ETH-Klimablog - Politik - Klimaschutz-Regime braucht flexiblere Architektur

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Klimaschutz-Regime braucht flexiblere Architektur

30.11.2009 von

Im Vorfeld der Klimakonferenz in Kopenhagen müssen wir uns fragen: Wie wirksam sind die Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und ihr Kyoto-Protokoll? Und soll die gegenwärtige Architektur des Kyoto-Protokolls auch nach 2012 beibehalten werden?

Wirksamkeit des Kyoto-Protokolls?

Die Frage nach der Wirksamkeit von UNFCCC und Kyoto-Protokoll führt, je nach Bewertungskriterien, zu unterschiedlichen Antworten. Wenn Verhandlungen, Deklarationen und Verträge per se als Erfolg gewertet werden, wie es PolitikerInnen und Medien gerne tun, erscheint der Kyoto-Prozess in günstigem Licht. Wenn wir den Erfolg anhand des Erreichens der Kyoto-Ziele messen (mindestens 5% Reduktion durch die Industrieländer gegenüber 1990), sieht die Bilanz bisher ebenfalls recht gut aus – ohne Anrechnung der Senken wurde eine 4%-Reduktion (Zahlen für 2007) erreicht. Wenn wir jedoch annehmen, dass eine Konzentration von 450ppm CO₂-Äquivalente das Problem lösen würde (globale Erwärmung um maximal 2 Grad), sind wir von einer Problemlösung noch weit entfernt.

Eigentliche «Therapie» steht noch bevor

Die UNFCCC und das Kyoto-Protokoll sollten wir vor allem als «diagnostische» Schritte betrachten. Sie dienen dazu, das Problem besser zu verstehen, einen globalen Konsens darüber zu erzielen, was getan werden muss, und mit verschiedenen Politikinstrumenten zu experimentieren. Die eigentliche «Therapie» steht noch bevor, und die Medizin schmeckt bitter. PolitikerInnen scheuen in der Regel Massnahmen, die in kurzer Frist hohe Kosten und erst in langer Frist erkennbare Nutzen erzeugen. Hinzu kommt, dass jeder Staat der Welt von Emissions-Reduktionen anderer Staaten profitieren kann, auch wenn er selbst nichts beiträgt. Die Kombination dieser zwei Probleme hat zu den «weichen» Verpflichtungen im Kyoto-Protokoll geführt.

Vorschläge für ein flexibleres Klimaschutz-Regime

Wie es nach der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls (2008-2012) weitergehen wird, ist im Moment noch unklar. Die Positionen der 192 UNFCCC-Mitgliedsstaaten liegen weit auseinander. Die Klimakonferenz in Kopenhagen (COP 15) wird wohl kaum mehr als einen Plan für weitere Verhandlungen liefern. Um eine Lähmung des Verhandlungsprozesses zu vermeiden, sollte die Architektur des Klimaschutz-Regimes flexibler gestaltet werden. Dies könnte in folgender Form geschehen:

  1. Die UNFCCC-Staaten einigen sich auf ein klar formuliertes globales Ziel, z.B. eine Stabilisierung auf dem 450ppm-Niveau, ein Emissionsbudget von 1000 Gigatonnen CO₂-Äquivalente im Zeitraum 2000 bis 2050, oder eine Limite von einer Tonne CO₂-Äquivalente pro Person und Jahr im nationalen Durchschnitt im Jahr 2050.
  2. Konkrete, auf das globale Ziel abgestimmte Emissionszuteilungen für den Zeitraum bis 2020 werden nach bestimmten Kriterien (z.B. historische Schuld, prognostizierter Beitrag an die globale Erwärmung bis 2050, ökonomische Kapazitäten) auf 5-10 Ländergruppen verteilt. Also nicht mehr auf einzelne Länder (mit Ausnahme der EU) wie im Kyoto-Protokoll, sondern z.B. auf Weltregionen.
  3. Diese Ziele, Emissionszuteilungen sowie diejenigen Schlüsselelemente des Kyoto-Protokolls, die sich bisher als wirksam erwiesen haben, werden in Form eines neuen Protokolls zur Klimarahmenkonvention festgehalten.
  4. Innerhalb dieses globalen Rechtsrahmens wird ein nach Ländergruppen organisierter Folgeprozess initiiert. Jedes Land offeriert einen konkreten Beitrag zum Ziel der jeweiligen Gruppe. Bereits heute liegen diverse Angebote (pledges) einzelner Länder vor (www.climateactiontracker.org), die als Ausgangspunkt dienen können. Ein vergleichbarer Prozess hat innerhalb der Europäischen Union bereits für den Zeitraum 2008-12 stattgefunden.
  5. Basierend auf diesen nationalen Angeboten, die hohen Anforderungen in Bezug auf Transparenz und Umsetzbarkeit unterliegen müssen, schliesst jede Ländergruppe ein Zusatzprotokoll ab, welches an das globale Abkommen «angedockt» wird. Dieser Folgeprozess kann je nach Ländergruppe eine unterschiedliche Geschwindigkeit aufweisen. Eine internationale Behörde definiert Qualitätskriterien für diese Zusatzprotokolle und überwacht deren Einhaltung.
  6. Ambitiöseren Staatengruppen steht es frei, positive Anreize (z.B. Finanzhilfe, erleichterter Handel mit Emissionsrechten) oder negative Anreize (z.B. Steuern auf Treibhausgas-intensiven Importgütern) einzusetzen, um weniger ambitiöse Staatengruppen zu einer forscheren Gangart zu motivieren.

