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Sind Biotreibstoffe sinnvoll?

13.09.2010 von

Treibstoffe aus Biomasse haben in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung zugelegt. Je knapper die fossilen Treibstoffe werden, bzw. je höher der Erdölpreis steigt, desto ökonomisch attraktiver werden die Biotreibstoffe. Die zwei Wichtigsten sind Bioethanol und Biodiesel. Die weltweite Unterstützung mit öffentlichen Mitteln ist jedoch kritisch zu hinterfragen, da unerwünschte Nebeneffekte auftreten.

Biomasse für die Mobilität hat Tradition

Während mehrerer tausend Jahre nutzten die Menschen Tiere, vor allem Pferde, für ihre Mobilität. Diese wurden mit Gras und Hafer, also mit Biomasse, gefüttert. Ein Teil der Grasflächen und Ackerflächen wurde damals also für «Treibstoff» eingesetzt. Die Ablösung der Pferde durch die Dampfmaschine und den Otto- und Elektromotor setzte Agrarflächen frei, die danach vor allem als Futterflächen für andere Tiere eingesetzt wurden.

Mögliche Treibstoffe aus Biomasse

Heute ist Biomasse für Treibstoffe wieder hochaktuell. Im Fokus stehen zum einen die Ethanolerzeugung aus der Restbiomasse, die bei der Zuckerproduktion aus Zuckerrohr anfällt, nachdem die verwertbaren Zuckerarten gewonnen sind. Zum anderen sind es Ackerpflanzen, die ganz und direkt für die Erzeugung von Biotreibstoffen eingesetzt werden. Die wichtigsten sind Raps und Jatropha, welche Öl für die Biodieselproduktion liefern, und Mais, aus dem man Alkohol für Bioethanol gewinnt.

Problematische Auswirkungen auf Nahrungsproduktion und Umwelt

Die Ethanolproduktion aus Zuckerrohr erfolgt aus einen Koppelprodukt der Nahrungsmittelproduktion, also einem Produkt, das bei der Nahrungsmittelproduktion sowieso anfällt. Die Herstellung des Biotreibstoffs kann hier gleichzeitig mit der Nahrungsmittelherstellung geschehen; die beiden konkurrenzieren sich nicht.

Bei Mais, Raps und zum Teil auch bei Jatropha ist dies anders: Hier konkurrenziert die Treibstoffproduktion die Produktion von Nahrungsmitteln – und verursacht mehr Probleme als sie löst. Gründe dafür sind das bereits heute gravierende Problem des ungenügenden Nahrungsmittelzugangs für eine Milliarde Menschen, die Herausforderungen der Nahrungsmittelnachfrage der Zukunft und die Konsequenzen der Klimaerwärmung für viele Regionen der südlichen Hemisphäre. Zahlreiche Studien zeigen zudem, dass die Hilfsstoffe bei der Produktion die Umwelt belasten und dass die CO₂-Bilanz bei weitem nicht so vorteilhaft ist wie angepriesen. Der Grund für letzteres ist, dass fossile Energie für die Produktion von Bioenergie eingesetzt wird.

Verfahren der zweiten Generation

Zukunftsweisend ist damit nur die Treibstoffherstellung aus Biomasse, welche nicht direkt in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion steht. Verfahren der zweiten Generation wie «from Biomass to Liquid»-Verfahren versprechen dabei den grössten Erfolg. Diese Verfahren ermöglichen es, Biomasse, die nicht auf Ackerland gewonnen wird, in Energie umzuwandeln.

Biomasse für Heizenergie kann sinnvoller sein

Eine andere, sinnvollere Idee ist Biomasse für Heizenergie: Die nachhaltige Nutzung der Wälder, sowie Agrarsysteme mit Agroforst erzeugen Biomasse (Holz), welche als Erdölsubstitut für Heizenergie eingesetzt werden kann. Agroforst-Systeme sind quasi komplementär zur Nahrungsmittelproduktion, tragen zur CO₂-Sequestrierung bei und haben einen positiven Effekt auf die lokale Biodiversität. Ja, sie könnten auch zur Kompensierung der agrarbedingten Klimabelastung eingesetzt werden.

Zum Autor

Bernard Lehmann ist Professor für Agrarökonomie an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie.

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Kommentare (35) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

Ab dem 1.Januar 2011 gibt es in der EU den Treibstoff Super E10 mit 10% Bioethanolanteil.
Der spektrumdirekt Artikel Der Öko-Wahnsinn (siehe http://www.spektrumdirekt.de/artikel/1058326 ) erwähnt folgende Nebenwirkungen:
– „Energiepflanzen“ wie Zuckerrüben, Mais oder Raps müssen gedüngt werden, was Lachgas freisetzt, ein Treibhausgas
– Umwandlung von Weiden in Mais- oder Rapsäcker setzt Kohlendioxid frei
– „Energiepflanzen“ erhöhen die Anbaufläche auf Kosten der Natur
– Verbrennung von E10 setzt mehr Schadstoffe frei, unter anderem Blausäure und Ozon
– Biotreibstoff konkurrenziert Nahrungsmittel
– Der Ethanol-Anteil von E10 greift Aluminiumbauteile an und kann Autos mit Aluteilen beschädigen
– Ethanol löst Weichmacher aus Ventilen, Schläuchen und Gummidichtungen
– E10 ist pro Volumen weniger ergiebig: Häufigeres Nachtanken nötig

Biotreibstoffe aus Getreide, aber auch Palmöl schaden dem Klima mehr als die fossilen Treibstoffe, die sie ersetzen sollen. Dies ist das Fazit einer neuen Studie des Londoner Instituts für europäische Umweltpolitik (IEEP) (siehe http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,727695,00.html ).

Hier die Kernaussagen, wie sie im oben referenzierten Spiegelbericht wiedergegeben werden: Insgesamt sollen 2020 in Europa 9,5 Prozent der Energie für den Verkehr aus Biosprit bestehen, der fast vollständig aus Ölsaat, Palmöl, Rohr- und Rübenzucker sowie Weizen produziert werde. Dafür müssten laut Studie weltweit bis zu 69.000 Quadratkilometer Wald, Weiden und Feuchtgebiete als Ackerland kultiviert werden – eine Fläche mehr als zweimal so groß wie Belgien.
Als Folge würden jährlich bis zu 56 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt werden. Das entspreche zusätzlichen 12 bis 26 Millionen Autos auf Europas Straßen.

