Wird das 2°C-Ziel also unmöglich zu erreichen, wenn wir mit Massnahmen zur CO₂-Reduzierung noch 10 Jahre zuwarten, so wie es einige Staaten nun fordern? Vielleicht nicht ganz, aber die Massnahmen werden wesentlich teurer werden. Warten wir noch 20 Jahre mit Interventionen, wird die Erreichung des 2°C-Ziels wahrscheinlich unmöglich, weil sich Technologie und Infrastruktur nicht schnell genug ersetzen lassen.

Faire Aufteilung der CO₂-Reduktionen gesucht

Die für das 2°C-Ziel notwendigen Emissionsreduktionen in der Schweiz können nicht wissenschaftlich bestimmt werden. Das CO₂-Budget lässt sich nur global berechnen. Es geht deshalb nun um eine faire Lastenverteilung. Die Schwierigkeit dabei ist, dass verschiedene Länder unterschiedliche Vorstellungen von «fair» haben. In den Klimaverhandlungen spricht man von einer «gemeinsamen aber differenzierten Verantwortung». Entwicklungs- und Schwellenländer beispielsweise machen gerne eine historische Verantwortung geltend, bei der zuerst der Westen handeln muss. «Jeder ab heute gleich viel» wäre hingegen eine Interpretation von «fair», bei der die Altlasten nicht massgebend sind (mehr dazu im Blogbeitrag von Prof. Thomas Bernauer >hier). Über Fairness kann man streiten – und dies wird man am UNO-Klimagipfel in Durban auch tun. Aber viele Klima-Szenarien gehen für die westliche Welt von 20-40% CO₂-Reduktionen bis 2020 aus. Die Schweiz hat wie die EU eine Reduktion von 20% bis 2020 beschlossen, mit der Option einer 30%-Reduktion falls andere Staaten auch zu grösseren Zugeständnissen bereit sind.

Sind die Welt und die Schweiz auf Kurs?

Die bis anhin von den Staaten weltweit vorgeschlagenen Emissionsreduktionen bis 2020 decken im besten Fall die Hälfte der nötigen Reduktionen ab, im schlechtesten Fall nur etwa 10%. Die Bandbreite ergibt sich, weil nicht alle Regeln der Buchhaltung klar sind, einige Staaten Effizienzversprechen machen statt CO₂-Reduktionen vorgeben oder Ihre Ziele von den Zielen anderer abhängig machen. So oder so ist die Weltgemeinschaft nicht auf Kurs, wie unsere Arbeiten zur Emissionslücke gezeigt haben (UNEP Reports 2010 und 2011, Rogelj 2011).

Ist die Schweiz denn auf Kurs? Es werde knapp für das Kyoto-Ziel 2008-2012, sagt das BAFU offiziell. Aber machen Sie sich selber ein Bild (Figur 2). Fazit ist, dass die Treibhausgasemissionen seit 1990 (ausgedrückt als linearer Trend) nicht abgenommen haben. Selbst mit dem geplanten Zukauf von Zertifikaten wird es also sehr eng. Das Ziel von 20% bis 2020 scheint Meilen entfernt, und selbst die Erreichung dieses Ziels würde für das 2°C-Ziel nicht ausreichen.

Es wird angesichts der winzigen Fortschritte in den letzten Jahren und Jahrzehnten für die Welt also nicht nur eng, sondern extrem eng. Ich zweifle, ob die Welt dies wirklich erkannt hat.

Figur 2: CO₂-äquivalente Treibhausgasemissionen in der Schweiz seit 1990, mit den Kyoto-Zielen und dem 20%-Ziel für 2020. Zahlen gemäss BAFU.

Zum Autor

Reto Knutti ist Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie

Für Zahlenhungrige: Die CO₂-Budget-Berechnung

Eine Abschätzung des CO₂-Budgets für das 2°C-Ziel lässt sich mit wenig Aufwand machen, sofern man einerseits die transiente Erwärmung und die Erwärmung im Gleichgewicht (Klimasensitivität), und andererseits die Reservoire und Zeitskalen der CO₂ Aufnahme von Ozean und Atmosphäre kennt. Beides basiert auf verschiedensten Beobachtungen und Modellrechnungen.

