Ein Leben von Aah! bis Leiche: Krünitz und seine „Oekonomische Encyklopädie“

Ganze 242 Bände umfasst die gigantische „Oekonomische Encyklopädie“, das Lebenswerk von Johann Georg Krünitz (1728 – 1796). Bemerkenswert ist nicht nur der Umfang dieser bedeutenden Quelle zur Wirtschaft und Technik seiner Zeit, sondern auch die Todesumstände seines Autors.

In Anbetracht des beachtlichen Umfangs von 169‘000 Seiten mit über 9‘000 Abbildungen und einem Bearbeitungszeitraum von 82 Jahren ist es kaum verwunderlich, dass Ausrichtung und Titel gelegentlich angepasst wurden. Es wurden Begriffe wie alphabetische Ordnung, Kunstgeschichte, Erdbeschreibung und Naturgeschichte ergänzt und wieder weggelassen. Der überwiegende Teil der Bände trägt den Titel „Oekonomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus und Landwirthschaft und der Kunstgeschichte“, gängig ist jedoch die Nennung des Kurztitels „Oekonomische Encyklopädie“.

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Ausstockung (Krünitz, Bd. 3, Fig. 35)

Angefangen hat alles aufgrund eines „harmlos“ anmutenden Auftrags von Verleger Joachim Pauli in Berlin, welcher vorsah, zwei in französischer Sprache herausgegebene Lexika zu übersetzten und zu einem Werk zusammenzufügen. Doch schon die ersten Bände von 1773 hat Krünitz beträchtlich erweitert und ergänzt.

Verwunderlich ist das nicht, denn Krünitz‘ Wissen und Fähigkeiten waren breit gefächert. Er studierte Medizin und Naturwissenschaften in Halle (Saale) und Frankfurt (Oder) und schloss 1749 mit Promotion ab. Praktische Fähigkeiten konnte er sich einerseits als Arzt, andererseits als Übersetzer, Autor und Herausgeber verschiedener Werke im Bereich Naturwissenschaft, Medizin und Ökonomie aneignen. Er konnte jederzeit auf seine Privatbibliothek zugreifen, die rund 15‘000 Bände umfasste. Krünitz war sehr fleissig und bewies immenses Durchhaltevermögen. Er soll täglich 12 bis 16 Stunden gearbeitet haben und erst der Tod vermochte Krünitz 1858 zu einem äusserst makabren Zeitpunkt von seiner Arbeit abhalten. Krünitz schrieb sich seinen Tod nämlich buchstäblich herbei, wie im Vorbericht des 73. Bandes zu erfahren ist:

„Schon arbeitete er an gegenwärtigem drey und siebzigsten Bande, und er vollführte einige Bogen davon bis zum Artikel Leiche. Auch diesen hatte er schon angefangen, wovon verschiedene Seiten ununterbrochen ausgearbeitet waren […]“

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Jüdischer Friedhof (Krünitz, Bd. 73, Taf. 2, Abbildung übernommen aus Marcus Herz: Über die frühe Beerdigung der Juden. Berlin: Voss, 1788)

Diverse Bearbeiter setzten das Werk fort, bis es endlich 1858 durch Carl Otto Hoffmann fertiggestellt werden konnte. In Anbetracht des Bearbeitungszeitraums überrascht es nicht, dass die „Oekonomische Enzyklopädie“ als Gesamtwerk nicht mehr ganz zeitgemäss war. Bis heute stellt sie jedoch eine bedeutende Quelle für Fragen zur Wirtschaft und Technik in der Zeit zwischen Aufklärung und Industrialisierung dar.

Das gesamte Werk aus unserem Bestand befindet sich gegenwärtig in der Digitalisierung. Derzeit sind die Bände 1 bis 11, 12 bis 32 und 73 bis 80 via e-rara.ch online verfügbar.

4 Gedanken zu „Ein Leben von Aah! bis Leiche: Krünitz und seine „Oekonomische Encyklopädie““

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  2. Eine XML/SGML-konforme und recherchierbare elektronische Volltextversion der zwischen 1773 und 1858 in 242 Bänden auf 144.000 Seiten mit knapp 10.000 Abbildungen erschienenen Originalausgabe des Krünitz ist seit 2002 online frei zugänglich im Netz. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Vorhaben wurde an der Universität Trier realisiert. Image-Ausgaben mit OCR-generiertem ‘dirty text’ bieten seit zwei bis drei Jahren u. a. die Bayerische Staatsbibliothek und die Österreichische Nationalbibliothek an, die ihre Krünitz-Exemplare im Rahmen unterschiedlicher Retro-Digitalisierungsprojekte online gestellt haben. Die Trierer Edition “Krünitz online” (www.kruenitz.uni-trier.de/) bietet darüber hinaus maßgeblich erweiterte Suchmöglichkeiten wie Suche nach Bildinhalten, Volltextsuche auf Grundlage eines im Double-Keying-Verfahren generierten kontrollierten Textes und Suche mit DDC-Notationen und DDC-Beschreibungen auf Grundlage der durchgehend systematisch erschlossenen Lemmata sowie die bibliographische Auflösung einer Vielzahl der im Original zumeist nur in abgekürzter Form zitierten Literaturangaben). Worin wird der Mehrwert der Ausgabe in (dem von uns hoch geschätzten) Portal e-rara.ch liegen? Werden durchgehend die Bände der 1. Auflage zu Grunde gelegt oder kommen auch solche der 2. Auflage oder des Brünner Nachdrucks von Traßler zum Tragen?

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  3. Sehr geehrter Herr Seifert

    Haben Sie vielen Dank für Ihren Kommentar und den Hinweis auf die verschiedenen, bereits abgeschlossenen Digitalisierungsprojekte. Der Funktionsumfang der Online-Version der Universität Trier ist tatsächlich sehr beeindruckend. Im Vergleich mit den bereits verfügbaren Online-Versionen (z. b. Bayerische Staatsbibliothek und Österreichische Nationalbibliothek) kann der Mehrwert des nun via e-rara.ch zugänglichen Exemplars der ETH-Bibliothek (1. Auflage) in der Digitalisierungsqualität gesehen werden, die dem gedruckten Original ziemlich nahe kommt.

    Freundliche Grüsse
    Fabian Schneider

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