Für mich entscheidend:
Um 9.9 % des Treibstoffs mit Biosprit abzudecken braucht es 2 Mal die Fläche Belgiens. Das ist doch nichts anderes als eine Art Biokolonialismus. Die reichen Staaten – wer sonst könnte sich das leisten – haben ihre Reserveflächen, die im stillen ihre Bedürfnisse abdecken, aber ausser Bilanz geführt werden (ganz so wie die versteckten Finanzvehikel der im Immobilien- und Hedgefondbereich engagierten „seriösen Banken“). Und es gibt vielerlei Reserverflächen:
– Biospritflächen
– Flächen für Palmöl, das als Nahrungsmittelzusatz dient
(siehe http://www.nzz.ch/nachrichten/international/der_ungestillte_hunger_nach_palmoel_1.7155634.html )
– Flächen für Futtermittel (siehe http://assets.panda.org/downloads/medienmitteilungschweiz_4vlm.pdf )

Fazit:
– Egal ob industrielles Denken oder die Philosophie der Erneuerbarkeit vorherrscht, von Bescheidenheit findet sich weit und breit keine Spur. Wer es sich leisten kann, gönnt sich „zwei Erden“.

$Kommentar von Martin Holzherr. 28.09.2010, 11:14
$Grosse Hoffnungen werden in Biotreibstoffe der zweiten $Generation gesteckt, welche Holz(-abfälle) und schnell $wachsende Pflanzen (z.B. Switchgras) in Bioethanal und $andere chemische Produkte umwandeln.

man sollte auch nicht vergessen das solche angeblichen
Abfaelle in und von der Natur als Kompost genutzt
werden. Nur Dank dieser Methode bleiben die
Felder „ertragreich“.

Aber so ein Detail interessiert in Bruessel recht wenig..

Hoffentlich mehr in der Schweiz!

Grosse Hoffnungen werden in Biotreibstoffe der zweiten Generation gesteckt, welche Holz(-abfälle) und schnell wachsende Pflanzen (z.B. Switchgras) in Bioethanal und andere chemische Produkte umwandeln. Da diese Biotreibstoffe durch Raffinierung von Biozellulose, dem Stoff aus dem Pflanzenzellwände bestehen, gewonnen werden, kann bis zu 50% der Pflanzenmasse verarbeitet werden. Dagegen ist das Potential von Biotreibstoffen der ersten Generation, welche Getreide in Bioethanol umwandeln, begrenzt: Höchstens 10% des Treibstoffverbrauchs lässt sich in den USA durch Bioethanol, gewonnen aus Getreide, ersetzen.

Doch bis jetzt haben sich die Hoffnungen in Biotreibstoffe der 2. Generation nicht erfüllt, weil es noch keine kommerziellen Raffinerien für sie gibt. Solch eine Raffinerie kann bis zu 600 Millionen Dollar kosten und es besteht eine grosse Unsicherheit ob Verarbeitungsprozesse, die sich im kleinen Massstab bewährt haben (zb. thermochemische Prozess), übertragbar sind auf kommerzielle Bioraffinerien. Trotz allem fördert das Departement of Energy in den USA einige solche Projekte. Die Banken sind jedoch zurückhaltend mit Kreditvergaben.
Hier einige Referenzen:
What’s Holding Biofuels Back? (siehe http://www.technologyreview.com/energy/25939/)
Slow Going on Cellulosic Biofuels (siehe http://www.technologyreview.com/energy/25471/)
Breaking Ground on Cellulosic Ethanol(siehe http://www.technologyreview.com/business/19714/
)

Peter,

nicht ueberall wo Wissenschaft drauf steht ist auch Wissenschaft drinnen! (Walfang zum Beispiel!)

Aber verstehe ich dich richtig wir sind uns bei diesem Irrsinn einig?

fast 1 Mrd Menschen hungert und „wir“ verschwenden Gelder um ein bescheidenes EROEI von vielleicht gerade mehr als 1 bei dem Mais in den USA erreichen?

Prof Pimentel hat jede Menge dazu veroeffentlicht

Kommentar von Peter Bühler. 20.09.2010, 18:17
@ Dittmar
“Damit stellt sich die Frage ob es wissenschaftlich verantwortlich ist daran zu forschen?”
Kann nicht dein Ernst sein? Abgesehen von der Forschung an den erwähnten Biotreibstoffen der nächsten und übernächsten Generation*, muss Forschung auch der konventionellen Produktion möglich sein. Ein wesentlicher Teil dieser Forschung liefert das Fundament für die berechtigten Zweifel rund um Biotreibstoffe und die Folgen ihrer Produktion.
Auf 2 der 12 Mio Hektaren der deutschen Agrarflächen z. B. werden heute Energierohstoffe angepflanzt – und es sollen noch deutlich mehr werden. In den USA gehen allein ca. 140 Millionen Tonnen Mais in die Energieproduktion. Riesige Monokulturen und Naturzerstörung im Namen angeblicher Klimarettung.

@ Dittmar

„Damit stellt sich die Frage ob es wissenschaftlich verantwortlich ist daran zu forschen?“

Kann nicht dein Ernst sein? Abgesehen von der Forschung an den erwähnten Biotreibstoffen der nächsten und übernächsten Generation*, muss Forschung auch der konventionellen Produktion möglich sein. Ein wesentlicher Teil dieser Forschung liefert das Fundament für die berechtigten Zweifel rund um Biotreibstoffe und die Folgen ihrer Produktion.
Auf 2 der 12 Mio Hektaren der deutschen Agrarflächen z. B. werden heute Energierohstoffe angepflanzt – und es sollen noch deutlich mehr werden. In den USA gehen allein ca. 140 Millionen Tonnen Mais in die Energieproduktion. Riesige Monokulturen und Naturzerstörung im Namen angeblicher Klimarettung.

