ETH-Klimablog - Energie - Im Wald… auf dem Holzweg?

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Im Wald… auf dem Holzweg?

13.10.2011 von

Abholzung, Übernutzung des Waldes, Bodenerosion… diese Stichworte charakterisieren den Zustand des Waldes in Entwicklungsländern, aber doch nicht denjenigen in der Schweiz! Weit gefehlt – wenn der Weg in eine CO₂-freie Energiewirtschaft gefunden werden soll, dürfte der Wald auch bei uns wieder unter Druck kommen. 

In der Schweiz werden jährlich ungefähr 12 Millionen Tonnen Erdölprodukte verbrannt; bei einem Heizwert von ca. 12 Kilowattstunden pro Kilogramm sind dies etwa 144 Terawattstunden (eine Terawattstunde [TWh] entspricht einer Milliarde Kilowattstunden [kWh]). Falls diese riesigen Zahlen Sie erschrecken, sollten Sie nach Äthiopien oder Bangladesch auswandern, denn dort sind es Grössenordnungen weniger… andernfalls lesen Sie bitte weiter.

AKW aus Holz?

Die Gedanken sind bekanntlich frei, und deshalb gestatte ich mir eine kleine Überschlagsrechnung: Wenn man den gesamten jährlichen Holzzuwachs der Schweizer Wälder (ca. 10 Millionen Kubikmeter, dies entspricht ca. 6 Millionen Tonnen Biomasse) ernten und zur Energiegewinnung einsetzen würde, so wären dies bei einem Heizwert von ca. 4 kWh/kg ungefähr 24 TWh. Die Energie, die im jährlichen Holzzuwachs steckt, entspricht also ziemlich genau einem Sechstel unseres Energieverbrauchs an Erdölprodukten. Immerhin! Es kommt aber noch besser: Im Jahr 2010 lieferten die schweizerischen AKW zusammen ziemlich genau 24 TWh Strom. Wir könnten also mit Energie aus dem Wald die Leistung sämtlicher AKW ersetzen!

Druck auf den Wald wird steigen

Wie eingangs erwähnt, ist dies bloss ein Gedankenspiel. Es wäre wohl wenig vorteilhaft, wenn ein derartiges Szenario umgesetzt würde, denn der Wald erbringt noch viele andere Leistungen, als dass wir ihn ausschliesslich zum Brennholz-Acker umfunktionieren sollten.

Trotzdem zeigen die obigen Zahlen, dass der Wald einen weitaus grösseren Beitrag zur Energieversorgung der Schweiz leisten könnte, als dies derzeit der Fall ist (4.2%). Und ich erwarte, dass die Nutzung von Biomasse aus dem Wald zu Heiz-Zwecken in Zukunft wieder zunehmen wird: Ein Abschalten der Atomkraftwerke, wie es – mindestens bis zu den nationalen Wahlen Ende Oktober – in der Schweiz fest geplant ist, sowie das Ersetzen aller Erdölprodukte durch erneuerbare Energieträger innerhalb der kommenden Jahrzehnte werden kaum ohne eine massive Steigerung der Nutzung der Schweizer Wälder machbar sein; Nebst der Steigerung der Nutzung vieler anderer erneuerbarer Energiequellen.

Nachhaltige Nutzung geht nur mit fundierter Ausbildung

Eine stärkere Waldnutzung ist ökologisch vertretbar und nachhaltig durchführbar; die Frage ist, was die Gesellschaft will und zu welchen Kompromissen sie bereit ist. Auch Energieholz-Plantagen müssten beispielsweise diskutiert werden dürfen – Voraussetzung ist allerdings, dass die mit der Waldbewirtschaftung betrauten Personen gut ausgebildet sind, und zwar auf allen Stufen, vom Forstwart über den Revierförster bis zum Kantonsforstingenieur. Ansonsten droht eine Übernutzung des Waldes, wie sie im 18./19. Jahrhundert bereits einmal stattgefunden hat – die Gründung der ETH diente bekanntlich dazu, die Ausbildung von Ingenieuren zu fördern, unter anderem in der Forstwirtschaft, um den desolaten Zustand der Schweizer Wälder zu verbessern. Wir werden auf diese Spezialisten in Zukunft wieder verstärkt angewiesen sein, auch wenn der Wald von alleine zu wachsen scheint.

Das UNO-Jahr des Waldes, das sich langsam dem Ende nähert, ist deshalb nicht nur wichtig im Zusammenhang mit der Abholzung des Tropenwaldes, sondern es ist auch eine Mahnung an uns, den nachhaltigen Umgang mit dem Wald in der Schweiz zu pflegen.

Zum Autor

Harald Bugmann ist Professor für Waldökologie an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie

 

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Kommentare (6) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

eine passende FAO Meldung zum
„Das UNO Jahr des Waldes“
(bin gespannt ob die NZZ oder der Tagesanzeiger
diese Meldung fuer wichtig halten?)