Bei einem Szenario mit steigender Temperatur beträgt die transiente Erwärmung rund 0.5°C pro Wm-2 Strahlungsantrieb. Für 2°C entspricht das 4 Wm-2, dies wiederum entspricht einer atmosphärischen Konzentration von rund 600 ppm, oder 320 ppm über dem vorindustriellen Wert. 1ppm in der Atmosphäre entspricht 2.1 GtC (Milliarden Tonnen Kohlenstoff), wobei aber nur 45% von den Emissionen im Moment in der Atmosphäre bleiben, bis in hundert Jahren vielleicht 50%. Damit ergibt sich ein Budget von rund 320*2.1/0.5=1344 GtC. Allerdings müssten dann die Emissionen sofort auf null reduziert werden, damit das Budget und die Temperatur nicht überschiessen.

Im Gleichgewicht beträgt die Erwärmung rund 0.8°C pro Wm-2 Strahlungsantrieb, ist also höher als transient. Das ist die sogenannte Klimasensitivität mit der heutigen Stärke der Rückkopplungen. Die CO₂-Konzentration sollte damit bei 450 ppm sein (170 ppm über vorindustriell), aber dafür sinkt der verbleibende Anteil CO₂ in der Atmosphäre pro emittierte Tonne auf etwa 25%, und das Budget beträgt 170*2.1/0.25=1428 GtC. Im Gleichgewicht könnte die Klimasensitivität aber grösser sein und damit das Budget kleiner, falls sich die Rückkopplungen verstärken. Interessanterweise sind die Zahlen in beiden Berechnungen ähnlich, die Erwärmung pro Tonne ist damit immer etwa gleich gross. Das ist die Idee des Budgets, die in den letzten Jahren in vielen Arbeiten aufgezeigt wurde. In wissenschaftlichen Arbeiten werden die Budgets selbstverständlich mit komplexen Modellen berechnet.

Zwei Faktoren reduzieren das Budget. Einerseits sind dies die Beiträge von anderen Gasen (Methan, N2O, CFCs), deren Strahlungsantrieb heute zum Teil durch Aerosole kompensiert wird. Diese Kompensation wird in der Zukunft kleiner, falls die Aerosol-Emissionen sinken. Um andere Gase einzubeziehen werden die Emissionen und Konzentrationen daher in CO₂-äquivalenten Werten ausgedrückt. Andererseits sind alle diese Zahlen beste Schätzungen, das heisst wir hätten mit diesem Budget 50% Wahrscheinlichkeit über 2 Grad zu landen. Um eine vernünftige Wahrscheinlichkeit von 2/3 oder höher zu erreichen, muss das Budget deutlich kleiner sein. All diese Faktoren werden in Klimamodellen berücksichtigt. Diese berechnen den ganzen Emissionsverlauf als Funktion der Zeit, und die Unsicherheit des Budgets. Die Klimaforschung geht heute von einem Budget von rund 1000 GtC aus, um mit mindestens 2/3 Wahrscheinlichkeit unter dem 2°C-Ziel zu bleiben. Die Emissionen bis heute betragen rund 520 GtC.

Literaturhinweis
  • NZZ Artikel >hier
  • Rogelj et al., Nature Climate Change (2011) >hier
  • UNEP Report «The Emissions Gap Report» (2010) >hier
  • UNEP Report «Bridging the Emissions Gap» (2011) >hier

 





Kommentare (16) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

Lieber Herr Knutti,

„Die Modelle müssen diesen nicht unbedingt erklären.“

nein aber die Fehlerabschaetzungen sollten richtig sein.
Es macht eben einen Unterschied of der Meeresspiegel
dank des schneller schmelzenden Eis in Groenland
(sicher eine Konsequenz.. aus dem was man seit Jahren in der Arktis
beobachtet) schneller steigt als die IPCC Modelle sagen.