* http://www.bguz.uzh.ch/download/ausstellungen/biofuels/vitrine.pdf

„wo bleibt die Kritik?“
Schwer zu beurteilen, ob die UNO und ihre Unterorganisationen unter dem Strich mehr Schaden oder mehr Nutzen anrichten. Ich hege wenig Vertrauen in Monsterbürokratien und deren Masterpläne. Richtig, dass die schweizerische Entwicklungshilfe sich mit ihren Projekten zunehmend der Transparenz verpflichtet fühlt und Kritik entgegennimmt, wo sie angebracht ist.
Die politische Durchsetzung erhöhter staatlicher Beiträge zur EH dürfte sich einfacher gestalten, wenn die Anstrengungen überzeugen und nicht von fragwürdigem Nutzen sind.

schon wieder ein teurer Uno Gipfel

wo bleibt die Kritik von all denen die „Kopenhagen“ hier auf diesem Forum so gerne kritisieren?

Passt doch gut ins Thema Biotreibstoffe oder?

Also als Start schon mal ein Artikel aus dem Spiegel

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,718328,00.html

Sind Biotreibstoffe sinnvoll?

Sollte es nicht eher heissen sind Biotreibstoffe und die Gedanken darueber in einer realen heutigen Welt moralisch vertretbar?

Damit stellt sich die Frage ob es wissenschaftlich verantwortlich ist daran zu forschen? (auch ganz unabhaengig vom Klimaproblem)

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,718412-3,00.html

@ Dittmar

Die Carter-Geschichte lese ich separat.

Inzwischen denke ich ausser an all den weggeschmissenen „Food“ (!), die zahlreichen „fineFood“- und „Sélection“-Produkte, die nutzlos herumstehenden Autos, halbleeren Züge, die überheizten und überklimatisierten Räume, die allgegenwärtigen Lichtorgien, den generellen Konsumwahn, all die unnützen Fahrten, Urlaubsreisen, die absolut blödsinnigen Sport (Hilfs)Geräte, ohne die ein Gang in die Natur nicht mehr möglich scheint etc., – um als eine Art „Fitness-Trainer“ festzustellen, dass sich da enorm viel „Speck“ angesammelt hat.

Entbehrlicher Speck, wenn es denn darauf ankommen sollte, wie du prophezeist. Kein wertendes Urteil über unterschiedliche Lebenseinstellungen und Verhaltensweisen.
Ein jeder nach seiner Façon.

Bleibt die Frage, nach welchen Grundsätzen wir unsere Kinder erziehen sollen: weniger ist meist mehr für jene in den reichen Industriestaaten – mehr ist möglich für jene in den Entwicklungsländern?
Mir scheint, das ist im Gang: ohne bigotten Entsagungsmoralismus, ohne drohenden Zeigefinger, ohne Scheuklappen.

Gegen den Trend und Autobahn-füllende, rollende Logistik-Lager kommen lokale Produzenten, Molkereien, Brauereien (wieder) auf: gute Bauern, Bäcker, Metzger, Handwerker behaupten sich. Der Wissenstransfer kennt keine Grenzen, er benötigt weniger physische Transporte und weniger Energie.

Interessant übrigens betr, Scheuklappen und „Ampel/Kreisel-Philosophien“: den X-Prize gewann ein Fahrzeug mit einem Verbrennungsmotor… http://www.heise.de/newsticker/meldung/Sieger-des-mit-10-Millionen-Dollar-dotierten-Automotive-X-Prize-gekuert-1080837.html

Um zu thread zurückzukehren: Biotreibstoffe, lokal/regional produzierte Energie werden in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Mir fehlen in der Darstellung die von Martin aufgeführten Verfahren der nächsten und übernächsten Generation: Algen, Mikroorganismen…

Wer forscht an der ETeHa daran?

Hier noch was zum Thema..
ein Interview mit Robert Hirsch!

Peak Oil‘ : Jimmy Carter’s Secretary of Energy sounds the alarm

Interview with Robert L. Hirsch (1/2)

***James Schlesinger, President Carter’s Energy Secretary, wrote the foreword to a book written by Dr Robert Hirsch, a former US official who predicts a fall of the oil production within 5 years.***
http://petrole.blog.lemonde.fr/2010/09/16/interview-with-robert-l-hirsch-12

und Teil 2 ..was wissen die Regierungen?

http://petrole.blog.lemonde.fr/2010/09/16/interview-with-robert-l-hirsch-22/

16 septembre 2010

‚Peak Oil‘ : Jimmy Carter’s Secretary of Energy sounds the alarm

Interview with Robert L. Hirsch (1/2)

„Preisfrage: was hat die Situation einer überwiegenden Mehrheit derart verbessert?“

„die gewissenlose Ausbeutung der Dritten Welt?
bedenkenloser, fraudulöser Ressourcenkonsum?
technischer Fortschritt und Entwicklung?
die Gnade einer glücklichen Fügung?
das Bankgeheimnis und deutsche Steuerfluchtgelder?
Bildung und billige Energie?“

——————————————————-
Ich wuerde sagen das wichtigste war:

„die billige Energie!“ hat uns alle in eine Illusion gebraucht das es immer so weiter gehen wird. und wir haben Gedankenlos diese billige Energie verschwendet und tun es immer noch. Und nun ist es bald damit vorbei! Dann kommt die wirkliche Frage.. wird die Bildung ausreichen um damit fertig zu werden?

alle anderen Punkte gibt es auch immer ein bischen wie ueberall sonst!

aber im Gegensatz zum europaeischen Umfeld noch ein wichtiger Punkt.. die Schweiz hat es geschafft sich aus den Weltkriegen heraus zu halten!

Und ja, auch wenn man es manchmal schwer hat es zu sehen. Ich denke in der Schweiz sind sehr sehr viele Menschen viel solidarischer als in anderen Laendern. Gibt es nicht doch etwas so wie eine „tribal culture“? die (noch!) nicht zerstoert wurde. nicht gerade small scale culture aber auch nicht eine Mega-Culture die andere Kulturen einfach unter Teppich kehren moechte.

Eine tief sitzende demokratische Grundhaltung gibt es auch noch! Auch wieder ein Beispiel fuer aus dem andere Laender bestimmt etwas lernen koennten.

Auch das hat einen wesentlichen Beitrag zur heute guten Situation geleistet.

Helfen wir dass diese positiven Dinge nicht in Vergessenheit geraten.

@ Dittmar

Nachtrag

Weisst du, was gelegentlich vergessen geht?

Wie nahe die hier oft zitierten unterentwickelten Gesellschaften unserer hoch technisierten, in Überfluss und Saturiertheit schwimmenden Schweiz stehen.

