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Erneuerbare Energien breiten sich aus

18.10.2011 von

Wie schnell können die Erneuerbaren Energien einen wesentlichen Anteil unseres Energiebedarfs in der Schweiz decken? Und welche Rolle kann die Schweizer Industrie dabei spielen? Projekte in 119 Ländern bieten einen Orientierungsrahmen.

Das «Renewable Energy Policy Network (REN21)» ist eine breit abgestützte Organisation aus Regierungen, der Wirtschaft, NGOs und Wissenschaftern. Die Organisation sammelt Informationen über Projekte auf der ganzen Welt im Bereich der erneuerbaren Energien, wertet die Projekte aus und sorgt für den Austausch von Informationen. Soeben ist der neueste Bericht «Renewables 2011» erschienen, der in den kommenden Wochen an ausgewählten Orten auf allen Kontinenten präsentiert wird.

Aktivitäten auf allen Kontinenten

Der Bericht zeigt: Die weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien steigen seit Jahren steil an und haben 2010 den Rekordwert von 211 Milliarden Dollar erreicht. Die führenden Länder sind China, Deutschland und die USA (siehe Bild).

Zum ersten Mal in der Technikgeschichte erfolgt eine technische Umwälzung dieser Dimension praktisch gleichzeitig auf der ganzen Welt. Es gibt bezüglich der erneuerbaren Energien nicht nur ein Technologiezentrum, wie dies in der IT-Branche mit dem Silicon Valley der Fall war. Diese globale Wettbewerbs-Konstellation sorgt für ein erhöhtes Entwicklungstempo.

Ungewöhnliche Wachstumsraten

Die enormen jährlichen Wachstumsraten der letzten 5 Jahre sind neu für die Energietechnik. So liegen die durchschnittlichen weltweiten Wachstumsraten bei 27% für Wind, 49% für Photovoltaik, 25% für CSP, 16% für Warmwasser sowie 23% für Bioethanol. Mit diesen Raten können die erneuerbaren Energien in 10 Jahren die Grössenordnung des Welt-Gesamtenergiebedarfs erreichen.

In einigen Ländern wachsen die Anteile der erneuerbaren Energien überdurchschnittlich schnell: Zum Beispiel hatte sich die EU für 2010 zum Ziel gesetzt, 40 Gigawatt (GW) Windstrom zu installieren; erreicht wurden 86 Gigawatt! Bei der Fotovoltaik hat die EU 29 Gigawatt Strom installiert, statt geplanter 3 Gigawatt. Die Werte sind um Faktoren höher als selbst von optimistischen Experten vorhergesagt! Dasselbe in China: China hatte 2003 das Ziel, bis 2010 eine Windkapazität von 5 Gigawatt zu erreichen. Erreicht wurden 45 Gigawatt.

Erfolgsfaktoren

Die Unterschiede in den Wachstumsraten der erneuerbaren Energien zwischen den Ländern liegen in der jeweiligen Energie-Politik begründet. Für eine wirksame Politik einer nachhaltigen Energiezukunft ist neben der Wahl der politischen Instrumente – die wichtigsten sind CO₂-Abgabe und Einspeisevergütung – deren langfristig verlässliche Implementierung wichtig.

Viele Länder mit bereits erfolgreicher Politik und einem hohen Anteil erneuerbarer Energien haben ihre Ziele noch erhöht. Zum Beispiel plant Schottland 50-80% Strom aus erneuerbaren Energiequellen bis 2020. China hat das Ziel für Windstrom bis 2015 auf 130 Gigawatt erhöht. Dabei zeichnet sich ein Muster ab: Je höher der Anteil an erneuerbaren Energien in einem Land, desto grösser die Akzeptanz und desto schneller die weitere Einführung. Als Folge erarbeiten die führenden Akteure bereits Lösungen für Netze mit hohen Anteilen an erneuerbaren Energien.

Literaturhinweis

Bericht «Renewables 2011»: >hier

Zum Autor

Gastautor Prof. Klaus Ragaller war bis zu seiner Pensionierung Direktor bei ABB. Seither setzt er sich im Rahmen der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW für den Wissenstransfer ein.

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Kommentare (35) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

Herr Ragaller,

„Historische Technologiewechsel zeigen, dass diese Schwierigkeiten – und zwar genau von der Art wie man sie zur Zeit beobachten kann (z.B. ein verbreitetes “es geht sowieso nicht” oder Firmenpleiten) – für diese Prozesse typisch sind. Erst in einer weiter fortgeschrittenen Phase geht dieser chaotische Prozess in einen planbareren und dann auch beschleunigten über.“

An welche historischen Beispiele denken Sie?
Ich kenne eigentlich nur Gegenbeispiele.

Als Lektuere dazu und zum diskutieren
wuerde ich mal die Arbeit von
Prof. Tainter vorschlagen
the collapse of complex societies
http://en.wikipedia.org/wiki/Joseph_Tainter

Hallo Herr Ragaller,

klar eine Aufforderung zu raschem Handeln was sonst?
Um die Dringlichkeit zu verstehen bleiben wir bei dem Problem:

Auf dem jetzigen Weg ist das 2 Grad Ziel praktisch
ausgeschlossen und wir sind auf dem Weg zu +6 Grad Celsius!
Stimmen Sie dem zu?
Wenn ja, dann sollten Sie eigentlich
die Titanic Message von F. Birol verbreiten oder?

„And everybody in the school children know that this will have catastrophic implications for all of us.“

zur Quelle:

Aus dem Talk von F. Birol
zum World Energy outlook 2011
schauen sie etwa Minute 58 an:
http://carnegieendowment.org/files/112811_transcript_energyoutlook1.pdf

Starke Worte von der IEA:

„Another point on climate change is about the two degrees. With the current policies in place, the world is perfectly on track to six degrees Celsius increasing the temperature, which is very bad news. And everybody in the school children know that this will have catastrophic implications for all of us.
In the World Energy Outlook, we look at every year where we are, and we are perfectly on track with the six degrees – several years, we put a check next to that. And yet, world leaders have agreed in Copenhagen and we agreed in Cancun that we have to limit the temperature increase two degrees Celsius, which barely brings us to a sustainable trajectory.“

gefolgt von:

[1:01:22]
In the context of, if you don’t do anything until 2015, 95 percent of the allowed emissions will be locked in. And if you do not do anything until the year 2017, we are going to use all the emissions which are permitted to us, we are going to consume them by the existing power plants, transmission lines, by the cars and everything. So therefore, we will lock in our future, which will be impossible to change, and the door to two degrees will be closed.