Hier auf dem Blog trennt es Fakten von falschen
Hoffnungen!
Addieren wir noch den kommenden Druck der wachsenden
Weltbevoelkerung in den naechsten Jahren:
Wann wird der „letzte Baum“ gerodet sein?
(oder besser wann lernen wir das man Geld nicht essen kann?)

http://www.fao.org/news/story/en/item/95180/icode/

Net loss — in which losses of forest cover are partially offset by afforestation or natural expansion — totalled 72.9 million hectares, or 32 percent less than the previous figure of 107.4 million hectares, according to the survey. In other words, the planet lost an average of 4.9 million hectares of forest per year, or nearly 10 hectares of forest per minute over the 15-year period.

The new data also show that the net loss of forests increased from 4.1 million hectares per year between 1990 and 2000 to 6.4 million hectares between 2000 and 2005.

Sehr geehrter Herr Bugmann,

ich möchte sie noch auf einen „Kurzschluss“ in ihren Überlegungen zum AKW-Ersatz mit Holzheizungen aufmerksam machen. Sie schreiben
„Im Jahr 2010 lieferten die schweizerischen AKW zusammen ziemlich genau 24 TWh Strom [gleich viel wie der Brennwert des zugewachsenen Holzes]. Wir könnten also mit Energie aus dem Wald die Leistung sämtlicher AKW ersetzen!“

Doch man darf nicht die Energie des erzeugten AKW-Stromes mit dem Brennwert des zugewachsenen Holzes vergleichen. Korrekt wäre der Vergleich der in AKW’s erzeugten Wärme mit dem Brennwert des Holzes und es wäre ja sogar möglich mit der Abwärme aus AKW’s Gebäude zu heizen. Tatsächlich ist die thermische Leistung der AKW’s mehr als doppelt so hoch wie ihre elektrische oder anders formuliert: Alles in Schweizer Wäldern zugewachsene Holz erzeugt beim Verbrennen nicht einmal die Hälfte der Wärmemenge, die in Schweizer AKW’s pro Jahr erzeugt wird. Das zeigt für mich sehr eindrücklich wie begrenzt das Energiepotential des Schweizer Waldes ist oder umgekehrt gesehen zeigt es welch gewaltige Energiemenge wir Schweizer pro Jahr benötigen (wir sind halt viele auf diesem kleinen Fleckchen Land).

@Kommentar von Jürgen Ragaller. 13.10.2011, 11:40

wie waere es mit „Forest gardening“ als Alternative
(das koennte uns auch zu einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion fuehren.. )

http://en.wikipedia.org/wiki/Forest_gardening

bzw ..
http://www.youtube.com/watch?v=u75q3KaZGy4

nicht so weiter wie bisher, aber anders und vielleicht auch
Lebenswert und noch voller wissenschaftlicher Probleme!

Sehr geehrter Herr Bugmann

Danke für diesen interessanten Beitrag. Mich interessiert, welche modernen Ansätze es gibt, Wälder wie Sie schreiben «ökologisch vertretbar und nachhaltig» zu nutzen. Sind etwa Ansätze denkbar wie sie von Völkern im Regenwald traditionell verfolgt werden: Rodung von Flächen mitten im Wald die später wieder zuwachsen? Oder gibt es Mischformen von Arealen mit starker Nutzung und solche die sich selber überlassen werden?

Ich stelle mir solche Ansätze laienhaft als potentiell ökologisch wertvoll vor.

Vielen Dank für Einblicke in ihre diesbezügliche Forschung.
Jürgen Ragaller

Hallo,

„Trotzdem zeigen die obigen Zahlen, dass der Wald einen weitaus grösseren Beitrag zur Energieversorgung der Schweiz leisten könnte, als dies derzeit der Fall ist (4.2%).“

Sie haben leider vergessen zu erwaehnen wie viel von diesen
4.2% aus Schweizer Waeldern kommt
und wie viel Holz (fuer alle moeglichen anderen Zwecke)
in die Schweiz importiert wird.
(und wie viel davon nicht nachhaltig ist..)

Energie-Plantagen .. denken Sie vielleicht an das Beispiel
Malaysia?

Ohne fossile Brennstoffe gäbe es heute keine Wälder mehr. Denn bevor Kohle, Öl und Gas Einzug hielten, wurden die Wälder immer stärker genutzt. Zuerst für den Schiffsbau, dann immer mehr als Brennholz. Und in vielen Entwicklungsländern ist es noch heute so, dass ganze Wälder im Brennofen landen.
Der gesamte Energieverbrauch der Schweiz betrug im Jahre 2010 253 Terawattstunden. Nur 24 Terawattstunden, also etwa 10% könnte uns der Wald lieferen, wenn wir alles zugewachsene Holz als Brennholz nutzen würden. Dies bedeutet, dass der Wald auf jeden Fall nur einen geringen Beitrag zu unserem Energiebedarf liefern kann. Eine sinnvolle Nutzung von Brennholz ist sicher das Heizen eines Null- oder Niedrigenergiehauses während Phasen extremer Kälte und wenig Sonne in denen beispielsweise die Solarkollektoren zuwenig Wärme liefern.
Der Vorteil von Holz und von Biomasse ganz allgemein über andere erneuerbare Energien wie Sonne oder Wind ist eben genau der, dass in Biomasse Energie gespeichert ist, während Sonne und Wind sehr launenhaft sind und der mit ihnen erzeugte Strom schlecht gespeichert werden kann.

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