Halbzeit in Kopenhagen
15.12.2009 von
Am letzten Freitag gab es einen grossen Ruck in den Klimaverhandlungen in Kopenhagen. Wir stehen vor einer ziemlich neuen Ausgangslage.
Aller Anfang ist schwer
Nach den gedämpften Erwartungen im Vorfeld verliefen die Verhandlungen in Kopenhagen anfangs letzter Woche sehr zäh. Sie knüpften an den langwierig errungenen Vorschlägen an, die wir Delegierte aus der ganzen Welt im Verlaufe des Jahres während Wochen erarbeitet hatten.
In Kopenhagen muss ein Riesenberg bewältigt werden: Die Verhandlungen dauern den ganzen Tag und meist bis weit in die Nacht hinein. Zusammen mit Delegationskollegen aus der Verwaltung bin ich für die Bereiche LULUCF (Land Use, Land-Use Change and Forestry – Senkenwälder) und REDD (Reducing Emissions from Deforestation in Developing Countries – Abholzung tropischer Wälder) zuständig. Die Verhandlungen laufen auf zwei Schienen: Einerseits erarbeiten wir eine Nachfolgevereinbarung für das Kyoto-Protokoll, andererseits ein neues Abkommen, welches die USA, sowie Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien verbindlich in den Klimaschutz einbinden möchte.
Neue, spannende Ausgangslange
Mitten in einer LULUCF-Verhandlung wird am Freitagmorgen vom Vorsitzenden angeordnet, alles zu unterbrechen. Es werden auf beiden Schienen gänzlich neue Verhandlungstexte vorgelegt (Nachfolgevereinbarung Kyoto-Protokoll, Neues Abkommen). Sie stellend einen Syntheseversuch der Vorsitzenden der Arbeitsgruppen dar.
Insbesondere der Text über das neue Abkommen lässt aufhorchen: Er legt ein Schutzziel vor, dass die Erwärmung der Erde auf 1.5°C oder 2°C begrenzt. Die Mehrheit der Länder hält nur 2°C noch für machbar und der Delegierte von Tuvalu, der die Vereinigung der Inselstaaten (AOSIS) vertritt, bricht in den Verhandlungen weinend zusammen (lesen Sie mehr dazu hier).
Die Zahlen im wissenschaftlichen Kontext
Als Wissenschaftler freut mich, dass der im Papier skizzierte Absenkpfad für das Klimaschutzziel von maximal 2°C sich auf die wissenschaftlichen Untersuchungen abstützt, wie sie im letzten Bericht des IPCC dargestellt sind. Bis 2050 weltweite Absenkung des Treibhausgasausstosses zwischen 50 bis 85% gegenüber 1990, für die Industrieländer 80-95%, obwohl da in Abweichung zum IPCC Bericht auch 75-85% vorgeschlagen wird. Bis 2020 Absenkung des Treibhausgasausstosses in den Industrieländern zwischen 25 bis 45% gegenüber 1990, in Abweichung zum IPCC Bericht der bloss von 25-40% spricht. Auch für die Schwellenländer liegen die erforderlichen Eckdaten vor: 15-30% Reduktion bis 2020 unter der Business-As-Usual Entwicklung. Sollte man sich auf diese Werte einigen können, rückte wider Erwarten das angestrebte Klimaschutzziel von 2°C durchaus noch in den Bereich des Möglichen.
Hundertausende vor Ort
Am Samstag sollen alleine in Kopenhagen mehr als 100’000 Menschen demonstriert haben. Ich habe beim Verhandeln nichts davon mitbekommen. Als ich nach Mitternacht von den REDD-Verhandlungen in mein Hotel zurückkehre, ist kaum noch etwas davon zu sehen.
Die Konferenz platzt aus allen Nähten: Es wurde mit 15’000 TeilnehmerInnen gerechnet, es sollen über 33’000 angemeldet sein. Aus Sicherheitsgründen wird der Zugang für Nichtdelegierte tagesweise verlost.
Die Minister sind über das Wochenende eingetroffen und werden den Verhandlungen neues Gewicht geben. Die zweite Woche wird auf alle Fälle sehr spannend.
Zum AutorAndreas Fischlin ist Professor für Systemökologie an der ETH Zürich. Als Wissenschaftsvertreter nimmt er zurzeit als Mitglied der Schweizer Delegation an der Klimakonferenz in Kopenhagen teil. Persönliches Zitat und Biografie
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