Frag mal auf einer deiner alpinen Wanderungen einen Bergbauern, unter welchen Umständen er, seine Eltern, Geschwister und Grosseltern aufgewachsen sind und gelebt haben, ob er/sie Hunger und Entbehrungen gelitten haben etc.
Frag deine promovierten Arbeitskollegen nach ihrer Herkunft, ihren Verwandten und Vorfahren.

Die meisten dieser smarten und schnieken jungen Damen und Herren, die in Zürich, Basel, Bern oder Lausanne das Stadtbild prägen, entstammen Familien, die als Arbeiter oder (Klein)Bauern noch vor wenigen Jahrzehnten real, d.h. mit ihren Händen um die Existenz kämpften und Mangel durchaus aus unmittelbarer Anschauung kannten.
Man sieht’s oft noch an den Gesichtern.

Preisfrage: was hat die Situation einer überwiegenden Mehrheit derart verbessert?
die gewissenlose Ausbeutung der Dritten Welt?
bedenkenloser, fraudulöser Ressourcenkonsum?
technischer Fortschritt und Entwicklung?
die Gnade einer glücklichen Fügung?
das Bankgeheimnis und deutsche Steuerfluchtgelder?
Bildung und billige Energie?

@ Dittmar

Ja, ja, ja – und was tun wir dagegen?

Eine Chimäre bekämpfen, Energie künstlich verteuern, damit hauptsächlich die Armen (egal welcher Provenienz) direkt und indirekt (Bio-Fuel) belasten und im Namen eines illusionären Ziels ein paar ausgefuchste Schlaumeier und privilegierte Industrien blödsinnig reich machen?

Einem latenten Gratis-Antiamerikanismus huldigen?

Ohne jede erkennbare Wirkung auf das Klima, by the way…

Nebenbei: in den USA werden geschätzte 40% (Europa 30%) aller Lebensmittel weggeschmissen. In Afrika, Asien verrotten vergleichbare Anteile durch missliche Lagerung.

Dennoch nicht überlesen: der FAO-Bericht verzeichnet einen (statistischen) Rückgang der Hungernden um gut 10% gegenüber dem vorangegangenen Berichtsjahr.
Kein Anlass zu Freudetänzen aber ein Lichtblick.

Irgendwo eine Alternative für Bildung und Entwicklung in Sicht?

dazu noch eine interessante Karte mit detail infos fuer verschiedene Laender:
http://www.fao.org/hunger/en/

dann bevor man auf verschiedene Laender schaut erst mal ne Hypothese aufstellen und dann ueberpruefen

so zum Beispiel China, Indien, Panama, Cuba etc und dann ja komisch die USA sind nicht in der Liste..

aber

http://www.bread.org/hunger/us/

We live in the world’s wealthiest nation. Yet 13 percent of people living in the United States live in poverty.
Nearly one in four children live in households that struggle to put food on the table. That’s 16.7 million children.

http://www.medicalnewstoday.com/articles/32800.php

Hunger in USA rises by 43 percent over last five years

Main Category: Public Health
Article Date: 29 Oct 2005 – 19:00 PDT
da waren es noch
More than 38 million Americans go hungry, including nearly 14 million children –

komisch oder?
(falls man es nicht glaubt .. ich habe es mit eigenen Augen im Jahr 2001/2002 gesehen..)

Die FOA in einem aktuellen Presse-Release zum Thema…

http://www.fao.org/news/story/en/item/45210/icode

http://www.fao.org/docrep/012/al390e/al390e00.pdf

@Kommentar von Tim Schloendorn. 16.09.2010, 14:27
Tim Schloendorn,
ihre Aussage

Hunger ist ein Konkurenz- & Verteilungsproblem, das insbesondere durch die nahezu unlimitierte Nachfrage durch Fleisch & Biotreibstoffe verschärft wird.

habe ich schon öfters in Öko-und Entwicklungskreisen gehört. Doch Hunger ist kein Verteilungsproblem. Dies ist sogar eine gefährliche Fehleinschätzung, denn Nahrung verteilen verhindert vielleicht den momentanen Hungertod, löst aber das grundsätziche Problem nicht.

Richtig ist: Hunger ist ein Armutsproblem. Es betrifft etwa 1 Milliarden Menschen, von denen 70% in ländlichen Gebieten leben und die unter anderem vom Bewirtschaften des Landes leben. Allerdings betreiben diese Menschen eine ineffektive Landwirtschaft auf nur wenig eigenem Boden und ohne Vorratshaltung, so dass ein schlechtes Jahr – z.B. eine Dürre – genügt, um sie hungern zu lassen, denn sie haben ja auch kein Geld um Nahrungsmittel zu kaufen.
Die folgende Quelle http://www.globalissues.org/issue/6/world-hunger-and-poverty fasst das gut zusammen:
If efforts are only directed at providing food, or improving food production or distribution, then the structural root causes that create hunger, poverty and dependency would still remain. They include land rights and ownership, diversion of land use to non-productive use, increasing emphasis on export-oriented agriculture, inefficient agricultural practices, war, famine, drought, over-fishing, poor crop yields

Die Lösung ist auch bekannt: Es ist die lokale Entwicklung, also genau das Gegenteil von dem was in vielen Entwicklungsländern heute passiert: dort werden nämlich grosse Landflächen an Grossinvestoren aus dem Ausland verpachtet und dann zwar effizient bewirtschaftet, aber ohne dass dies der Bevölkerung etwas bringt.

Lokale Entwicklung bedeutet (aus einem erfolgreichen Programm entnommen):
Im Bericht zeigt das UN World Food Program (WFP) in einer Fallstudie einen Weg aus der Krise am Beispiel von fünf Ländern auf: Armenien, Bangladesh, Ghana, Nicaragua und Sambia. In dieser Studie wird aufgezeigt, wie die Familien durch den Ausfall von Geldsendungen und andern Einflüssen des wirtschaftlichen Niedergangs betroffen wurden. Es wird aber auch aufgezeigt, wie in diesen Ländern die Regierung auf die Krise reagierte. So wurde in die örtliche Landwirtschaft und die Infrastruktur investiert und das Sicherheitsnetz für die betroffenen Familien ausgebaut.

@Kommentar von Michael Dittmar. 16.09.2010, 16:19
Hoi Michael,
du schreibst Vielleicht sollte man ja schon mal anfangen
Chinesisch zu lernen (statt Latein?)