Ich denke, dass diese Kombination von formeller Zielsetzung und Emissionszuteilung auf globaler Ebene und von Umsetzungsmechanismen auf der Ebene von Ländergruppen der Problemlösung langfristig zuträglicher sein könnte als die gegenwärtige, sehr schwerfällige Architektur des Klimaschutz-Regimes.

Zum Autor

Thomas Bernauer ist Professor für Politikwissenschaft an der ETH Zürich. Persönliches Zitat und Biografie

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Kommentare (3) >Alle Kommentare aufklappen>Alle Kommentare zuklappen

„das Interesse an dem Blog scheint leider nicht sehr gross zu sein“

Richtig. Es gibt aber Blogs wie Wattsupwiththat, die im letzten Monat 2 Millionen Hits hatten. Ja, 2’000’000 Hits mit einem Blog, der sich parktisch nur mit dem Klimawandel befasst.

Wieso sind wir hier nur zu zweit, während es dort 2 Mio Hits pro Monat hat? Vielleicht weil die Leute über die Facts und Daten diskutieren wollen, und nicht nur „science is settled“ hören wollen? Wollen Sie nicht gesagt bekommen: Wir sind die Elite und wir sind uns einig, und ihr seid nur tumbe Amateure, also glaubt uns alles. Ist nur so eine Theorie von mir.

„Man sieht ueberall verschieden Bereiche von x Jahren mit unterschiedlicher Laenge bei denen es kaelter war als vorher“

Man sieht, dass es während des mittelalterlichen Klimaoptimums an vielen Orten der Welt *wärmer* als heute war.
– Das stellt den Einfluss des CO2 etwas in Frage
– Das stellt die Höllenfeuer- und Armageddon-Theorien („der Planet hat Fieber“) etwas in Frage

Hi Simo Häyhä,

das Interesse an dem Blog scheint leider nicht sehr gross zu sein. Aber was solls, geht ja nur um die Zukunft fuer uns und folgende Generationen.
zu:

>http://pages.science->skeptical.de/MWP/MedievalWarmPeriod.html
>Fährt mit der Maus auf die verschiedenen Graphen für eine >Vergrösserung und klickt auf den Graphen für zusätzliche >Informationen
>So, der Dialog ist eröffnet (wurde auch Zeit)

ja habe ich gemacht. Man sieht ueberall verschieden Bereiche von x Jahren mit unterschiedlicher Laenge bei denen es kaelter war als vorher. Experimentelle Fehler Angaben fehlen leider. Was soll man daraus folgern?

Es gibt verschiedene Phaenomene die das lokale Klima veraendern ausser dem CO2. Wie gross war der weltweite Mittelwert und Fehler?

Sie haben das sicher genauer analysiert und koennen das beantworten.

Gab es Vulkanausbrueche, wie war der Albedo Effekt etc

Wenn die Daten wirklich so gut sind dann sollte die Antwort einfach sein.

mit besten Gruessen

michael

Ich habe in der November-Ausgabe des ETH Globe die Ankündigung dieses Blogs gelesen und war sehr neugierig. Da steht was von:
Debatte, ETH als Honest Broker, Dialog verstärken, offen für alle Beiträge etc.

Wie neugierig war ich! Schliesslich befasse ich mit mit der Sache seit ca. 1990, ich bin also quasi von Anfang an dabei. Ich habe hunderte von Webseiten und Blogs darüber gelesen, meine Bookmarks zu diesem Thema reichen mittlerweile über den ganzen Screen. Bis jetzt konnte ich aber sämtliche Blogs und Seiten ganz klar unterscheiden in:
– Klimaalarmisten
– Klimaskeptiker
Ein Vermittler dazwischen wäre etwas neues im ganzen World Wide Web gewesen!
Aber was sehe ich: Ein ganz normaler Klimaalarmisten-Blog! Es kommen nur Alarmisten zu Wort und die Link-Sammlung ist auch gut sortiert: 100% Alarmisten-Blogs. Was will die ETH mit solch politischen Statments bezwecken? Ihren guten Ruf möglichst schnell verlieren?

Z.B. eurer Satz:
„Vor allem die starke und schnelle Erwärmung seit 1970 ist mit natürlichen Klimaschwankungen nicht mehr erklärbar“
So ein extremes Statment muss doch sehr gut belegt werden, ihr haltet euch doch für Wissenschafter!

Ihr könnt natürlich auch die Beweislast umkehren, in Ordnung, ich fange mal an.
Jetzt zeige ich euch, dass der Temperaturanstieg der letzten 40 Jahre absolut nichts ungewöhnliches sind:

Ein Speech von Professor Bob Carter:

http://blip.tv/file/791876?filename=Jkarlock-BalanceContextInTheGlobalWarmingDebate445.flv

Jetzt zeige ich euch, dass die momentanen Tempearturen nichts Beunruhigendes sind. Hier die Temperaturen an verschiedenen Orten der Erde während des mittelalterlichen Klimaoptimums:

http://pages.science-skeptical.de/MWP/MedievalWarmPeriod.html

Fährt mit der Maus auf die verschiedenen Graphen für eine Vergrösserung und klickt auf den Graphen für zusätzliche Informationen

So, der Dialog ist eröffnet (wurde auch Zeit)

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