Rahmsdorf et al haben ja mal verschiedene Modelle publiziert

Has the IPCC underestimated the risk of sea level rise?
http://www.nature.com/climate/2010/1004/full/climate.2010.29.html

entsprechend: der „groesste“ anzunehmende Unfall sollte
die Weisung der Wissenschaftler fuer die Politiker sein.

eben wie beim vermeintlichen 2 Grad Ziel

die wissenschafltiche verantwortliche Message muss sein:
mit 99.9999% oder so aehnlich (nicht mit 65%!)wird die Temperaturerhoehung nicht zur Unbewohnbarkeit von grossen Teilen des Planeten fuehren.

Danach kann ein Politiker oder Waehler entscheiden was
man tun soll.

Lieber Herr Dittmar,

Dass die älteren Modelle (CMIP3) die Abnahme des Meereises unterschätzen ist lange bekannt (Referenzen in den Arbeiten unten). Wir haben dazu eine Studie publiziert, die eine realisitischere Abschätzung macht:
http://www.iac.ethz.ch/people/knuttir/papers/mahlstein12jgr.pdf
siehe Fig. 3

Die neuen Modelle von CMIP5 sind wesentlich konsistenter mit den Beobachtungen. Allerdings sind dazu erst wenige Studien eingereicht, die Modelle sind noch nicht lange verfügbar. Eine Studie ist von Massonnet (http://www.the-cryosphere-discuss.net/6/2931/2012/tcd-6-2931-2012.pdf):
„It is worth noting that the magnitude of the SSIE trend of the multi-model mean for 1979–2006 is considerably higher in the CMIP5 models compared to CMIP3 models (not shown here), suggesting that model improvements/tuning have caused models to have greater sea ice decline in September (see also Stroeve et al., 2012, for a detailed analysis of the CMIP5 model trends in summer Arctic sea ice extent).“

Eine andere von Stroeve (http://www.agu.org/pubs/crossref/pip/2012GL052676.shtml):
„We show here that as a group, simulated trends from the models contributing to CMIP5 are more consistent with observations over the satellite era (1979-2011)“

Beachten Sie aber auch dass die interne Variabilität hoch und die Datenreihe kurz ist. Ein grosser Teil der Abnahme ist sehr wahrscheinlich anthropogen, aber ein Teil könnte auch zufällig sein. Die Modelle müssen diesen nicht unbedingt erklären.

Ach ja hier noch mehr und genauere Daten

http://nsidc.org/arcticseaicenews/

Hallo Herr Knutti et al,

was nun?

http://www.guardian.co.uk/environment/2012/aug/11/arctic-sea-ice-vanishing

(Ihre?) IPCC Modelle schaffen es nicht das Schmelzen der Arktis
und Groenland zu beschreiben. Es geht alles scheinbar viel schneller!

Welche Folgerungen kann man daraus fuer die Modelle ziehen?

(ja klar unsere im Moment recht stillen „CO2″ Denial Freunde
werden Daten als falsch erklaeren.. lassen wir sie beiseite)

Noch was fuer alle Fans des Denial und die Fans der IPCC
Politik Wissenschaftler:

Wenn es sogar die NZZ schreibt:

http://www.nzz.ch/nachrichten/hintergrund/wissenschaft/ein_rekordjahr_fuer_das_wetter_1.13857115.html

Was hat das alles mit Klimawandel zu tun? «Zumindest vom Temperaturverlauf her passt 2011 gut in den Trend der globalen Erwärmung», erklärt Felix Blumer. Seit 1986 war jedes Jahr in der Schweiz wärmer als das langjährige Mittel: «Daran erkennt man den Klimawandel», sagt Stephan Bader.

und

http://www.bbc.co.uk/news/science-environment-16317090

But Ngozumpa is generating a lot of scientific interest at the moment.

The Nepalese Himalayas have been warming significantly more than the global mean temperature in recent decades.

