ETH-Klimablog - Ernährung & Landwirtschaft - Klimaneutrales Weide-Beef

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Klimaneutrales Weide-Beef

26.05.2011 von

Die Landschaften im Alpenraum, wie wir sie heute kennen, wären undenkbar, wenn es keine Rinder und Schafe gäbe, welche das darauf wachsende Gras für die menschliche Ernährung nutzbar machen würden. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Wiederkäuer bei der Verdauung des Grases Methan, ein potentes Treibhausgas, ausstossen.

Klimasünde Rindfleischkonsum

Vor allem die Produktion von Rindfleisch gerät wegen ihrer im Vergleich zu anderen Fleischarten ungünstigen Klimabilanz vermehrt unter Beschuss. Trotz einem grossen Forschungsaufwand mit vielen Teillösungen ist es bisher noch nicht gelungen, die Haltung von Rindern in grösserem Ausmass klimafreundlicher zu machen. Über kurz oder lang wird sich dies negativ auf den Konsum von Rindfleisch auswirken, was die Landwirte – mangels alternativer Produktionsmöglichkeiten – in vielen Regionen empfindlich treffen wird.

Um ein solche Entwicklung zu verhindern, haben wir in unserer Professur ein Konzept entwickelt, bei welchem die Treibhausgasemissionen aus der Rinderhaltung auf dem landwirtschaftlichen Betrieb selbst kompensiert werden. Damit kann klimaneutrales Rindfleisch produziert werden.

Treibhausgas-Kompensation in Agroforstsystemen

Der Kern dieses Konzepts ist, dass schnellwachsende Bäume – wie zum Beispiel Pappeln – in so genannten Agroforstsystemen auf Acker- oder Wiesland gepflanzt werden. Die Bäume nehmen beim Wachstum Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und speichern dieses im Holz. Nach etwa zwanzig Jahren werden die Bäume geerntet und als Energie- oder Bauholz verwendet. Natürlich entsteht bei der Verbrennung des Holzes wieder Kohlendioxid, welches in die Atmosphäre gelangt. Wenn aber  durch das Verbrennen des Holzes fossile Energieträger subsituiert werden, dann ist die Klimabilanz des Systems dennoch positiv. Werden pro Rind genügend Bäume gepflanzt, so ist es damit durchaus möglich, klimaneutrales Weidebeef auf lokaler Basis herzustellen.

Geringe Mehrkosten

Dieses System ist leider nicht ganz gratis. In den ersten Jahren nach der Pflanzung würden die Bäume die Erträge der landwirtschaftlichen Kulturen sehr wenig beeinflussen, danach konkurrieren sie aber das Gras, sodass in Agroforstsystemen weniger Gras wächst als auf reinen Weiden. Dieser Minderertrag führt zu einem moderat tieferen Einkommen für den Landwirten. Ergebnisse einer Umfrage über die Wahrnehmung des Klimawandels unter Mitarbeitenden und Studierenden der ETH Zürich deuten aber darauf hin, dass ein Teil der Konsumenten bereit wäre, für die klimaneutralen Nahrungsmittel einen Aufpreis zu bezahlen.

Die Kompensation der Treibhausgasemissionen mittels Agroforstsystemen würde verschiedene Problem auf einen Schlag lösen: Das Klima wird geschont, das Entrecôte kann weiterhin mit gutem Gewissen genossen werden und für die Landwirte öffnet sich ein neuer Absatzkanal. Zusätzlich bieten die Bäume für die Kühe auf der Weide willkommene Schattenplätze. Und die Bäume haben auch einen positiven Einfluss auf das Landschaftsbild und machen unsere Landschaften noch attraktiver.

Agroforstsysteme sind in den Tropen schon weit verbreitet und werden immer häufiger auch in Europa etabliert. In der Schweiz sind sie bisher vor allem in der Form von Streuobstwiesen anzutreffen. Verschiedene Projekte unter anderem an der ART in Reckenholz arbeiten derzeit daran, diese Systeme weiter zu entwickeln.

Fernsehbeitrag

Das Schweizer Fernsehen hat am 5. Mai 2011 einen «Schweiz-Aktuell»-Beitrag über dieses Forschungsprojekt der ETH ausgestrahlt. >Link hier..

Zu den Autoren

Bernard Lehmann ist Professor für Agrarökonomie an der ETH Zürich. Am 1. Juli 2011 übernimmt er das Amt des Direktors des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW). Persönliches Zitat und Biografie.

Simon Briner ist Doktorand in der Gruppe Agrarwirtschaft.