@Michael Dittmar
ja natürlich wäre ein schnelleres Handeln nötig. Wenn ich Ihre Kommentare als Aufforderung zur schnelleren Umsetzung verstehen kann, stimme ich voll zu. Aus den Anfangsschwierigkeiten einer recht radikalen Umstellung unserer Energieversorgung sollte man aber nicht auf deren Unmöglichkeit schliessen. Historische Technologiewechsel zeigen, dass diese Schwierigkeiten – und zwar genau von der Art wie man sie zur Zeit beobachten kann (z.B. ein verbreitetes „es geht sowieso nicht“ oder Firmenpleiten) – für diese Prozesse typisch sind. Erst in einer weiter fortgeschrittenen Phase geht dieser chaotische Prozess in einen planbareren und dann auch beschleunigten über.

Sehr geehrter Herr Professor Ragaller,

Sie schreiben: …also z.B. 20% weniger bis 2020. Genau das sind die Ziele der Schweiz und der EU.
… fortgeschrittene Länder wie z.B. Schottland (2011 über 30% Elektrizität aus Erneuerbaren) …

Das EU-Ziel 20% Erneuerbare bis 2020 bedeutet also: Jedes EU-Land muss (?) das selbst erreichen (ähnlich wie im finanziellen Bereich was die Verschuldung angeht). Schottland, welches nach Wikipedia über ein geschätztes Potential von 36.5 GW Wind und 7.5 GW nutzbare Gezeitenkraft verfügt (25% der Totalkapazität der EU), hat keine Probleme damit, ausser dass es irgendwie mit den Stromproduktionsschwankungen des erzeugten Windstrom fertig werden muss.

Eine echte europäische Lösung aber würde für günstigen und gut ausregulierten Strom in ganz Europa sorgen, indem z.B. der Plan Roadmap 2050 durchgesetzt würde.
Gregor Czisch hat in seinen Studien übrigens schon 2005 gezeigt, dass bei einer optimalen Vernetzung der besten Windresourcen Europas (Winterwindüberschuss) und Nordafrikas (Sommerwindüberschuss) und unter Ausnutzung der Hydroreserven in Norwegen und der Schweiz sowie einigen Biomassekraftwerken, in einem Raum, in dem 1 Milliarde Menschen wohnen, Strom zu mehr als 50% aus Erneuerbaren Quellen stammen könnte und das zu Preisen, die nicht höher sind als die jetzt bezahlten.

Die EU unterstüzt zwar den EU-weiten Plan Roadmap 2050, aber es eilt ihr nicht liest man doch: The Communication will now be sent to the European Parliament …The Commission plans to follow up with further policy initiatives on specific energy policy areas in the coming years,…

@Martin Holzherr. 06.01.2012, 17:33

Hi Martin,
gute Liste von wichtigen Punkten.
Alle machen Sinn.
Selbst unabhaengig von der Frage ob „Gregor Czisch“
mit vielen (einigen?) Argumenten recht hat,
aus der Liste deiner Punkte folgt eigentlich die Antwort:

Es wird nicht passieren wie Gregor sich das vorstellt.
Stattdessen wird mit weiterem passivem Abwarten
genau der Zusammenstoss mit dem Eisberg immer wahrscheinlicher.

Was koennte diesen eigentlich noch verhindern?

Herr Ragaller,

vielen Dank fuer die Erklaerungen.

$“schnell genug” bezieht sich auf die Erkenntnisse der $Klimaforscher: 80% weniger fossile Energie bis 2050.
(ich wuerde das lieber in CO2 Gehalt der Atmosphaere
formulieren). Fuer mich sollte man das wissenschaftlich
eher so formulieren:

mit 95% Wahrscheinlichkeit (oder besser 99% und noch mehr) koennen wir z.B. eine 6 Grad Erwaermung bis 2100 ausschliessen!
(oder den Anstieg des Meeresspiegels unterhalb von 20cm halten).

Die Studien von Knutti et al. hier besprochen
zeigen eigentlich das wir schon lange diesen Bereich
ueberschritten haben. Die Zahlen zum viel schnelleren
Schmelzen des arktischen Eises als in den Modellen sind ein
anderer Hinweis.
Auch die Zahlen von der IEA (2010/11)
und vielen vielen anderen zeigen praktisch wir verpassen das
Ziel (von den Resultaten der Klimakonferenzen brauchen wir eigentlich nicht zu sprechen). Deshalb beschreibt das
Titanic Beispiel die Realitaet besser!

zu:
$Ein realistischer Umsetzungsplan ..z.B. $20 % weniger bis 2020. $Genau das sind die Ziele der Schweiz und
$der EU.

Das wird zumindest behauptet. Ein neues Gaskraftwerk in der Schweiz ist damit inkonsistent. Die EU hofft wohl insgesamt
auch mehr darauf dass man die Zahlen nicht ernst nimmt und
sowieso kein Abkommen zu Stande kommt.
(und das 20% Biomasse als „Energiequelle“ Ziel der EU ist
wohl auch eher kriminell als akzeptabel und sowieso unrealistisch!)

@Die fortgeschrittenen Länder auf diesem Weg sind in dem REN21 @Bericht im Detail aufgeführt, einige Länder haben jetzt bereits @die 2020 Ziele übertroffen.

muss ich mal anschauen! Danke

@Interessant ist, dass die am weitesten fortgeschrittenen Länder @wie z.B. Schottland ..ihr 2020 Ziel von 50% auf 80% erhöht @haben.

Ziele sind nicht gleich erreicht! Energie ist mehr als
elektrische Energie! selbst in der Schweiz mit fast 100% co2 frei
macht das nur 23% des Mix aus.