Herr Knutti,

„Der Titel hat bewusst ein Fragezeichen. Und die Antwort des Klimawissenschaftlers darauf sollte sein, dass es faktisch (wirtschaftlich und technologisch) fünf vor zwölf ist, d.h. die Modelle noch bezahlbare Lösungen finden. Ob sie politisch wahrscheinlich sind, das wissen andere besser, aber aus meiner persönlichen Sicht (nicht die des Wissenschaftlers) sieht es im Moment tatsächlich düster aus.“

Fuer alle Fans des Denial und die Fans der IPCC
Politiker:

Sorry, Deniers, Study of “True Global Warming Signal” Finds “Remarkably Steady” Rate of Manmade Warming Since 1979

http://thinkprogress.org/romm/2011/12/13/388527/deniers-study-true-global-warming-signal-rate-of-manmade-warming/

ups den link vergessen..
Sir David Attenborough on global warming
http://www.bbc.co.uk/news/entertainment-arts-15465920

Ein interessantes Interview mit
Sir David Attenborough zu

Sir David Attenborough issues climate change warning

Er erklaert mit einfachen Worten

a) die Verantwortung von Wissenschaftlern
uns allen Daten fuer Entscheidungen zu liefern.

b) warum so viele die Message nicht moegen

Danke fuer die klare Antwort!

Wir scheinen in unserer Einschaetzung der Lage
gar nicht so weit auseinander zu liegen.

Ausser natuerlich dass nach meinen Ergebnissen die Folgen
des Peak Oel und der damit zusammenhaengende wirtschaftliche
Zusammenbruch uns eventuell das Schlimmste ersparen.

Pest gegen Cholera eintauschen..

Was ist besser fuer kuenftige Generationen

Who knows

Lieber Herr Dittmar
Danke für Ihre Kommentare.

In der Meinshausen Studie ist bei einem Budget für ~70% unter 2°C mit etwa 5% über 3°C zu rechnen (http://www.iac.ethz.ch/people/knuttir/papers/meinshausen09nat.pdf, blaues Band in Fig. 2e).

Eine „Katastrophe“ ist nicht eine sehr wissenschaftliche Bezeichnung. Für jedes Budget gibt es einen wahrscheinlichsten Wert für die Erwärmung mit einer Verteilung, und damit eine kleine Wahrscheinlichkeit für eine sehr viel kleinere, oder sehr viel grössere Erwärmung.

Aussagen ähnlich wie sie vorschlagen finden Sie von mir übrigens auch: «Wollte man eine Plus-vier-Grad-Welt mit grosser Wahrscheinlichkeit verhindern,» sagt ETH-Forscher Knutti, «müsste man eine Reserve einplanen und ein tieferes Temperaturziel anstreben als plus zwei Grad.» (http://www.iac.ethz.ch/people/knuttir/presentations/sonntagszeitung_dec10.pdf)

Bezüglich Risiko: wir verlangen nicht dass irgendetwas akzeptabel ist. Wir berechnen einfach für welche Emissionen welche Folgen möglich sind, und mit welchen Wahrscheinlichkeiten. Welches Risiko akzeptabel ist, und wie man mit Risiken umgeht, ist keine einfache Frage. Tatsache ist, dass 2°C mit 66% noch möglich ist, aber z.B. für 95% Wahrscheinlichkeit unter 2°C die Emissionsreduktionen unrealistisch hoch sein müssten.

Der Titel hat bewusst ein Fragezeichen. Und die Antwort des Klimawissenschaftlers darauf sollte sein, dass es faktisch (wirtschaftlich und technologisch) fünf vor zwölf ist, d.h. die Modelle noch bezahlbare Lösungen finden. Ob sie politisch wahrscheinlich sind, das wissen andere besser, aber aus meiner persönlichen Sicht (nicht die des Wissenschaftlers) sieht es im Moment tatsächlich düster aus.

Lieber Herr Knutti,

ich habe auch nicht geschrieben das sie geschrieben haben
33% ist akzeptabel!