Ich habe jedenfalls angefangen regelmässig China daily (siehe http://www.chinadaily.com.cn/) zu lesen. Ein paar Schlagzeilen von heute:
– China: Pressure on yuan ‚may backfire‘
– 1 in 7 Americans live in poverty
– EU to unviel new China relation
– China to boost low-carbon sector, upgrade exports
– Economic zones suffer ‚ecological damage‘

na da ist noch ein wichtiger Nachtrag zum Thema China.

Vielleicht sollte man ja schon mal anfangen Chinesisch zu lernen (statt Latein?) Und ja, also hoffentlich erinnert sich Niger dann dankbar an unsere Hilfe im Jahr 2010 bei der Ueberwindung des Hungers.. (oder wollen wir auch das den Chinesen ueberlassen?)
http://www.caritas.org/activities/emergencies/FoodForAFamishedNation.html

http://www.miningweekly.com/article/china-to-look-abroad-for-uranium-as-nuclear-energy-boom-drives-demand-2010-09-15

„China’s current uranium demand was 1 700 t/y, and this would increase tenfold over the next decade, he told Mining Weekly Online through an interpreter.“

„There is 9 GW of installed nuclear generating capacity. That will grow to 70 GW in the next ten years, so there will be a ten times increase in uranium to about 17 000 t/y in China,“ Huaxiang said.

Asked where China was most likely to pursue uranium acquisitions, he said: „The number-one choice is countries that have large uranium resources, such as Kazakhstan, Australia, Canada and African countries such as Niger.

„We have some very good relationships with companies in those countries.“

Herr Dittmar

hier meine Replik dazu zusammengefasst:

http://3.bp.blogspot.com/_WMpSC7nK3os/Rl9YHmS7jHI/AAAAAAAAAW0/wM-stURzGnk/s320/Bush_finger-bush.jpg

@Kommentar von Michael Dittmar. 16.09.2010, 14:09
@Kommentar von Roger Meier. 16.09.2010, 11:33

Herr Meier, Michael Dittmar hat mit dem chinesischen Modell der Entwicklung einen wichtigen Punkt angesprochen. Um ein Land zu entwicklen müssen möglichst viele Leute einsteigen und aufsteigen können. Bei der Fischerei und auch der profitablen Landwirtschaft sind aber heute nur wenige – und immer weniger – Fischer und Bauern tätig, die immer mehr produzieren und dies auch auf Kosten der Umwelt tun.

In China können immer mehr Leute in die prosperierende Wirtschaft einsteigen, weil letzlich jeder Wanderarbeiter werden kann und hunderttausende von Bauern werden das auch jedes Jahr. Sicher ist das kein schönes Leben als Wanderarbeiter, es ist aber hoffentlich nur auf Zeit. Schon im Jahre 2024 wird bei der jetztigen Entwicklung in China die Kaufkraft diejenige der heutigen Italiener erreichen.

Ihre Idee dagegen, alles auf die Karte Landwirtschaft zu setzen, funktioniert nicht. Unter anderem auch, weil Landwirtschaft Landbesitz voraussetzt und Kleinbauern kaum Land besitzen und auch keine Chance haben je genug Land zu besitzen. Zudem ist profitable Landwirtschaft heute kapitalintensiv.

< effizientere Bewässerung, effizienterer, gezielterer Düngereinsatz ja, mehr davon jedoch nein…
– Hunger ist ein Konkurenz- & Verteilungsproblem, das insbesondere durch die nahezu unlimitierte Nachfrage durch Fleisch & Biotreibstoffe verschärft wird.

Toller Kommentar!
Aepfel und Orangen werden mit Tomaten verglichen und am Ende soll etwas dabei herauskommen?

Also Garbage in Garbage out!

aber der Reihe nach:

—————————————————-
„Kommentar von Roger Meier. 16.09.2010, 11:33
Es ist schon merkwürdig, um Biotreibstoffe anzubauen haben wir angeblich zu wenig Flächen, aber um die schrecklichen Windräder aufzustellen, die wertlosen Zufallsstrom generieren, dazu haben wir genug Flächen.
——————————————————
um welche „Flaechen“ geht es hier im Vergleich?

und von wegen „schreckliche“
Haben sie sich schon mal umgeschaut wie Strommasten aussehen? Und wo die ueberall stehen? Also die sind wirkich schoen.

Ansonsten soll es sogar Romantiker geben die extra nach Holland fahren um alte Windmuehlen zu knipsen und Segeln (Amerikas cup).. ein typischer Volkssport oder?

(aber wer hat jetzt eigentlich die Windraeder ohne Begruendung in diese Diskussion eingebracht?)

so aber jetzt wird es ernst:

„Das Argument mit der weltweitenNahrungsmittelknappheit: Das Problem ist nicht, dass wir den Leuten in der 3. Welt das Essen wegessen.“

Ah, das beruhigt mich sehr! Schon mal im Winter geschaut wo Obst und Gemuese bei der Migro herkommt? und ja Fische aus dem Meer (lieben wir ja sehr)
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,716082,00.html
EU schmiedet Notplan gegen Plünderung der Meere

„Mittlerweile plündern europäische Fischflotten mit riesigen Netzen auch die Meere Afrikas. Weil die EU Millionen Euro an korrupte Staaten zahlt, dürfen europäische Trawler die Fanggründe vor der Küste Afrikas befahren.“

„Das Problem ist die Armut in der 3. Welt. Wir löst man das?“

In dem die Leute in der 3. Welt möglichst produktiv sind und möglichst viel Mehrwert generieren.
Wie können die das machen? Indem sie Computerchips produzieren? Indem sie Flugzeuge bauen?
Nein, sie sollen landwirtschaftliche Produkte herstellen und indem die Preise dafür MÖGLICHST hoch sind.
—————————————————

Ich hoffe das war ironisch gemeint???

Aber falls nicht ..

Chinesen haben einen anderen Weg eingeschlagen 1 Kind Politik gemischt mit einer radikalen Industrialisierung. Und als Resultat haben sie Afrika, Indien etc weit hinter sich gelassen.

Das Problem (ihr Problem?): inzwischen haben sie in vielen Dingen auf dem Weltmarkt eine wichtige Rolle (ja richtig gemein, jetzt machen sie uns auch noch unser Oel streitig, demnaechst das Uran etc etc). (mag ja sein nach dem Motto „wir werden ihnen auch noch den Strick liefern an dem sie (die Chinesen) uns dann aufhaengen).

