«No Regret»-Massnahmen auch für den Wald
03.03.2011 von
Die UNO setzt mit dem Internationalen Jahr des Waldes ein Zeichen für den Wald sowie für dessen Schutz und nachhaltige Nutzung. Weltweit ist die Waldfläche seit Jahrzehnten am Schrumpfen und der Zustand der verbleibenden Wälder verschlechtert sich vielerorts.
In der Schweiz aber haben wir seit mehr als hundert Jahren eine strenge Waldgesetzgebung, die Wälder werden naturnah bewirtschaftet, die Waldfläche nimmt zu und gestorben ist der Wald ja auch nicht. Geht uns das Internationale Jahr des Waldes nichts an, können wir uns zurücklehnen?
Alle wollen etwas vom Wald – die holzverarbeitende Industrie, die Pilzsucher und Beerensammler, die Jäger, die Naturschützer, die Klimaschützer, die Touristen und Erholungssuchenden und die Schneekanonen-Betreiber. Und dies sind nur einige wenige der beteiligten Akteure in der Schweiz. Der Wald liefert bei uns und weltweit eine Unmenge an Gütern (nicht «nur» Holz) und erbringt eine grosse Anzahl «Dienstleistungen». Erstaunlich, dass der Wald das alles zustande bringt!
Klimawandel bedroht Leistungen des Waldes
Dass der Wald diese Güter und Dienstleistungen auch in Zukunft noch nahtlos wird erbringen können, ist sehr unwahrscheinlich. Zwar bedroht der Klimawandel in der Schweiz nicht den Wald an sich, ganz im Gegenteil: Die obere Waldgrenze wird in einem wärmeren Klima ansteigen und die Waldfläche insgesamt zunehmen, auch wenn in den trockeneren Teilen der Schweiz das Waldwachstum schwierig werden dürfte. Das einstige Schlagwort «ohne Förster kein Wald» stimmt deshalb sicher nicht.
Adaptives Waldmanagement
Doch der Klimawandel kann den Wald so beeinflussen, dass sich seine Struktur und Artenzusammensetzung drastisch verändern. In vielen Wäldern sind wir darauf angewiesen, dass eine bestimmte Waldstruktur kontinuierlich vorhanden ist: So zum Beispiel im Schutzwald, damit dieser vor Steinschlag schützen kann. Der Forstdienst muss deshalb heute den Wald so bewirtschaften, dass das Waldökosystem diese und viele andere Dienstleistungen auch künftig gewährleisten kann. Dieses so genannte adaptive Waldmanagement ist ein heisses Forschungsthema. Denn ungeeignete Massnahmen, die heute und in den kommenden Jahren getroffen werden, könnten in einigen Jahrzehnten erhebliche negative Konsequenzen haben. Gefragt sind (auch hier) «no regret»-Strategien, also Massnahmen, die zumindest keinen Schaden anrichten, falls sie nichts nützen sollten.
Es trifft deshalb durchaus zu, dass es ohne Förster in Zukunft an bestimmten Orten bestimmte Waldleistungen nicht mehr geben würde: Die vielfältigen Ansprüche der Gesellschaft an das Ökosystem Wald benötigen ein sorgfältiges, langfristig ausgelegtes, den Klimawandel berücksichtigendes Waldmanagement. Diese Tatsache steht in einem erstaunlichen Gegensatz zur abnehmenden Bedeutung und Anerkennung der Waldbewirtschaftung im gesellschaftlichen und politischen Kontext: Viele Erholungssuchende empfinden bald jede Motorsäge als eine Ungeheuerlichkeit, mit der man dem Wald etwas antut, und die öffentliche Hand zieht sich zunehmend aus der Waldbewirtschaftung zurück.
Das Uno-Jahr hat also auch bei uns seine Berechtigung und wird hoffentlich das Bewusstsein von Gesellschaft und Politik für die Rolle des (Fast-)Alleskönners Wald schärfen: Weil wir den Wald brauchen, braucht der von uns gewünschte Wald unsere Bewirtschaftung.