Kommentare (7) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

@Kommentar von Antje Garrels-Nikisch. 01.06.2011, 8:38

Sehr geehrte Frau Garrels-Nikisch,

ihre Idee, Holz zu pyrolysieren und als Terra Preta in den Boden einzubringen ist tatsächlich bedenkenswert.
Holz und andere Biomasse kann überall – nicht nur in den Tropen – mittels Pyrolyse in Terra Preta (Schwarzerde anverwandter Amazonasboden) umgewandelt werden, womit bis zu 10 Tonnen CO2-Aequivalent pro Hektar dauerhaft, also über Jahrtausende, gespeichert werden können. Zudem fällt bei der Pyrolyse von Biomasse auch Pyrolysegas an, welches Wärme und Strom (über Wärme-Kraft-Koppelung) liefern kann. Mit Pyrolyse kann man bis zu 489 kg CO2 pro Tonne Grüngut aus dem Karbonkreislauf heraushalten (siehe http://www.mythopia.ch/climate/Terra%20Preta%20-%20Bio%20Kohle%20-%20Climatefarming.pdf ).
Grossmasstäbliche Herstellung von Terra Preta mit der Absicht das Klima zu beeinflussen fällt unter den Begriff Geoengineering. Eine Studie von Lenton and Vaughan zu den Geoengineering-Methoden beurteilt die Biokohle-Herstellung als vielversprechend: „[air] capture and storage shows the greatest potential, combined with afforestation, reforestation and bio-char production„. und eine andere Studie schätzt, dass bis 12% der heutigen menschlichen CO2-Produktion mit Biokohle/Terra Preta ohne negative Auswirkungen abgeschieden werden kann.

Um die Herstellung von Biokohle/Terra preta und ihr Einbringen in Böden ökonomisch attraktiv zu machen, wäre eine finanzielle Entschädigung über Klimagelder denkbar.

wenn das Holz nicht verbrannt, sondern verkohlt und in den Boden eingebracht würde (Terra Preta), speichterte dies das CO2. Ist das hier nicht möglich?

@Kommentar von Karin Schulte. 29.05.2011, 22:34

Sehr geehrte Frau Schulte,
Sie bezichtigen Herrn Professor Lehmann eines Denkfehlers – Zitat: Sobald es [das CO2] wieder freigesetzt wird (durch die Nutzung des Holzes z.B. zum Heizen), kann es nicht zur “Substitution” fossiler Brennstoffe dienen. Doch Herr Professor Lehman hat dies in seinem Beitrag berücksichtigt, schreibt er doch: Wenn aber durch das Verbrennen des Holzes fossile Energieträger subsituiert werden, dann ist die Klimabilanz des Systems dennoch positiv.
Die Klimabilanz ist positiv gegenüber einem System, dass fossile Energien zum Heizen/Energieerzeugen verwendet, denn es wird kaum CO2 freigesetzt mit dem Kreislauf Bäume pflanzen/Bäume verheizen. Dieser Kreislauf ist (fast) klimaneutral. Übrigens auch ein ungenutzter Wald gibt einen Grossteil des gebundenen CO2’s wieder ab – dann nämlich wenn Bäume absterben.

Nur eine Neubewaldung grosser Gebiete senkt den atmosphärischen CO2-Spiegel sogar. Mit der künstlichen Neubewaldung von Sahara und australischem Outback (zum Beispiel mit Eukalyptus) und dem Vergraben der alten Bäume könnte man unseren gesamten CO2-Ausstoss kompensieren und zu vorindustriellen CO2-Werten zurückkehren. Dieses Projekt – welches eine künstliche Bewässerung mit entsalztem Meerwasser voraussetzt – könnte mit einer Benzinpreiserhöhung von 1 Euro finanziert werden. Vielleicht wird es schon bald nötig, meldet der Spiegel doch am 30.5.2011: Treibhausgas-Ausstoß steigt schneller als je zuvor

Leider liegt hier, so meine ich ein grundlegender Denkfehler vor: das CO2-das in den Bäumen gebunden ist als CO2-Kompensation für die Rinderzucht, müsste immer dort „gespeichert“ bleiben. Sobald es wieder freigesetzt wird (durch die Nutzung des Holzes z.B. zum Heizen), kann es nicht zur „Substitution“ fossiler Brennstoffe dienen.
In der Tat: Weshalb nicht den Fleischkonsum reduzieren UND Holzenergie nutzen? Im letzten Jahr haben die Schweizer und Schweizerinnen pro Kopf die Rekordmenge von über einem Kilogramm Fleisch pro Woche konsumiert. (+3.3% gegenüber Vorjahr). 80% stammte aus dem Inland. Da ist noch genug Konsumreduktion möglich.