„Dazu braucht es Abbau der landwirtschaftlichen Subventionen in der westlichen Welt, möglichst hoher Verbrauch von hochwertigen Lebensmitteln wie Fleisch, hoher Verbrauch von Biotreibstoffen.“

Lesen sie doch vielleicht mal ein paar Reports von der immer noch politisch sehr korrekten FAO etc zum Thema

„Alles andere ist Traumtänzerei und verlängert das Elend der Menschen in der 3. Welt.“

Genau, was wir vermutlich brauchen sind wieder Slaven und Kolonien etc (nur nennen wir die dann eben nicht mehr so).

Die Drecksarbeit sollen die machen. Wir machen wenns geht dann auch noch Ferien in den noch schoenen Flecken dieser Erde (aber bitte vorher von den Armen gesaeubert das stoert naemlich bei den Ferien!)

und jetzt vergessen wir alles wieder ganz schnell und erfreuen uns am Strom aus der Steckdose,
ignorieren die Situation im Niger .. denn schliesslich sollen die uns ja nur weiter Uran liefern aber ja nicht an die Chinesen!

@Kommentar von Roger Meier. 16.09.2010, 11:33
Warum sind Biotreibstoffe Killer? Weil die Biotreibstoffe der ersten Generation mit den Nahrungsmitteln konkurrenzieren, Zitat

Given the increased importance of biofuels and the new linkages between agricultural and energy markets, increased cereal yields, if achieved, may not necessarily continue to lead to lower cereal prices. Because the world energy market is so much larger than the world grain market, grain prices may be determined by oil prices in the energy market as opposed to being determined by grain supply.

Warum profitieren nicht alle Bauern von der Nachfrage nach Biotreibstoffen. Weil die meisten Bauern kaum genug Land haben um sich selbst davon zu ernähren. Zitat:

Indeed, over 70 percent of the world’s extremely poor — those people who live on less than US$ one a day — live in rural areas. That’s a billion people, and four out of five of them are farmers to some extent or the other.“

Man sollte meinen, ein Bauer kann sich immer selber ernähren und profitiert von höheren Lebensmittelpreisen, weil er dann durch den Verkauf mehr einnimmt. Ja, hier in der Schweiz stimmt das. Die meisten Bauern besitzen aber so gut wie nichts. In unseren Augen sind es gar keine Bauern sondern einfach Habenichtse.

@Kommentar von Roger Meier. 16.09.2010, 11:33
Herr Meier,
sie haben recht, wenn sie nicht viel davon halten, schreckliche Windräder aufzustellen, die wertlosen Zufallsstrom generieren und den Abbau der landwirtschaftlichen Subventionen in der westlichen Welt fordern.
Sie haben unrecht, wenn sie landwirtschaftliche Produkte [mit] Preisen [fordern], die MÖGLICHST hoch sind, denn hohe Lebensmittelpreise lassen die Armen verhungern. Die Kappung der Importzölle hätte übrigens die Wirkung, dass die Lebensmittelpreise hier sänken und mehr Nahrungsmittel in den Entwicklungsländern produziert werden könnten und damit mehr Bauern dort ein Einkommen fänden.

Doch solange es Arme gibt, die nur einen Dollar pro Tag zur Verfügung haben, müssen die Lebensmittelpreise tief bleiben, dass zeigt doch gerade der Artikel von Roger Pielke Reducing Hunger and the „Iron Law“ of Climate Policy junior (siehe http://rogerpielkejr.blogspot.com/2010/09/reducing-hunger-and-iron-law-of-climate.html).

Die tausenden von Windrädern dagegen, die ein einziges Grosskraftwerk ersetzen sollen, können sie den Jurassieren (in der Schweiz kommt praktisch nur der Jura als Standort in Frage) nicht zumuten und das werden sie auch nicht mitmachen.

Hohe Preise, egal in welchem Sektor, führen immer zur Differentation in zwei Schichten, nämlich in die, die es sich leisten können und in all die anderen. Im Falle der Lebensmittel sind die anderen die [extrem] Armen, die dann auf Lebensmittelhilfe angewiesen sind und/oder verhungern.

Hohe Preise für Dinge, die zum Leben absolut notwendig sind – das sind Nahrungsmittel und ein Mindestmass an Energie – sind tödlich oder verhindern eine Entwicklung für die breite Masse der Bevölkerung, weil sie dann von vornherein ausgeschlossen ist.

Es ist schon merkwürdig, um Biotreibstoffe anzubauen haben wir angeblich zu wenig Flächen, aber um die schrecklichen Windräder aufzustellen, die wertlosen Zufallsstrom generieren, dazu haben wir genug Flächen.

Das Argument mit der weltweiten Nahrungsmittelknappheit: Das Problem ist nicht, dass wir den Leuten in der 3. Welt das Essen wegessen. Das Problem ist die Armut in der 3. Welt. Wir löst man das? In dem die Leute in der 3. Welt möglichst produktiv sind und möglichst viel Mehrwert generieren. Wie können die das machen? Indem sie Computerchips produzieren? Indem sie Flugzeuge bauen? Nein, sie sollen landwirtschaftliche Produkte herstellen und indem die Preise dafür MÖGLICHST hoch sind. Dazu braucht es Abbau der landwirtschaftlichen Subventionen in der westlichen Welt, möglichst hoher Verbrauch von hochwertigen Lebensmitteln wie Fleisch, hoher Verbrauch von Biotreibstoffen.

Alles andere ist Traumtänzerei und verlängert das Elend der Menschen in der 3. Welt.

„unromantisch, gar brutal, Nachhaltigkeit sein kann“

tja genau, das ist ja eben das Dilemma mit der Wahrheit. Manchmal erscheint es besser gewisse Dinge nicht zu wissen.

Aber das Raumschiff Erde ist eben leider auch nur ein Raumschiff..

Die Frage bleibt natuerlich
a) Wer mehr Fläche beansprucht muss mit jemandem tauschen, der mit weniger zufrieden ist.

(wenn man solche Leute nicht findet dann nennt man das vermutlich (Neo) Kolonialisierung oder besser „wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“

wenn das auch nicht klappt.. ja dann

b) Auf eine solche Raumschiffökonomie läuft eben Nachhaltigkeit heraus. Man muss sich teilen was man insgesamt hat und kann nicht immer mehr beanspruchen.