@Michael Dittmar
„schnell genug“ bezieht sich auf die Erkenntnisse der Klimaforscher: 80% weniger fossile Energie bis 2050. Ein realistischer Umsetzungsplan braucht Zwischenziele also z.B. 20 % weniger bis 2020. Genau das sind die Ziele der Schweiz und der EU. Die fortgeschrittenen Länder auf diesem Weg sind in dem REN21 Bericht im Detail aufgeführt, einige Länder haben jetzt bereits die 2020 Ziele übertroffen. Interessant ist, dass die am weitesten fortgeschrittenen Länder wie z.B. Schottland (2011 über 30% Elektrizität aus Erneuerbaren) ihr 2020 Ziel von 50% auf 80% erhöht haben. Dieser selbstbeschleunigende Umstellungsprozess erscheint mir realistischer als Ihr Bild vom „Titanic-Untergang“.

Hoi Michael,
Warum werden keine transnationale EE-Verbunde realisisert?
1) Weil Energieversorgung immer eine nationale Aufgabe war und tendenziell heute noch viele zu autarken Lösungen neigen
2) Weil so etwas (ein Netz hoher Übertragungskapazität so gross oder grösser als Europa) ein Grossprojekt sondergleichen ist. Für Gregor Czisch z.B. ist Desertec ein Nummer zu klein gedacht.
3) Weil es für die meisten Menschen schwierig ist, etwas völlig neu anzugehen. Wind+Sonnenenergie muss man aber völlig anders angehen als Energie aus Gaskraftwerken
4) Weil der Mut fehlt!
5) Die meisten oder mindestens viele glauben nur halbherzig an andere Energieformen, auch wenn sie etwas anderes behaupten. Energie war in den letzten Jahrzehnten kein Problem, warum sollte es jetzt eines sein. Windräder eignen sich gut für Werbeprospekte, aber wer will schon auf etwas vertrauen, mit dem sonst nur Kinder spielen.

Martin,

„Mit heutiger Technik ist ein grossräumiger Stromverbund von standortoptimalen EE-Quellen die beste und kostengünstigste Lösung. Doch sie wird nicht realisiert.“

genauer waere: „Manche Wissenschaftler glauben man koennte
mit heutiger Technik und.. Die Praxis kann zeigen wie realistisch das ist.“ (uebrigens die Praxis der grossen Solaranlagen in Spanien ist nicht gerade toll!)

Man kann sicher heute nicht behaupten:
es ist die beste.. Loesung!

deine Aussage trifft genau ins Schwarze:
„Doch sie wird nicht realisiert.“

Damit ist die vermeintliche Loesung eben keine Loesung!
(egal aus welchen Gruenden!)

Was vermutest du als Grund?

a) sobald man realistisch rechnet stimmen die Zahlen nicht?
b) Wir Menschen und unsere Entscheidungstraeger sind eben
nicht so Sapiens wie wir immer behaupten.
c) Die Menschen in den suedlichen Laendern mit viel Sonne
haben wenig (kein?) Interesse ihr Land noch weiter fuer uns zu
verscherbeln. Ihre Erfahrungen (in Spanien) als billiger Obst/Gemuese Bauer/Leibeigener der reichen Laender
zu dienen langt denen schon heute!
d) wir in den reichen Laendern wollen uns nicht noch weiter
abhaengig machen.
e) alles zusammen!

Hallo Herr Ragaller,

also ich versuche es noch mal.

Was meinen Sie mit “schnell genug”?
(bei der Umstellung?)

Fuer meinen Geschmack muss man die Groessenordnung des
Problems formulieren. Also wie wenig Nachhaltig sind wir heute
und wie viel Zeit bleibt bis zum Untergang der „Titanic“.

Danach kann man entscheiden ob die vorgeschlagenen Massnahmen ausreichen oder nicht!

Dann haben Sie geschrieben:

„Dass die genannten Probleme lösbar sind, zeigen im übrigen einige auf diesem Weg bereits weit fortgeschrittene Länder.“

An welche Laender denken Sie und welche Massnahmen wurden
in diesen Laendern ergriffen?

@Klaus Ragaller @Michael Dittmar
Strom aus erneuerbaren Quellen muss sich rechnen (konkurrenzfähig sein) und soll sich aus Endbenutzersicht nicht von Strom aus anderen Quellen unterscheiden. Daraus ergeben sich folgende Folgerungen:
1) Die Stromgestehungskosten spielen eine wichtige Rolle, auch für erneuerbare Quellen: Wenn Sonnenstrom aus Spanien fast halb so teuer ist wie Strom ab einem Zürcher Hausdach, sollte er bevorzugt werden, falls die Kosten für die Durchleitung klein sind
2) Auch bei der Abwägung Stromspeicher oder Netzverbund spielen die Kosten ein entscheidende Rolle. Heute sind Stromspeicher teuer oder zuwenig verfügbar (Pumpspeicher gibt es in D viel zu wenig)

Mit heutiger Technik ist ein grossräumiger Stromverbund von standortoptimalen EE-Quellen die beste und kostengünstigste Lösung. Doch sie wird nicht realisiert. Statt dessen gibt es eine Wildwuchs von subventionierten Förderungen, der im Endeffekt die erneuerbaren Energien gefährdet, denn EE erscheinen so unverhältnismässig teuer.

Die schon recht alten Studien des Physikers Gregor Czisch (auch im WBGU Hauptgutachten referenziert) zeigen, dass EE gar nicht teuer sein muss, wenn standort- und netzmässig optimiert.

EE-Energien entwickeln sich zwar recht schnell, gemessen am Ziel der fast vollkommenen Dekarbonisierung bis 2050 aber zu langsam. In den Jahren 2012/13 bis 2015 wird sich zudem Öl relativ stark verteuern (Preise über 150 $ pro Barrel), denn die Nachfrage (vor allem aus China+Indien) übersteigt das Angebot. Damit laufen wir in ein Phase der Energieknappheit mit der Gefahr einer dadurch ausgelösten Rezession und einem wegen fehlendem Geld erzwungenen Stillstand im Energiesektor.

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!

Herr Dittmar,
ich bin nicht sicher, ob ich Ihre Fragen richtig verstehe. Ein Umstieg auf eine nachhaltige Energieversorgung ist doch keine Verlängerung unserer nichtnachhaltigen sondern im Gegenteil ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigeren Lebensweise. Vielleicht sogar der wichtigste Teil angesichts der grossen potentiellen Auswirkungen eines weiterhin ungebremsten CO2 Anstiegs auf viele ganz verschiedene Bereiche.