Der zunehmende Rindfleischkonusm ist eine Klimasünde, eine Energiesünde und eine Versündigung an knappen Landressourcen. Doch die heutige Rinderzucht offenbart nur die Auswüchse der ohnehin schon energieintensiven, modernen, industrialisierten Landwirtschaft. Cesare Marchetti hat in seinem 1979 erschienen Artikel On Energy and Agriculture: From Hunting-Gathering to Landless Farming das Janus-Gesicht der modernen, technisierten Landwirtschaft – einerseits eine unvergleichliche Produktivitätssteigerung, andererseits ein hoher Energieverbrauch, vor allem in Form von fossilen Energien -, erkannt und den hohen Energieverbrauch der industrialisierten Landwirtschaft angesichts des Bevölkerungswachstums für nicht zukunftsfähig erklärt.
In seinem Vergleich der vormodernen, vor allem auf körperliche Arbeit und Zugtiere angewiesenen Landwirtschaft mit der industrialisierten Landwirtschaft kommt er zum Schluss, dass heute 50 Mal mehr Energie (für Saat/Pflügen, Düngung, Bewässerung, Trocknen, Transport) aufgewendet wird um eine bestimmte Menge reifen Getreides zu gewinnen, dass dies aber in 50 Mal kürzerer Zeit geschieht. Die Fleischproduktion bedeutet wegen dem zusätzlichen Glied in der Nahrungskette eine Verzehnfachung der benötigten Energie. Historisch waren Nutztiere zur Fleischproduktion aber trotzdem sinnvoll, denn
a) Rinder, Schafe etc. leben von Nahrungsmitteln (Gras), die der Mensch selbst nicht isst
b) Das Fleisch der Nutztiere ist ein Nahrungsmittelspeicher, der in kritischen Zeiten genutzt werden kann.

Marchetti endet mit: verbesserte Landwirtschaftsmaschinen, sanftere Bodenbearbeitung, zielgerichtete Herbizide u. Pestizide und verbesserte Stickstofffixierung können den landw.Energiebedarf fünfteln. Weniger Fleischkonsum und mehr Proteine pflanzlichen Ursprungs können den Energiebedarf noch einmal fünfeln. Biogas aus Abfall und Wald als Treibstoff für Traktoren.

Das einzige kleine Problem: Warum nicht Bäume pflanzen UND auf das Rind verzichten? Ich habe mir sagen lassen, dass Bohnen ebenfalls unter Bäumen wachsen können…

Es ist ja nicht grade so, dass wir aufpassen müssten nicht zuwenige Treibhausgase auszustossen.

Sehr geehrter Herr Professor Lehmann,

Landschaften wie die im Alpenraum, die sowieso schon für die Viehwirtschaft genutzt werden, zusätzlich mit einem Agroforstsystem auszustatten, so dass die Viehhaltung klimaschonender, gar klimaneutral wird, ist sicher ein guter Ansatz mit dem die Treibhausgasemissionen von Rindern kompensiert werden können.

Weltweit jedoch nehmen die landwirtschaftlich bedingten Treibhausgasemissionen und der Landverbrauch durch Viehzucht zu – sogar stärker als die Weltbevölkerung. Dies liegt am wachsenden Wohlstand in den Schwelllenländer, die in der Folge den Fleischkonsum der westlichen Länder anstreben.
Einige statistische Daten dazu aus dem Unep-Report Assessing the environmental impact of consumption and production
– Die Landwirtschaft ist verantwortlich für 20 Prozent der Treibhausgasemissionen – gleich viel wie alle verkehrsbedingten Emissionen zusammen. Die Treibhausgase in der Landwirtschaft sind Methan (Rindermägen,..), Lachgas und Kohlendioxid (Traktoren, Dünger, etc).
– weltweiter Fleischkonusm:
–30% Rind verursacht 78% der land. Treibhausgasemissionen
–38% Schwein verursacht 14 % der land. Treibhausgasemissionen
–32% Hühner verursacht 8% der land. Treibhausgasemissionen

-Die Hälfte der weltweiten Landfläche wird heute für die Landwirtschaft genutzt und 70% des gesamten Wasserverbrauchs.

Und der Fleischkonsum nimmt weltweit stark zu: In China allein hat er sich zwischen 1988 und 1998 verdoppelt und beträgt inzwischen halb so viel wie in Deutschland.

Ohne äusseren Zwang wird sich der Trend nicht umkehren lassen. Der Flächenbedarf für die Landwirtschaft wird sowieso stark zunehmen: Bevölkerungswachstum, reichhaltigere Ernährung (Afrika +400% bis 2050), zunehmender Fleischkonsum und Biotreibstoffanbau sorgen dafür. Wer weiss, vielleicht geht uns das Land aus bevor uns das Öl ausgeht.

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