Guter Punkt! Und was hat man unter dem Strick auf diese Art wirklich nachhaltig?

Bei heutigem Wissen nicht Spekulationen von was in 50 Jahren an Wundern moeglich ist

@Kommentar von Michael Dittmar. 16.09.2010, 10:00

“Der Nachhaltigkeitsbegriff hat eben bei vielen einen romantischen Einschlag.”

Zitat: stimmt schon! Deshalb sollten wir
a) Nachhaltig definieren! (also nachfolgenden Generationen
die gleichen oder bessere Lebensbedingungen hinterlassen)

Wie unromantisch, gar brutal, Nachhaltigkeit sein kann, zeigt folgende mögliche nachhaltige Lösung was den Lebensraum, Wohnbedarf betrifft:

Jedem Menschen wird für jedes Lebensalter ein bestimmtes Wohnraumbudget zugeteilt, welches die maximale Fläche festlegt, die er zum Wohnen in Anspruch nehmen kann. Wer mehr Fläche beansprucht muss mit jemandem tauschen, der mit weniger zufrieden ist.

Auf eine solche Raumschiffökonomie läuft eben Nachhaltigkeit heraus. Man muss sich teilen was man insgesamt hat und kann nicht immer mehr beanspruchen.

„Der Nachhaltigkeitsbegriff hat eben bei vielen einen romantischen Einschlag.“

Hoi Martin,

stimmt schon! Deshalb sollten wir
a) Nachhaltig definieren! (also nachfolgenden Generationen die gleichen oder bessere Lebensbedingungen hinterlassen)

b) klar sagen wenn etwas nicht nachhaltig ist

(heute ist praktisch fast nichts nachhaltig.. ausser der Zerstoerung des natuerlichen Kapitals also unserer Lebensgrundlage.. mit dem Zitat von Odum(?)
„Die Natur kann ohne den Menschen leben aber der Mensch kann nicht ohne die Natur leben“

c) danach ueber „Entwicklung“ reden..

ich wuerde ja sagen Entwicklung zu etwas nachhaltigem

aber die meisten Leute die dieses Wort Entwicklung benutzen sprechen von „ewigem Wachstum“ was eben auf einem kleinen begrenzten Planeten unmoeglich ist..

@Kommentar von Michael Dittmar. 16.09.2010, 8:25

Hoi Michael,

Und “wir” Wissenschaftler sind gefordert uns ueber
biofuels Gedanken zu machen

Es scheint schon so: Fast immer wenn der Mensch etwas im grossen Stil verbessern will, wie jetzt zum Beispiel bei der Energieversorgung, die erneuerbar und nachhaltig werden soll, wird die Natur noch mehr beansprucht. Auf der einen Seite spricht man vom ökologischen Fussabdruck und den x-Planeten, die wir schon brauchen, auf der anderen Seite ist dieses Denken in unbegrenzten Resourcen so tief in uns verankert, dass wir für unsere nachhaltigen Bedürfnisse – nach Treibstoff zum Beispiel – gern noch einmal einen halben Kontinent unter den Pflug nehmen wollen.

Der Nachhaltigkeitsbegriff hat eben bei vielen einen romantischen Einschlag. Technische Lösungen schneiden deshalb von vornherein schlecht, bestimmte uralte Formen des menschlichen Gestaltungswillen werden jedoch unkritisch gesehen. Dazu gehört die Kultivierung von Land und die Landnahme an und für sich. Immer mehr Land, ja am Schluss das letzte Fleckchen Erde kommt in den Zugriff des Menschen, überall will der Mensch einen Paradiesgarten schaffen und wenn das nicht geht, dann mindestens eine Plantage.

Kommentar von Martin Holzherr. 15.09.2010, 16:54
@Kommentar von Roger Meier. 15.09.2010, 16:00
„Die Schweizer Landwirtschaftsflächen sind definitiv zu klein“

ja genau! und weltweit wie steht es da?

rund 1/6 der Menschheit hat schon heute (aus verschiedenen Gruenden nicht genug zu essen)

In die Schweiz werden rund 50% aller Nahrungsmittel importiert (dank dem noch billigen Treibstoff)

und 80 000 Tonnen Speiseoel .. pro Jahr! (man braeuchte alle rund 1/4 der landwirtschaftlichen Flaeche der Schweiz dafuer.)

Und „wir“ Wissenschaftler sind gefordert uns ueber biofuels Gedanken zu machen

und sollen gleichzeitig unser Wissen ueber eine nachhaltige Landwirtschaft vergessen oder gar nicht erst erwerben .. geschweige denn einen Beitrag zum Thema zu leisten.

Dabei ist es doch alles recht einfach:

die „Fruechte“ werden gegessen und der Rest wird als Biomasse kompostiert

wer sich Gedanken zur besseren Verwendung macht ohne sich mit der Nachhaltigkeitsfrage zu beschaeftigen (oder schlimmer noch Menschen in anderen Laendern die Flaechen klauen will (so wie man es inzwischen oft ueber die boesen Chinesen(?) lesen kann)

also wie waere es mal mit einer Woche Urlaub auf einem (Bio)Bauernhof..

@Kommentar von Roger Meier. 15.09.2010, 16:00

Die Schweizer Landwirtschaftsflächen sind definitiv zu klein um „Biomasse“ anzubauen und das Land ist zudem zu teuer.
Die folgende Studie (siehe http://www.ta-swiss.ch/a/biot_fuel/TA-SWISS_Biotreibstoffe_Kurzzusammenfassung_e_d_f.pdf) kommt zum Schluss, dass Zitat Based on current fuel consumption, the maximum substitution potential of rather sustainable biofuels for fossil mobility would be 7.3%, from which 4.8% would be produced domestically, while 2.5% would be imported.

Die Schweizer Bauern sollten lieber sowas anbauen als hochsubventionierten Zucker oder Tabak oder was die sonst noch so treiben.

@Kommentar von Roger Meier. 14.09.2010, 23:35

Zitat: was genau wird dann gewonnen aus der Lignozellulose? Wird das dann irgendwie vergärt und es entsteht Ethanol/Methanol?