Herr Ragaller,

wenn Sie schreiben:

„Dennoch: keine andere Alternative kann die fossilen Energien schnell genug im weltweiten Massstab ersetzen.“

Was meinen Sie mit „schnell genug“?
Und was meinen Sie mit „Alternative“?
Glauben Sie es ist wuenschenswert unsere nichtnachhaltige
Lebensweise einfach noch ein paar Jahre weiter zu leben?

Oder denken Sie an andere Alternativen,
zum Beispiel wie wir den Planeten lebenswert erhalten
nicht nur fuer unsere Art sondern auch fuer alle anderen?

Koennten Sie dafuer einige Beispiel bringen?
An welche Laender denken Sie?
„ Dass die genannten Probleme lösbar sind, zeigen im übrigen einige auf diesem Weg bereits weit fortgeschrittene Länder.“

Um wieder auf den Artikel von Professor Ragaller Bezug zu nehmen:
Die Erneuerbaren Energien zeigen ungewöhnliche Wachstumsraten und Professor Ragaller meint im obigen Artikel Mit diesen Raten können die erneuerbaren Energien in 10 Jahren die Grössenordnung des Welt-Gesamtenergiebedarfs erreichen..

Doch ganz anders sieht es aus, wenn man den Anteil der Erneuerbaren an der gesamten erzeugten Energie misst. Auch die Gesamtenergieerzeugung wächst und in absoluten Zahlen deutlich stärker als die Erneuerbaren.

Der Artikel Why EVs Don’t Make Any Difference hält eine ähnliche Gesetzmässigkeit für die Verbreitung von elektrisch betriebenen Vehikeln fest (Zitat):
The number of gas-powered cars on the road is going up far faster than the number of electric vehicles.
A similar story holds true for renewable energy and fossil fuels. So far, the efforts that have gone into building solar panels and wind turbines haven’t decreased worldwide fossil fuel use. That continues to grow. At best, they’ve slowed the rate of growth.

Um den erneuerbaren Energien zum Durchbruch zu verhelfen genügt rein private Initiative + etwas Einspeisevergütung wahrscheinlich nicht. Es braucht ein Gesamtkonzept so wie beispielsweise vom Physiker Gregor Czsich für Europa erarbeitet.

@Martin Holzherr @Michael Dittmar
Die Erneuerbaren Energien haben zweifellos Nachteile. Der Erntefaktor (ERoEI) einer PVAnlage in Süddeutschland liegt bei (nur) dem Faktor 3, in Südeuropa bei 5. Die unregelmässige Produktion von Sonnen- und Windenergie muss ausgeglichen werden, das erfordert Speicher oder regionalen Ausgleich oder eine Mischproduktion verschiedener Erneuerbarer oder Anpassung des Verbrauchs oder alle vier.
Dennoch: keine andere Alternative kann die fossilen Energien schnell genug im weltweiten Massstab ersetzen. Dass die genannten Probleme lösbar sind, zeigen im übrigen einige auf diesem Weg bereits weit fortgeschrittene Länder.
Eine „Spielerei“ sind die Erneuerbaren bei einem Investitionsvolumen von 200 Mrd jedenfalls schon lange nicht mehr.

Hoi Martin,

„Übrigens: die Vision von der Selbstversorgung durch selber produzierten Strom darf man mit heutiger Technik ruhig vergessen, ja muss man sogar vergessen.“

Genauer waere:

die heutige Verschwendung von elektrischer Energie,
dank(?) endlicher, damit nicht Nachhaltig, billiger fossiler Energiequellen (inklusive Uran) kann durch nichts lange
fortgesetzt werden. Lernen wir also mit weniger Energie
noch ganz gut zu leben. Gerade in der Schweiz sollte die Wasserkraft den reduzierten Grundbedarf noch lange decken!

ansonsten koennen wir noch spekulieren und
nicht beweisbare Behauptungen aufstellen:

„ EE funktioniert nur, wenn man den richtigen EE-Strom am richtigen Ort produziert“

Deshalb waere es besser zu sagen:

nach heutigen Kenntnissen und mit heutiger Technologie
muessen wir so schnell wie moeglich umdenken!

Forschung foerdern wir natuerlich im richtigen (was soll das sein?)
Massstab weiter. Falls mehre Wunder gleichzeitig passieren
koennen wir unsere Politik dann aendern.

Aber jetzt heisst es die Menschen auf das Leben mit weniger und
viel teurerer Energie vorzubereiten!

Hoi Michael,
Wind+Sonne als Energiequellen erfordern ein gänzliches neues Energiesystem. Zudem ist alles in Bewegung in diesem Bereich. Dass Fotovoltaik-Firmen wie Solyndra (in den USA) oder jetzt auch Fotovoltaik-Firmen in Deutschland pleite gehen ist an und für sich ein gutes Zeichen für die Fotovoltaik – wenn auch nicht für die betroffenen Firmen. Es bedeutet, dass die Preise sinken und nur die am kostengünstig produzierenden übrigbleiben – und die Preise müssen noch viel weiter sinken, wenn die Fotovoltaik je mehr werden soll als eine Spielerei.
Dass Deutschland nun mit dem Offshore-Wind in Schwierigkeiten gerät, weil die Anforderungen an die Anlagen auf hoher See unterschätzt wurden, das war immer eine Möglichkeit. Bei Gregor Czisch’s Berechnungen kommen Offshore-Kraftwerke in Deutschland gar nicht vor – weil zu teuer.
Übrigens: die Vision von der Selbstversorgung durch selber produzierten Strom darf man mit heutiger Technik ruhig vergessen, ja muss man sogar vergessen. EE funktioniert nur, wenn man den richtigen EE-Strom am richtigen Ort produziert: Sonnenstrom also in Spanien und in der Wüste, Wind an der Atlantikküste und zur Kompensation von Produktionslöchern Wasserkraft aus CH oder Norwegen. Viele haben das aber noch nciht begriffen – deshalb wird EE noch lange eine Spielerei bleiben.