Ich habe nur Ihre Aussage neu formuliert:

„mit einer Wahrscheinlichkeit von 33% liegen wir also
selbst bei den benutzten Modellen schon jetzt weit ueber den
2 Grad. (sagen wir bei 3.5 Grad plus) und mit
10% oder 5%?? Sie kennen die Modelle besser
bei 6 Grad Erwaermung?“

Wie Sie sehen, je nach Formulierung geben Sie eine
total andere Message an die Bevoelkerung.
Mit 1/3 Wahrscheinlichkeit bewegen wir uns direkt in die
Katastrophe.. das wuerde vermutlich mehr Menschen
nachdenklich stimmen.

Danach habe ich eine Frage an Sie als Wissenschaftler gestellt:

„Mit welchem Recht verlangen wir/sie als Wissenschaftler
dass ein solches ein Risiko akzeptabel ist?“

Ich bin immer noch auf eine Antwort gespannt.

Mit besten Gruessen.
ps

Ihre Aussage steht im Gegensatz zum Titel ihres Beitrages!
„und dass es vielleicht nach zwölf ist, wenn man den politischen Prozess nüchtern betrachtet. Aber das wir nicht das Thema dieses Beitrages.“

Ich stimme den Kommentaren zu, dass die grosse Schwierigkeit die Umsetzung ist, und dass es vielleicht nach zwölf ist, wenn man den politischen Prozess nüchtern betrachtet. Aber das wir nicht das Thema dieses Beitrages. Ich versuche aufzeigen, welche Pfade zu 2°C führen würden, und dies ist eine wissenschaftliche Frage. Ob wir einen solchen Pfad einschlagen wollen, können, sollen, und wie man das umsetzt, ist eine andere Frage. Tatsache ist, dass man international das 2°C Ziel verabschiedet hat, aber nicht bereit ist die nötigen Schritte dafür zu tun. Diese Diskrepanz ist offensichtlich und objektiv zu bestimmen. Und es gibt nur zwei Möglichkeiten, entweder man handelt schnell und effektiv, oder man ändert das Ziel. Noch ist die Option ‚handeln‘ prinzipiell eine technisch und wirtschaftlich mögliche Option für das 2°C Ziel, in diesem Sinne ist es fünf vor zwölf. Aber nicht mehr lange.

@Michael Dittmar:
Ich habe nicht behauptet, dass eine Überschreitungswahrscheinlichkeit von 33% akzeptabel ist. Wie gross diese „Risiko“ sein soll, ist wiederum vor allem eine gesellschaftliche Frage. In einer unserer Arbeiten (http://www.iac.ethz.ch/people/knuttir/papers/meinshausen09nat.pdf) finden Sie die Grafik 3, die das Budget von 2000-2050 als Funktion der dieser Wahrscheinlichkeit zeigt. Für 33% beträgt es in dieser Studie 1158 Gt CO2 (Tab. 1, in GtCO2 nicht GtC) , für 20% nur noch 886 Gt CO2, etc. Sagen Sie mir Ihre Wahrnehmung von Risiko, und ich kann Ihnen im Prinzip Ihr Budget bestimmen. Je sicherer Sie sein wollen, desto kleiner ist es.

@Roger Meier:
Nein, sie gehören nicht mir.

5 vor 12? Wirklich?
oder fuer die meisten von uns schon 5 nach 12?
Man koennte doch wirklich glauben dass in einem Land
wo mehr als 50% der Nahrungsmittel und
praktisch alle Energierohstoffe importiert werden
die Alarmglocken schon seit langem am bimmeln sind..
bin gespannt wann das „Volk“ mal darueber informiert wird?
(vielleicht wichtiger als Ergebnisse vom
Fussball oder Tennis.)