Lignozullulose ist ein Konglomerat von Zellulose, Hemizellulose und Lignin. Lignin ist in das Grundgerüst aus Zellulose und Hemizellulose eingebaut und macht Holz (und Pflanzenwände überhaupt) damit zum Beton der Pflanzenwelt. Das Cracken (Auftrennen in Bestandteile) von Lignozellulose hat sich als äusserst aufwendig erwiesen.

Die Grundbausteine der fadenartigen Komplexmoleküle Zellulose,Hemizellulose sind verschiedene Zucker, der Grundbaustein von Lignin sind Phenylpropane.

Lignozellulose muss in einem Bioreaktor (Bioraffinerie) in seine Grundbestandteile (Einfachzucker, Phenylpopane) aufgespalten werden. Diese Grundbestandteile sind dann die Ausgangsbestandteile für das Endprodukt Ethanol (gewöhnlicher Alkohol), der wegen seinem biologischen Ursprung Bioethanol genannt wird. Ethanol wird aus Zucker durch Vergärung gewonnen – genau so wie beim Schnapsbrennen.

Siehe:
http://www.pp.bme.hu/ch/2007_2/pdf/ch2007_2_05.pdf
http://www.netzwerk-lebenszyklusdaten.de/cms/webdav/site/lca/shared/Veranstaltungen/2006LcaWerkstatt/ArbeitsgruppeA/A6-Uihlein.pdf

@M. Holzherr

was genau wird dann gewonnen aus der Lignozellulose? Wird das dann irgendwie vergärt und es entsteht Ethanol/Methanol?

Ob Biotreibstoffe sinnvoll sind, ist tatsächlich noch eine offene Frage – da hat Prof. Bernhard Lehmann recht. Die Erwartungen in Biotreibstoffe sind jedenfalls in gewissen Ländern, nämlich in den USA, Brasilien und teilweise auch der EU, sehr gross, allerdings nicht in die Bioreibstoffe der ersten Generation, welche mit der Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und den fast fehlenden Treibhausgasreduktionen mehr Probleme machen als lösen, sondern in Biotreibstoffe der zweiten und dritten Generation, also den Treibstoffen, die man aus Lignozellulose und Algen gewinnen kann.
Wir sind hier in einer ähnlichen Situation wie bei vielen erneuerbaren Energien: die gegenwärtigen Lösungen und Erfahrungen sind ernüchternd, die Erwartungen in die Zukunft aber gewaltig.

Auch die Motive für den Einsatz von Biotreibstoffen sind unterschiedlich: In den USA steht die Treibstoffsouveränität im Vodergrund, in der EU erhofft man sich damit, die Klimaziele über importierte CO2-neutrale Treibstoffe zu erreichen, denn die Alternative für Biotreibstoffe, das Elektromobil verlangt nach viel mehr Strom – und Strom wird in der erneurbar orientierten Zukunft Europas eher weniger produziert als heute.

Biotreibstoffe der ersten Generation

Zitat: Je knapper die fossilen Treibstoffe werden, bzw. je höher der Erdölpreis steigt, desto ökonomisch attraktiver werden die Biotreibstoffe

Ab einem Barrel Preis von 70 Dollar können den optimistischsten Schätzungen zufolge Biotreibstoffe der 1. Generation profitabel – ohne Subventionen – angebaut werden. Doch mit Getreide und Zuckerrohr als Ausgangsstoff sind die benötigten Agrarflächen riesig. Zudem sind für Biotreibstoffe aus Getreide kaum Treibhausgasreduktionen zu erwarten. Der Zuckerrohranbau und Palmölanbau schneidet, was die Treibhausbilanz betrifft, etwas besser ab, ändert aber nichts an den riesigen Landflächen, die oft dem Urwald abgewonnen werden.
Die USA wollen bis 2022 mit solchen Biotreibstoffen der 1.Generation, teilweise aber auch schon der 2.Generation im Rahmen des RFS2 (Renewable Fuel Standard Acts) 36 Milliarden Gallonen Ethanol jährlich herstellen . Dies entspricht 2.4 Millionen Barrel Öl pro Tag. Allerdings kann dieses Ziel voraussichtlich nicht vollständig erreicht werden (siehe http://www.biomassmagazine.com/article.jsp?article_id=3474), denn die Lignozellulose verarbeitenden Raffinieren, die nötig sind, sind vorerst noch im frühen Prototypstadium. Damit wären wir beim zweiten Thema

Biotreibstoffe der zweiten Generation

Lignozellulose ist der universelle pflanzliche Baustoff (Zellwand) und macht 50% des Gewichts eines Baumstamms aus. Ausgangsstoffe für die Lignozellulose-raffinierung können pflanzliche Abfälle, aber auch schnellwachsende Gräser wie Switchgrass sein. Über Biotreibstoffe aus Lignozellulose lässt sich folgendes sagen:
– mit heutigen Raffinerieverfahren wäre ein Barrel-Preis von 120 Dollar nötig für konkurrenzfähigen Treibstoff
– Neue Lignocellulose-Crackverfahren könnten bei einem Barrel Preis von 50 Dollar konkurrenzfähig werden
– Lignozellulose-Bioraffinerien sind äusserst teuer, benötigen grossen Durchsatz um rentabel zu sein
– bis zu 30% des US-Treibstoffverbrauchs könnten durch Lignozellulose gedeckt werden
– bis zu 80% weniger CO2-Produktion als mit fossilem Treibstoff

Biotreibstoffe der 3. und 4. Generation

Algen als Ausgangsstoffe für Biotreibstoffe sind interessant wegen ihres schnellen Wachstums, jedoch haben Jahrzehnte der Forschung noch nicht zu rentablen Produkten geführt. 4.Generations-Biotreibstoffe sind zweck-synthetisierte Organismen (siehe http://news.mongabay.com/bioenergy/2007/10/quick-look-at-fourth-generation.html), welche Karbon-negativen Treibstoff liefern können, weil sie teilweise sequestriert werden können. 4.Gen.Biotreibstoffe sind viele Jahre in der Zukunft.

Fazit:
– Biotreibstoffe der ersten Generation sind ineffizient was Landverbrauch, Energieeinsatz und CO2-Einsparung angeht
– Biotreibstoffe der zweiten Generation versprechen viel, benötigen aber teure Raffinerien, die es noch nicht gibt
– Biotreibstoffe sind für Europa als Importgüter interessant, denn die nötige Landfläche in Europa fehlt. In zukünftigen Szenarien mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien fehlt auch der Strom für Elektromobile.

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