Hoi Michael,
Gregor Czisch entwirft lediglich Szenarien, die zeigen wie mit heutiger Technologie Erneuerbare Energien zuverlässige Energiequellen werden können. Er kommt zum Schluss, dass es ein Supergrid braucht, welches nicht an den Grenzen Europas halt macht. Wie er im Interview im Spektrum der Wissenschaft Januar 2012 festhält, aber auch im Interview mit dem Titel Es fehlt der ganz große Wurf, bedeutet die zuverlässige Nutzung der Sonnen-und Windenergie, dass man die nationalen Grenzen verlässt und sich mit der grossräumigen internationalen Vernetzung auf ein Grossprojekt gigantischen Ausmasses einlassen muss, welches zudem keine Vorläufer hat und eine Zusammenarbeit ganz unterschiedlicher Staaten und Akteure voraussetzt.
Dass seine Studien auf keinen fruchtbare Resonanz stossen, liegt für Gregor Czisch sowohl an den bestehenden Energiekonzernen, die an ihren Anlagen und ihrer Art den Markt zu „pflegen“ feshalten wollen, als auch an der Beamtenmentalität.

Grossprojekte solch gigantischen Ausmasses wie von Czisch entworfen haben es allerdings immer schwer, vor allem dann wenn es keine zentrale Instanz gibt, die das Projekt vorantreibt.
Dass es den LHC gibt, ist wohl günstigen historischen Umständen zu verdanken und der Bereitschaft der (europäischen) Physiker, nationale Interessen hintanzustellen und im Interesse der Sache zusammenzuarbeiten. In der Energiepolitik ist eine solche internationale Zusammenarbeit aber historisch überhaupt nicht verankert. Im Gegenteil, Energiefragen werden oft als Aspekt der nationalen Sicherheit gesehen.
Dass Czisch in den letzten Jahren kaum noch etwas publiziert hat ist einfach damit zu erklären, dass er seine Arbeit schon getan hat und jetzt die Politiker und Entscheider an der Reihe wären.

Hoi Martin

komisch dein neuer Held hat nach (der Krise?) 2008
nicht mehr viel gemacht??

http://transnational-renewables.org/Gregor_Czisch/veroeffentlichungen.html

Wir sind jetzt 2012…

In Deutschland ist gerade eine grosse Solar Firma pleite
und in Kalifornien auch und das Vorzeige-Offshore-Projekt steht vor dem Chaos
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-83180829.html

Brauchst du noch mehr um Wishfull thinking von der Realitaet
des EROEI und den versteckten Subventionen zu trennen.

und ja,

brauchst du noch mehr Finanznachrichten (a la Griechenland etc)
um zu verstehen dass es mit dem jetzigen nicht nachhaltigen
System des Wirtschaftens (auf Kosten zukuenftiger Generationen)
nicht lange weitergehen kann?

Sehr geehrter Herr Professor Ragaller,

Sollen erneuerbare Energien ein echter Ersatz für die fossilen Energien werden, so setzt dies eine neue Energieinfrastruktur voraus, die nationale Grenzen überwindet. Nicht die einzelne Anlage ist von Interesse sondern das Gesamtenergiesystem.

In diesem Zusammenhang finde ich die Studien des Physikers Gregor Czisch sehr relevant. Seine Hauptaussage: Ein grossräumiges Verbundnetz von Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen vom Ural bis Irland und von Skandinavien bis in den Tschad kann Europa schon in 10 bis 20 Jahren zuverlässig mit einem hohen Anteil erneuerbaren Stroms versorgen, wobei zuerst Windenergie den Hauptanteil bilden wird. Winterliche Windenergiespitzen in Nordeuropa werden dabei durch Sommerwinde in Nordafrika ausgeglichen und die bestehenden Wasserkraftwerke zusammen mit einigen Biomassekraftwerken können die übrigbleibenden Produktionsschwankungen kompensieren. Wenn nur die günstigsten Stellen für die Windenergie genutzt werden ergeben sich Stromkosten die gleich hoch oder sogar tiefer sind als die heutigen. Die Arbeit von Gregor Czisch’s Arbeitsgruppe wird auch im Spektrum der Wissenschaft vom Januar 2012 besprochen.

Hoi Martin,

„- 2035 wird China gleich viel CO2 pro Kopf ausstossen wie die OECD und bis dann mehr CO2 erzeugt haben als die EU-Länder in der ganzen Geschichte Europas.“

falls China diese „CO2 Speicher“ irgendwo findet..
(fehlt in dem Report).

Wo sollen gerade diese Speicher (beim Oel)
liegen?

Die IEA hat sich bisher schon immer dadurch ausgezeichnet
das deren Vorhersagen vollkommen falsch waren.
(Oelpreis..)

die IAEA (bezueglich der Kernspaltung) uebrigens auch!

und ja,

„ – Zubau an Energieerzeugung 2000 bis 2010: 45% Kohle, 22% Gas, 18% Öl, 18% Erneuerbare, 7% Nuklear“

Vielleicht waeren die Zahlen ab 2005 interessanter
oder ab 2008..

michael
ps..
wer die Meinung von F. Birol zum Oelpeak noch nicht kennt
2 min.. (unsere Leader sind informiert worden..)
http://www.dubaichronicle.com/2011/11/05/the-end-of-cheap-oil/

Total spannend und ermutigend diese Zusammenfassung zum Thema: Entwicklung des Ausbaus der erneuerbaren Energien weltweit in den letzten Jahren. Ein Feld, wo die gesteckten Ziele zum Teil weit übertroffen wurden in einzelnen Regionen. Und das ausnahmsweise mal zum uneingeschränkten Nutzen a l l e r Bewohner dieses Planeten. Chapeau, Signor Ragaller!

Laut World Energy Outlook 2011 der IEA war der Anteil des Zubaus an Erneuerbarer Energie in der Periode 2000 bis 2010 relativ zum Gesamtwachstum des Energieverbrauchs 18%. Hier zusammengefasst die wichtigsten Erkenntnisse dieses Berichts:
– Zubau an Energieerzeugung 2000 bis 2010: 45% Kohle, 22% Gas, 18% Öl, 18% Erneuerbare, 7% Nuklear
– 2035 wird China gleich viel CO2 pro Kopf ausstossen wie die OECD und bis dann mehr CO2 erzeugt haben als die EU-Länder in der ganzen Geschichte Europas.
– 2035 wird China mehr Öl importieren als die EU und Japan zusammen.
– das 2°C wird bei BAU ab 2017 nicht mehr erreichbar sein und wir befinden uns immer noch auf der 6°C-Trajektorie, das heisst falls alles weiterläuft wie bisher erwartet uns einen 6°C wärmere Welt.

