11 Jahre nach der Schliessung der Stiftung Documenta Natura liegt der Bildbestand digital vor

Wer kennt sie nicht, die paarweisen Vergleichsbilder, in denen wir auch noch im Erwachsenenalter gerne nach den zehn Unterschieden fahnden. Eine unvergleichbare Entdeckungslust fordern auch die Bildsequenzen von Docu­menta Natura. Allerdings übersteigen hier die Unterschiede meist die Zahl zehn. Eine Grünfläche ist durch ein Shopping-Paradies ersetzt worden, eine Schrebergartenanlage durch eine Zollstation, das lauschige Wäldchen durch ein Tunnelportal, der spärliche Baumwuchs durch einen neuen Bannwald.

Blick (Westansicht) auf das Brünnenfeld vor und nach dem Bau des Zentrums ‹Westside›, Bern, 2002/2008 (Dia_303-14253, Dia_303-14259, Dia_303-14439, Dia_303-14443)

Die fotografische Methode ist simpel, das Ergebnis in Form von Tableaus augenfällig und bestechend in seiner Aus­sagekraft: Vorher – nachher, damals – heu­te, so präsentieren sich die Langzeitdokumentationen von Documen­ta Natura zwi­schen 1987 und 2010.

Südostansicht des Dorfplatzes Boppelsen ZH, um 1930/1992 (Dia_303-05438)

Die vergleichenden Dokumentarfotografien beschreiben die schweizerische Landschaft und Zivilisation und regis­trieren deren Wandel. Sie sind der Versuch einer sorgfältigen und differenzierten Spurensicherung; sie erlauben eine ruhige, nuancierte visuelle Wahrnehmungsarbeit und fördern dadurch die inhaltliche Auseinandersetzung über die Schweiz. Das Projekt Documenta Natura war auf Dauer angelegt. Der Wert der Sammlung wuchs mit jeder Fotoserie.

Viele der Fotoprojekte konnten nicht fertiggestellt bzw. weiterverfolgt werden. In Bern-Brünnen ist neben dem Einkaufs- und Freizeitzentrum (siehe oben) ein neues Wohnquartier entstanden. Die Basisaufnahmen vor dem Bau der Siedlung existieren, die Folgeaufnahmen hingegen nicht. So schlummern viele Fotografien im Bildarchiv der ETH-Bi­bliothek und die Geschichten, die sie erzählen könnten, bleiben unvollständig und erfahren keine Fortset­zung.

Beispielsweise in Andermatt; wo sich durch das in den letzten Jahren entstandene Tourismusprojekt mit Hotel, Golfplatz und Appartements die Landschaft mit dem ehemaligen Waffenplatz völlig gewandelt hat:

Blick (Ostansicht) vom Dorfteil Wiler auf den Talboden mit Andermatt, Bahnhof und Kaserne, 2008 (Dia_303-16740, Dia_303-16744)

Oder der Talboden bei Bodio, wo das Südportal des neuen Gotthard Basistunnels gebaut wurde:

Südostansicht des Talbodens bei Pozzo Negro südöstlich des Dorfes Bodio vor und während dem Bau des Südportals, 1999/2002 (Dia_303-07775, Dia_303-07781, Dia_303-07790, Dia_303-07793)

Bis zur Schliessung der Stiftung arbeiteten die Fotograf*innen analog mit Grossbildkameras 4×5` auf Diamaterial mit­tels Einzelaufnahme oder in Form von mehrteiligen Panoramaaufnahmen bestehend aus 2 – 5 Einzelaufnah­men. Als Er­gänzung wurde auch S/W-Negative sowie eine zusätzliche Ansicht mittels Kleinbild­kamera erstellt; erst im Nachgang wurden die Tableaus digital aufbereitet und zusammen mit einer umfassenden inhaltlichen, wie tech­nischen Bild­beschreibung elektronisch erfasst.

Die Fortschreibung der Fotoserien ist  bei der neu erstellten Digitalisierung auf e-pics nur teilweise gewährleis­tet – das bedeutet, dass die Fotosequenzen über die Entstehungszeit von teilweise mehreren Jahren im Suchresul­tat nicht zwingend chronologisch dargestellt und somit von der Benutzer*in selber gruppiert werden müssen.

Documenta Natura ist Geschichte und es ist aus damaliger und nicht weniger aus heutiger Sicht bedauerlich und absolut unverständlich, dass die Institution mangels Unterstützung auf Bundesebene im Juli 2010 unverhofft ihren Betrieb einstellen musste. Zum Glück bot die ETH-Bibliothek Hand für eine schnelle und unbürokratische Über­nahme des gesamten Archivbestandes (Fotografien und Akten). Dass die Bilddokumente – zwar etwas verspätet, als ursprünglich geplant – nun online über e-pics abrufbar sind, ist für die damaligen Macher*innen tröstlich und eine späte Genugtuung und Anerkennung ihrer Arbeit.

So bleibt uns an dieser Stelle an alle, in irgendeiner Form am Projekt Documenta Natura beteiligten Personen, ein grosses Dankeschön auszusprechen.

Südansicht der Südtribüne und Osttribüne des alten und neuen Wankdorfstadions, Bern 2001/2006 (Dia_303-13458, Dia_303-13462, Dia_303-13471, Dia_303-13474)

Fotos: Documenta Natura; Roger Huber, Hans Kobi / Eidg. Archiv für Denkmalpflege; Sammlung Wehrli

Text: Roger Huber, Ronald Roggen, Klaus Spechtenhauser

Link: Bestand von Documenta Natura in e-pics Bildarchiv online

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