Zum AutorHarald Bugmann ist Professor für Waldökologie an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie
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Kommentare (4) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen
Das kommt mir nicht so vor, dass unsere Wälder naturnah bewirtschaftet werden. Schon mal in diesen Tagen durch den Wald auf dem Zürichberg nahe dem Zoo gewesen? Eine einzige „devastating area“. Die Holzfäller waren wieder unterwegs und trieben ihr Unwesen. Anfangs sah man Schilder auf denen steht, dass Rücksicht auf die Natur genommen wird. Das Gegenteil ist der Fall. Alle ca. 50 m sieht man hässliche Schneisen, in denen kein Baum mehr steht. Soll das naturnah sein? Der Wald hier ist dermassen ausgedünnt und mit so vielen Wegen durchkreuzt, dass für die Tiere kaum Platz mehr ist, um sich zurückzuziehen, gerade im Winter. Früher gab es noch Wege, heute sind es Strassen, die durch den Wald führen, damit auch die breiten Holzfällerungetüme überall hinkommen. Im Herbst werden sie sogar laubgeblasen. Und das im Wald. Und das nennt sich Grün Stadt Zürich.
Vielleicht nimmt die Waldfläche der Schweiz zu, was ich bezweifle. Der Wald selbst wird ausgedünnt über alle Massen. „Man muss alte Bäume fällen, um für die jungen Platz zu schaffen.“ Die Alten sind fort, nun fällen sie auch die Jungen.
Was soll daran naturnah sein?
Hallo Herr Bugmann,
Wie wir die Wueste foerdern koennen.
(oder was man „nachhaltige Entwicklung nennt“)
Clearcutting..
http://www.youtube.com/watch?v=HteYkUYGEdw&feature=related
Was sagt der Experte dazu? Wie soll das Jahr der Uno
das stoppen?
Brauchen wir wirklich noch mehr „feel good“ Statements?
Ordnen wir einfach die Aussagen mal nach den Fakten:
1) „Weltweit ist die Waldfläche seit Jahrzehnten am Schrumpfen und der Zustand der verbleibenden Wälder verschlechtert sich vielerorts.“
Koennen sie das quantifizieren?
Warum ist das so? Wer importiert Holz?
2) Die UNO setzt mit dem Internationalen Jahr des Waldes ein Zeichen für den Wald sowie für dessen Schutz und nachhaltige Nutzung.
Toll, dann ist ja alles gut! Letztes Jahr war das Jahr der Biodiversitaet oder was auch immer. Woelfe haben immer noch
keinen Platz in der Schweiz, ganz im Gegenteil.
Also schlafen wir weiter. Das Jahr 2010 ist ja um.
Naechstes Jahr kuemmern wir uns dann um die Fische
oder besser wie schaffen wir es noch schneller die Erde in eine
Wueste zu verwandeln.
Das Jahr der Wueste, wie ware das?
Sehr geehrter Herr Professor Bugmann,
es ist eine gute Nachricht, dass die bewaldete Fläche in der Schweiz eher zunimmt. Von mir aus könnten der Schweizer Wald durchaus noch naturnäher werden, womit ich standortgerechten Wald meine. Das ist an den meisten Orten ein Misch-oder Laubwald – wobei man aber immer noch oft auf Holzäcker mit dicht gedrängten Tannen trifft. Die meisten Leistungen des Schweizer Waldes sind wahrscheinlich heutzutage nicht mehr ökonomischer Natur, denn bei der Arbeitsintensivität und den heutigen Löhnen ist ein profitabler Wald in der Schweiz wohl eher die Ausnahme. Das hat den Vorteil, dass naturnahe Wälder mit wenig beeinflusstem Wuchs keinen ökonomischen Nachteil mit sich bringen.
Im Zusammenhang mit dem Klimaschutz geistert heute wieder die Idee herum, der Wald könne durch Umstellung auf Holzheizungen bedeutende nichtfossile Leistungen erbringen. Doch das Potential ist sehr beschränkt und nicht einmal 20% des Primärenergieverbrauchs der Schweiz könnte durch massiv erhöhte Wald- und Biomassenutzung ersetzt werden. Das ist auch gut so. Die Schweiz wird zunehmend zu einer grossen Stadt und der Wald blidet den Erholungsraum für diese Agglomeration Schweiz.
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