In den nächsten 20 Jahren wird trotz all dem Zuwachs bei den erneuerbaren Energien, der Anteil von Kohle am Gesamtenergieverbrauch deutlich steigen, womit das wichtigste Wort im Satz von Professor Ragaller aus dem obigen Artikel
Mit diesen [Wachstums-]Raten können die erneuerbaren Energien in 10 Jahren die Grössenordnung des Welt-Gesamtenergiebedarfs erreichen.
das Wort können ist.
Weltweit und vor allem in China und Indien ist jedoch Kohle auf dem Vormarsch. Im Artikel The Triumph of King Coal:
Hardening Our Coal Addiction
berichtet der Autor, dass der Anteil der Kohle am Weltenergieverbrauch beim ersten Klimagipfel noch 25% betrug und jetzt bereits auf 29.6% angestiegen ist. China hat seinen Kohleverbrauch in den letzten 8 Jahren verdoppelt, Indien seinen in den letzten 12 Jahren, China verfeuert 48 Prozent aller weltweit verbrauchten Kohle.
Warum nun setzen diese Schwellenländer so stark auf Kohle? Der Grund liegt nicht nur am günstigen Preis, sondern auch an der Geschwindigkeit mit der Kohlekraftwerke gebaut werden können. China und Indien machen das so rasend schnell, dass die Förderung ihrer eigenen sehr grossen Kohlereserven nicht mitkommt und sie auf den Kohle-Import angewiesen sind. In 8 Jahren die bereits sehr hohe Energieproduktion mit Kohle zu verdoppeln wie das China getan hat ist mit keiner anderen Technologie möglich. Nicht mit AKW’s, denn ihr Bau dauert viele Jahre und benötigt viele und für China zuviele Fachleute. Zwar könnte in 8 Jahren auch ganz China mit Windturbinen überstellt werden, doch das zugehörige Netz und die nötigen Speicher sind in so kurzer Zeit nicht realisierbar.
Sollten Stromspeicher und Stromnetz in Zukunft sehr viel billiger und schneller erstellbar werden, dann könnten die Erneuerbaren tatsächlich innert wenigen Jahrzehnten zur dominierenden Energieform werden.

Die Produktionsschwankungen von Sonnen- und Windkraftwerken können – wie in einem vorhergehenden Kommentar von mir erwähnt – prinzipiell mit 2 völlig unterschiedlichen Methoden ausgeglichen werden. 1) durch ein weiträumiges Hochspannungsnetz 2) durch die lokale Speicherung der im Strom enthaltenen Energie. In Deutschland kommen als Mittel-bis Langfristspeicher allerdings Pumpspeicher nicht in Frage. Statt dessen wird der Strom in Wasserstoff oder Methan umgewandelt (EE-Wasserstoff und EE-Methan genannt). Darüber berichtet nun der Spiegelartikel Energiewende dank Wasserstoff.
Nach Spiegel sollen Hybridkraftwerken, die aus überschüssigem
Strom Wasserstoff (per Elektrolyse) und in einem zweiten Schritt Methan produzieren (
wozu es allerdings einer Reaktion des erzeugten Wasserstoffs mit CO2 bedarf), nun in grossem Stil in Deutschland eingesetzt werden.
Ein Hybridkraftwerk in Prenzlau kann bereits 120 Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde erzeugen, ein 10 Mal grösseres ist von BMW in Brenzlau geplant. Der Vorteil von Methan gegenüber Wasserstoff ist die Einspeisbarkeit grosser Mengen in das Erdgasnetz, welches in Deutschland ja an grosse Erdgasspeicher angeschlossen ist. Damit ist eine Pufferung von Energie möglich, was die fehlenden Pumpspeicher in D ersetzen kann.
Die Umwandlung von Strom zu Methan hat allerdings nur einen Wirkungsgrad von 60%. Wird mit dem Erdgas ein Erdgasauto angetrieben bleibt von der ursprünglich in Form von Strom gewonnen Energie nur noch 20% übrig.

Das entspricht eigentlich meinen Erwartungen. Das grosse transeuropäische Stromnetz wird vorerst nicht gebaut. Insgesamt wäre ein solches Netz wohl effizienter und sogar billiger, aber der Widerstand der Bevölkerung gegen immer neue Hochspannungstrasses darf nicht unterschätzt werden.

Sehr geehrter Herr Professor Ragaller,

besten Dank für ihre Hinweise auf die Forschungsanstrengungen im Bereich Erneurbare Energien, Netz- und Systemmanagement.

In der Praxis sind wir immer noch in der Phase I eines erneuerbaren Energiesystems wo es schon viele unregelmässig produzierende Wind-und Sonnenkraftwerke gibt, wir jedoch noch weit davon entfernt sind alles zu einem sinnvollen Gesamtenergiesystem zusammenzufügen. Nicht nur gilt, wie sie schreiben „Für den gesamten Kraftwerkspark in China lag der Lastfaktor 2009 bei etwa 50%“, sondern speziell gilt für die ans Netz angeschlossen Windräder in China, dass 2010 nur 50% des erzeugbaren Windstroms auch wirklich erzeugt wurden. Viele Windturbinen wurden also in Phasen von Starkwind zwangsabgeschaltet. Im Artikel Grid shortcomings taking wind out of energy plan’s sails wird über die fehlende Transmissionslinien berichtet, was zu 2.8 Terawattstunden verlorener Windenergie in den ersten 6 Monaten von 2010 führte und insgesamt darin resultierte, dass nur 0.7% des total erzeugten Stroms aus Wind und Sonne stammte (siehe auch Growing pains of China’s wind power industry ).

Entscheidend wird es sein wie die unterschiedlichen Forschungsansätze und -vorschläge zur Integration von Wind-und Sonnenenergie schliesslich umgesetzt werden, denn die Vorschläge gehen sehr weit auseinander. Die einen plädieren für ein europaweites Hochspannungsnetz hoher Kapazität, andere wiederum möchten eine Regionalisierung der Stromerzeugung näher am Verbrauch und damit auch eine Reduzierung des notwendigen Netzausbaus (siehe Das Ende der EEG-Anarchie).

