Die grünende Wirtschaft
07.04.2011 von
In Wirtschaft und Politik gelten die Ziele von «Green Growth» und «Clean Tech» heute als sehr attraktiv. Durch die jüngsten Umweltkatastrophen wurde vielerorts der Wille noch verstärkt, Anstrengungen in Richtung einer «grünen» Wirtschaft zu unternehmen. Das verspricht bessere ökologische Rahmenbedingungen und mehr Arbeitsplätze in umweltschonenden Sektoren. Aber: Wie steht es bei dieser Wandlung um die volkswirtschaftlichen Kosten, die Funktion der Märkte und die Rolle des Staates?
Kosten sind verkraftbar
Eine grünende Wirtschaft zeichnet sich vor allem aus durch eine Verringerung der Emissionen, eine Verbesserung der Ressourceneffizienz und die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien. Ein vordringliches Anliegen ist dabei die Verringerung der CO₂-Emissionen.
Internationale Klimastudien und entsprechende Berechnungen für die Schweiz kommen zum Schluss, dass eine kontinuierliche Anpassung der CO₂-Emissionen an das 2°C-Ziel wirtschaftlich gut verkraftbar ist. Ein Wachstum wird nicht verunmöglicht, sondern leicht verzögert. Für gewisse Branchen ergeben sich sogar eindeutige Vorteile. Faktoren wie Einwanderung und eine abweichende ausländische Politik sind dabei für die Schweiz mit in die Betrachtung einbezogen worden¹. Was vermieden werden muss sind kurzfristige Schocks wie die Energieschocks in den 1970er Jahren. Damit können wir in der Regel nicht sehr gut umgehen.
«Magic of the Marketplace»
Studien und Prognosen sind für die Meinungsbildung wichtig, treffen aber in der Politik selten bis nie auf volle Zustimmung. Umweltschutz und Energieeffizienz werden bisweilen immer noch als teuer bezeichnet. Indes, was teuer und was billig ist lässt sich nur abschätzen, wenn der Kostenbegriff umfassend verwendet wird, also z.B. Fixkosten in der Zukunft oder soziale Kosten nicht unterschlagen werden. Nur volle Kosten signalisieren den Marktteilnehmern die tatsächlichen Knappheiten und steuern so deren wirtschaftliche Entscheidungen über die Preise optimal.
Die Anpassungsfähigkeit von Marktwirtschaften wird in der öffentlichen Diskussion oft unterschätzt. Die Tugenden unseres dezentralen und flexiblen Steuerungssystems der Ökonomie sind aber gerade für die Ziele der grünen Wirtschaft relevant. Der frühere US-Präsident Ronald Reagan sprach oft vom «Magic of the Marketplace» und meinte damit, dass ein marktwirtschaftliches System mit Limitierungen gut umgehen kann, vor allem über Innovationen.
Private Initiative und Staat
Eine anderes Argument zweifelt nicht am Ziel der grünen Wirtschaft sondern am Weg dorthin. Die Wirtschaft könne Ziele wie Emissionsvermeidung am besten selbst verfolgen, staatliche Nachhilfen seien deshalb unerwünscht, wird manchmal argumentiert. Es ist nicht zu bezweifeln, dass viele Firmen schon viel in Richtung Emissionsminderung und Ressourceneffizienz unternommen haben.
Gesamtwirtschaftlich ist der Umweltverbrauch aber immer noch sehr hoch und das Tempo der Emissionsreduktionen im Klimabereich zu gemächlich; es bleibt eine Rolle für den Staat. In jüngster Zeit sind es vermehrt auch «Vorreiter-Firmen», die eine verstärkte allgemeine Umweltschonung fordern, auch über Umweltabgaben. Damit werden ihre eigenen Investitionen nicht ab- sondern zusätzlich aufgewertet, weil sie in den neuen Märkten zuerst Fuss gefasst haben.
Gibt es den Gestaltungswillen?
Wenn die Gestaltbarkeit Richtung grüne Wirtschaft gegeben ist, wird der Gestaltungswille entscheidend. «All we need now is the political will», sagt Nobelpreisträger Paul Krugman in der New York Times zum Thema «Building a Green Economy». Auf dem politischen Parkett haben sich in den letzten Wochen einige Wandlungen vollzogen, aber eine langfristige Neuausrichtung in Richtung Nachhaltigkeit ist noch keineswegs garantiert. Erst ein gefestigter gesellschaftlicher Konsens über die ausgewogene Verbindung von Ökologie und Ökonomie wird helfen, die Farbe der Wirtschaft anhaltend zu verändern.
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¹ siehe unsere Studie «How rich is the 2000 Watt Society? »(pdf, 1.5 MB >hier)
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Zum AutorLucas Bretschger ist Professor für Ressourcenökonomie an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie
Kommentare (4) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen
Sehr geehrter Herr Professor Bretschger,
Ihre Studie «How rich is the 2000 Watt Society?» hätte durch einen Einbezug der Umgebung der Schweiz (Europa und die Handelspartner der Schweiz) einiges an Aussagekraft gewonnen – allerdings wäre sie dadurch auch viel komplexer und weniger stringent geworden.
Um ein Beispiel zu geben: Die Schweiz soll sich in Richtung 2000-Watt Geselllschaft bewegen, während China, das 2011 eine 2000-Watt-Gesellschaft ist, schon in 15 Jahren eine 4000-Watt Gesellschaft sein wird. Von den 2000 Watt , die ein Chinese 2011 braucht, stecken wohl bis zu 700 Watt in Exportgütern (z.B. für die Schweiz), denn die Hälfte der chinesischen CO2-Emissionen im Zeitraum 2002 bis 2005 gingen auf Exportgüter zurück. Verlagert CH seine energieintensiven Betriebe ins Ausland (China, Vietnam, Indien) wird wohl insgesamt mehr Energie verbraucht als vorher, denn die Betriebe der aufstrebenden Länder produzieren energieintensiver.