The global food system needs to reduce its dependence on fossil fuels to succeed in feeding a growing world population, FAO said today. (29.11.11)
http://www.fao.org/news/story/en/item/95161/icode/

und
28 November 2011, Rome – Widespread degradation and deepening scarcity of land and water resources have placed a number of key food production systems around the globe at risk, posing a profound challenge to the task of feeding a world population expected to reach 9 billion people by 2050, according to a new FAO report published today.

http://www.fao.org/news/story/en/item/95153/icode/

Ja, dann fangen wir mal an mit Reduktion der CO2-Emissionen. Gehört der Landrover Defender und der Puch, die bei Ihrem Haus stehen, eigentlich Ihnen?
Tschuldigung, dass ich Sie so persönlich frage, aber wir sind ja fast Nachbaren.

Sehr geehrter Herr Professor Knutti,

Es gibt die klimatheoretische Seite des Treibhausgasproblems und es gibt die politische Seite, welche als Konsequenz aus dem endlichen CO2-Emissionsbudget, das noch zur Verfügung steht, von dutzenden von Nationalstaaten/Nationalökonomien eine Reduktion der CO2-Emissionen fordert.
Offensichtlich gibt es ein Umsetzungsproblem, denn die CO2-Emissionen sind zwischen 1990 und 2009 weltweit um 40% gestiegen und das Kyoto-Protokoll, welches 2012 ausläuft hat an dieser Zunahme wenig geändert.
Diskussionen um Fairness mit Begriffen wie der historischen CO2-Schuld der Industrienationen oder die Schuldzuweisung an die Schwellenländer, weil dort die CO2-Emissionen am stärksten wachsen, erwecken den Eindruck, es gehe nur um den guten Willen und die CO2-Emissionen wüchsen letztlich, weil der Wille sie zu beschränken, fehlt. Das scheint mir ein Kardinalirrtum zu sein. In Wirklichkeit gibt es immer noch eine starke Korrelation zwischen Wohlstand und Energiekonsum und für viele Schwellenländer, vor allem aber für solche, die eigene Kohlevorkommen haben, sind fossile Energiequellen die einzig valable Möglichkeit ihre Enerigeproduktion und damit ihr Wirtschaftswachstum schnell zu erhöhen. Klar ist es eine Sache der Prioritäten. China und Indien haben als oberste Priorität nicht die Reduktion der CO2-Emissionen, sondern Wirtschaftswachstum. Dass dieses Wirtschaftswachstum CO2-Emissionen mit sich bringt ist ein unglücklicher Umstand, der sich aber nur schwer vermeiden lässt.

Für mich sind die Schlussfolgerungen aus diesem Problem klar. Anstatt jedes Land alleinzulassen und von ihm ein Reduktionsziel abzutrotzen, sollte es technische und materielle Unterstützung für Länder geben, die ihre Energieerzeugung erhöhen wollen, aber nicht über die nötigen Mittel verfügen, dies ohne fossile Energien zu realisieren.

„Die Klimaforschung geht heute von einem Budget von rund 1000 GtC aus, um mit mindestens 2/3 Wahrscheinlichkeit unter dem 2°C-Ziel zu bleiben. Die Emissionen bis heute betragen rund 520 GtC.“

Ueber die Genauigkeit der Fehlerrechnung mag man Zweifel
haben. Verschiedene Messungen (Schmelzen des arktischen Eises,
sowie das Problem des „global Dimming“ etc)
deuten darauf hin, dass die Erwaermung schneller geht
(Rueckkopplungen?) als die Modelle annehmen.

Aber lassen wir mal die systematischen Probleme beiseite..

mit einer Wahrscheinlichkeit von 33% liegen wir also
selbst bei den benutzten Modellen schon jetzt weit ueber den
2 Grad. (sagen wir bei 3.5 Grad plus) und mit
10% oder 5%?? Sie kennen die Modelle besser
bei 6 Grad Erwaermung?

Mit welchem Recht verlangen wir/sie als Wissenschaftler
dass ein solches ein Risiko akzeptabel ist?

Ich wuerde sagen die Uhr steht vermutlich schon auf 12:0x!
Sagen wir es doch einfach mal!

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