@ Hansulrich Hörler @ Martin Holzherr
Das zukünftige CO2-freie Stromsystem wird nicht nur technisch sondern auch kommerziell und organisatorisch stark vom heutigen abweichen. Die Umstellung ist sicher eine grosse Herausforderung, die genannten Probleme sind Beispiele dafür. Andererseits laufen auf breiter Basis sehr vielversprechende, fortgeschrittene Feldversuche zur Lösung der Probleme: Regenerative Modellregionen, regenerative Kombikraftwerke, Cluster Management Systeme, steuerbare Lasten usw. Praktisch alle Energie-Institute weltweit arbeiten auf diesem Gebiet, siehe z.B. http://www.fvee.de/index.php?id=55 auch die ETH z.B. das Power Systems Laboratory von Prof. Andersson wie im Energiegespräch vorgestellt. Einhellig stellen die in diese Arbeiten engagierten Fachleute fest, dass die Probleme unter der zwingenden Randbedingung einer zuverlässigen und kostengünstigen Stromversorgung lösbar sind.

Eine Ergaenzung zum Auslastungsfaktor bei KKW’s

„Das stimmt für die “Alten Zeiten”: Im Zeitraum 1971-2009 war der Auslastungsfaktor bei US-Kernkraftwerken 70%,
im Zeitraum 2007 bis 2010 jedoch war er für die USA 91.2% und weltweit 80%“

Sollte man nicht mal anfangen die verschiedenen Methoden
offen und ehrlich zu vergleichen?

Bei KKW’s hat man im Prinzip nur gelernt dass die
Leistungsregelung nach Bedarf nicht effizient ist.

Lieber produziert man in KKW’s den Strom auch dann wenn eigentlich niemand braucht.

Eine Folge davon ist:
1) Pumpspeicherwerke sind fuer Laender mit Bergen ein gutes
Geschaeft.
2) Man erzeugt zum Teil auch kuenstlich einen Bedarf
an Strom in Zeiten der Ueberproduktion.
(simple elektrische Heizungen mit „einem primitiven smart grid“
in Frankreich sind ein gutes Beispiel (smart.. in der Nacht kostet
der Strom nur einen Bruchteil der Spitzenkosten..)

der immer wieder vergessene Nachteil:

Frankreich ist im Winter und an kalten Tagen
vollkommen abhaengig von Importen.
„Peak load stress ..“ gegen 19:00 ..
(elektrische Heizungen lassen sich zu einfach anschalten!)

Man koennte auch noch ueber den (Un-)Sinn von „Standby Nutzung“ als „Speicher“ und die naechtliche Verschmutzung
mit zu viel Beleuchtung gegenueber des Sternenhimmels philosphieren.

@Professor Ragaller, cc: @Hansulrich Hörler
1)zu den Lastfaktoren: Sie schreiben Auch Kernkfraftwerke liegen [betreffend Lastfaktor] bei nur 70 bis 80 %.
Das stimmt für die „Alten Zeiten“: Im Zeitraum 1971-2009 war der Auslastungsfaktor bei US-Kernkraftwerken 70%,
im Zeitraum 2007 bis 2010 jedoch war er für die USA 91.2% und weltweit 80%
2) Zu den Folgen von Wind-und PV-Überschussstrom: Da die Einspeisevergütung immer gilt und zudem PV und Windstrom Vorrang vor konventionell erzeugtem Strom haben, müssen bei einer Situation mit Überschussstrom und dementsprechend negativem Strompreis die konventionellen Kraftwerke vom Netz gehen, was sie unrentabel macht. Zudem verkürzt das häufige Hinauf- und Hinunterfahren ihre Lebensdauer. Somit will ein privater Besitzer, der zunehmend Verlust macht, sein konventionelles Kraftwerk gar nicht mehr betrieben, sicher aber kein neues bauen. Doch wie Herr Hörler schon schrieb, im Moment braucht es sie noch als Backup.
3) Gibt es nur Einspeisetarife für Erneuerbare und wird niemand für das Weiterbetreiben von konventionellen Kraftwerken entschädigt und erhält auch niemand Geld für das Bauen von Hochspannungstrasses, die Produktionsschwankungen ausgleichen, gehen wir einer echt gefährlichen Energiezukunft entgegen mit garantierten Blackouts.

Es braucht also jemanden der für das Gesamtenergiesystem verantwortlich ist (z.B. der Staat) oder aber Entschädigungen für jemanden der Backupkraftwerke betreibt oder das Netz ausbaut.
Diese Fragen werden unter anderem in der Präsentation Kraftwerke 2030 angesprochen (z.B. Folie 18).

Herr Prof. Ragaller,
Sie schreiben zu Recht, dass Wind- und Fotovoltaikstrom die Betriebsdauer von konventionellen Kraftwerken reduzieren. Diese müssen zur Sicherung der Stromversorgung jedoch bereitstehen und teilweise im Leerlauf betrieben werden. Bei einem grossen Anteil erneuerbarer Energien sind Pumpspeicherwerke oder andere Stromspeicher sowie ein Netzausbau unabdingbar. In beiden Fällen fallen Kapital- und Verlustkosten an, die eigentlich den erneuerbaren Energien zuzuordnen sind. Im Durchschnitt dürften deren Stromkosten deshalb vielleicht doppelt so hoch werden wie jeweils ausgewiesen.

@ Martin Holzherr
Herr Holzherr, Sie weisen mit Recht darauf hin, dass die in der Elektrotechnik übliche Angabe von Nennleistungen bei der Installation von Kraftwerken irreführend wäre, wenn man daraus auf die produzierten kWh schliessen würde. Sonne und Wind haben offensichtliche Begrenzungen bei diesem Verhältnis von produzierter Energie/theoretisch mögliche Produktion bei Dauerbetrieb mit Nennleistung (Lastfaktor). Allerdings gilt das auch für andere Kraftwerkstypen, vielleicht dort nicht so offensichtlich und grundsätzlich. Für den gesamten Kraftwerkspark in China lag der Lastfaktor 2009 bei etwa 50%. Spitzenlastkraftwerke haben einen niedrigen Lastfaktor. Verfügbarkeit von Kohle, fehlende Abnehmer und Leitungskapazität, Wartung begrenzen den Lastfaktor. Auch Kernkfraftwerke liegen bei nur 70 bis 80 %.
Interessant wird die Entwicklung bei höheren Anteilen von Wind und Sonne. Da die Grenzkosten dieser Produktion sehr niedrig bis sogar negativ sind (schon heute gelegentlich am Spotmarkt), führt das zu einer weiteren Reduktion der Lastfaktoren von konventioneller Produktion. An Tagen mit viel Sonnenschein ist Schweizer Wasserkraft schon heute weniger gefragt als der Strom aus benachbarten Solarkraftwerken.