Wie entsteht auf diese Weise eine globale 2000-Watt-Gesellschaft? Vielleicht so: In China werden viele Häuser noch kaum isoliert, Doppelverglasung ist nicht Standard. Werden die Chinesen reicher, können sie sich die 2000-Watt-Gesellschaft erst leisten. Sie bauen dann besser, leisten sich AA++Kühltruhen und importieren die billigen, energieintenisv produzierten Massenwaren aus neuen aufstrebenden Ländern wie Vietnam, Indonesien, Thailand, den Philippinen. Das lässt die Frage aufkommen: Muss man reich sein, um trotz wenig Energieeinsatz komfortabel leben zu können? Meine Antwort: Es hilft, aber nicht überall. Die Mobilität (Auto,Zug) bleibt sehr energieintensiv. Eine 2000-Watt Gesellschaft scheitert am Automobil oder auch Zug (deutlich mehr als 1000 Watt für Pendeln Zürich-Bern). Werden die Menschen in Zukunft also weniger reisen?? Keine Ferienflüge mehr, Fahrrad anstatt Auto oder Zug?
Hoi Martin,
jetzt schreibst du schon fast wie ich (smile)
nur eine Ergaenzung:
„Limits to Growth enthält sicher viele Fehleinschätungen, vor allem was die Reichweite von Rohstoffen angeht, doch insgesamt folgt die Entwicklung den dortigen Prognosen, wie in Revisiting the Limits to GrowthAfter Peak Oil dargestellt.“
Wie schon oefter vorgeschlagen.
Wir sollten alle mal das Buch zur Hand nehmen
Was gewisse Leute (Journalisten und Oekonomen) ueber
das Buch behaupten (und was dann mit copy und paste)
in die ganze Welt verbreitet wurde entspricht nicht dem Inhalt!
Die einzige Aussage in dem Buch (von 1972) ist die:
Wenn wir nicht schnellsten weg von der Wachstumsgesellschaft kommen dann ist der Kollaps in spaetestens
50-100 Jahren hundert Jahren
unausweichlich (entweder weil wir nicht genug Ressourcen gefunden haben oder wegen der Umweltverschmutzung.
besser haette man es wohl damals nicht formulieren koennen.
Sehr geehrter Herr Professor Bretschger,
angenommen in den nächsten Jahren würde sich ein zunehmender Ölmangel entwickeln, weil die starke steigende Nachfrage aus den Schwellenländern nicht mehr gedeckt werden kann und daraufhin entwickelte sich eine langanhaltende Weltrezession wie im Hirsch-Report vorausgesagt. Ihre Studie «How rich is the 2000 Watt Society? berücksichtigt ein solches Szenario nicht, sondern geht vom Fortbestehen eines günstigen Wirtschaftsumfeld aus, so dass jedes Jahr ein kleiner Schritt weiter in Richtung Green economy gemacht werden kann. Sie subsumieren die nötigen Änderungen für eine grünere Wirtschaft unter den Begriffen Energieeffizienz, Ressourcenenffizienz und Emissionsminderung, was vertraut und machbar tönt, doch es wäre auch die Formulierung möglich: 85% aller weltweit genutzten Energie ist fossilen Ursprungs und bis 2050 müssen wir weitgehend auf Öl, Gas und Kohle verzichten und sie durch nichtfossile ersetzen. Bis 2050 wird sich der Weltenergiebedarf aber auch verdoppeln.
Andere Worte für das Gleiche was sie anstreben, nur eben nicht für die Schweiz, sondern für die Welt formuliert und so formuliert, dass die Herkulesaufgabe, die uns bevorsteht, sichtbar wird.
Ihrer Modellierung einer reichen 2000 Watt-Gesellschaft erinnert an die Weltmodelle, die für Limit to Growth aufgestellt wurden, nur ist ihr Ausblick durchgehend positiv. Die Skepsis gegenüber einer exponentiellen Entwicklung, wie sie in Limit to Growth zum Ausdruck kommt, ist bei ihnen durch den Glauben an den «Magic of the Marketplace» ersetzt. Limits to Growth enthält sicher viele Fehleinschätungen, vor allem was die Reichweite von Rohstoffen angeht, doch insgesamt folgt die Entwicklung den dortigen Prognosen, wie in Revisiting the Limits to Growth
After Peak Oil dargestellt.
Es sind die traditionellen finanzstarken Businesses wie Banken und Versicherungen, insbesondere das Investing, welche meiner Meinung nach beeinflussen kann, ob sich die Märkte in Richtung „green“ (Cleantech, langfristiger und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen, Umweltschutz, Klimaschutz, Energieersparnisse und -effizienz etc) entwickeln können. In diesen Märkten befinden sich auch diejenige Leute, die das Geld und die Macht haben, diesen Paradigmenwechsel zu vollziehen.
Als zweiten Hebel sehe ich den Staat, welche über das Staatsbudget grüne Technologien und umweltfreundliches, energiesparsames Verhalten fördern kann. Z.B. USD 1 Mia weniger Ausgaben in Verteidigung und Sicherheit, dafür grüne Technologien und grünes Verhalten fördern. Wesentlich komplexer, da es sich um Steuergelder und Politik handelt.
Dritter Hebel beruht auf menschliches Verhalten und die Bereitwilligkeit der Gesellschaft und jedes Einzelnen, bewusster mit Konsum, Ressourcen, Energie, Umwelt umzugehen. Wirtschaft und Politik, unterstütz von der Wissenschaft, muss uns vorzeigen, wie und wohin es geht.
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