Klaus Ragaller ist ein beispielhafter Mentor für die Energiezukunft.
Im „atomhörigen“ Kanton Aargau sind Stimmen wie die von Klaus Ragaller besonders wichtig. Es ist zu hoffen, dass er seine Erkenntnisse vermehrt der Oeffentlichkeit zur Kenntnis bringt.
(dass Klaus Ragaller bei ABB mal mein Chef war hat nichts mit meinem Kommentar zu tun.)
Benny Riz

Die These von Professor Ragaller, Erneuerbare Energie würden bald zur dominanten Energieform stimmt für China sicherlich nicht, wie ich im folgenden zeigen möchte. Die Daten, die meine Aussage belegen finden sich in den Quellen China Business Network,Number 1 in …, Wind power in China und electricity sector China

1) Für das Jahr 2011 allein sind in China 80 Gigawatt Zuwachs an Kohlekraft geplant

2) Bis 2020 sollen folgende totale Kapazitäten erreicht sein: Nuklear 80 Gigawatt, Wasserkraft 300 Gigawatt, Windkraft 200 Gigawatt, Solar 10 Gigawatt.

Die 200 Gigawatt an Windkraft 2020 produzieren dabei etwa soviel Strom wie 70 Gigawatt an nuklearer Kapazität. Im Jahr 2020 wird also in China weniger Wind-Strom erzeugt als nuklearer und der Zuwachs bei der Wasserkraft übertrifft den Zuwachs beim Wind um vieles. Dominant bleibt die Kohlekraft. Allein 2011 kommen 80GW Kohlekraft dazu.

Für die Welt als Ganzes sieht die U.S. Energy Information Administration (EIA) bis 2035 einen Zunahme der Energieverbrauchs von 53%, wovon die Hälfte auf das Konto von China und Indien gehe.
In den nächsten 25 Jahren seien die erneurbaren Enegien zwar die am schnellsten Wachsenden und sie erreichen einen Anteil von 15% im Jahre 2035 (nach EIA sind es 10% 2010). 78% der Energie werde im Jahr 2035 immer noch fossil erzeugt.

Fazit: Die Welt bleibt bis 2035 fossil dominiert trotz starkem Wachstum bei den Erneuerbaren.

@ Martin Holzherr
„Prognosen“ von BP oder auch von IEA sowie von vielen weiteren Experten sind nicht viel mehr als Extrapolationen (gelegentlich auch mit einer Interessenfärbung), wobei jedenfalls bisher die exponentielle Dynamik der Erneuerbaren massiv unterschätzt wurde: http://www.unendlich-viel-energie.de/de/wirtschaft/detailansicht/article/134/prognosen-zu-erneuerbaren-energien-kurzgutachten.html
Mit den jährlichen Wachstumsraten der Erneuerbaren von etwa 25 % der letzten 5 Jahre resultiert in weiteren 10 Jahren ein Faktor 10, das wäre 1/3 des heutigen Gesamtenergieverbrauchs. Das zeigt nur, dass die Umstellung auf Erneuerbare technisch/wirtschaftlich rechtzeitig möglich ist. Ob es gelingt und wie schnell es gelingt, hängt vom politischen Willen und der Einsicht ab, dass die Klimaproblematik eine Beschleunigung dieser Entwicklung erfordert und dass jede Verzögerung zu hohen Mehrkosten führen wird. Dass immerhin 119 Länder an der Umstellung auf Erneuerbare arbeiten, zeigt auch diesbezüglich eine erfreuliche Dynamik, auch dies wird wohl kaum in den genannten Prognosen ausreichend enthalten sein.

Sehr geehrter Herr Professor Ragaller,
liest man den von ihnen verlinkten Report «Renewables 2011», erhält man tatsächlich den Eindruck (Zitat)Mit diesen [Wachstums-]Raten können die erneuerbaren Energien in 10 Jahren die Grössenordnung des Welt-Gesamtenergiebedarfs erreichen.. Doch
1) haben Windenerige, Photovoltaik, Concentrated Solar Power und Geothermie im Jahre 2011 zusammen nur einen Anteil an der Gesamtenerigeproduktion von 0.7% und die neuen erneuerbaren Energien für Heizung und Treibstoff (Biotreibstoffe,Solarkollektoren) liefern noch 2.1% dazu
2) übersteigt der Zuwachs bei den fossilen Energien denjenigen bei den Erneuerbaren Energien auch 2011 um ein Vielfaches.

Warum erweckt dann «Renewables 2011» den Eindruck, dies sei anders?
1) Zu den Erneuerbaren zählt «Renewables 2011» auch traditionelle Biomasse (Fallholz, Dung, etc) sowie Wasserkraft und kommt damit auf einen Anteil von 16% an der Weltenergieproduktion. 10% davon sind traditionelle Biomasse wie sie in armen Entwicklungsländern genutzt wird und 3.4% sind Wasserkraft. Der BP-Energy-Outlook sowie der IEA-Energy-Outlook betrachten aber nur die technisch erzeugte Energie und unterscheiden zwischen Wasserkraft und den neuen erneuerbaren Energien
2) In «Renewables 2011» steht die irreführende Aussage: Renewables represented half of newly installed electric capacity worldwide in 2010.
Es stimmt, dass 2010 die Hälfte der neu installierten Gigawatt auf Windräder zurückgehen, doch das hat mit der Stromproduktion wenig zu tun. Windräder der gleichen Gigawatt-Kapazität wie ein Kohlekraftwerk erzeugen nur 1/3 (oder weniger) des Stromes eines Kohlekraftwerks gleicher „Kapazität“. Anders formuliert: Im Jahre 2010 gingen nur 18% des Stromproduktionswachstums auf die neuen erneuerbaren Energien (Wind+Sonne) zurück.

Der BP-World-Energy-Outlook 2011 prognostiziert dagegen für 2030 einen Anteil von je 7% für Wasserkraft, Nuklearkraft und Neue Erneuerbare.

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