Die Pläne für einen eigenen Atomreaktor an der ETH Zürich

Seit 1930 werden die Gebäude der ETH Zürich durch ein Fernheizkraftwerk mit Wärme und Heisswasser versorgt. Als die Anlage 1956 an ihre Grenzen stiess, wurde die Suche nach einer neuen leistungsfähigeren Lösung lanciert. Der Direktor des Kraftwerks und ordentliche Professor für angewandte Elektrotechnik, Bruno Bauer, sprach sich für einen Atomreaktor aus. Zusammen mit namhaften Partnern aus der Privatwirtschaft wie die BBC (heute ABB), die Gebrüder Sulzer AG, oder die Escher Wyss AG wurde ein Konsortium gebildet. Geplant war der Bau eines kleinen Versuchskraftwerks in einer Kaverne an der Clausiusstrasse, direkt neben dem ETH Hauptgebäude. Weder der Schweizerische Schulrat noch der Zürcher Regierungsrat oder der Stadtrat äusserten Sicherheitsbedenken wegen eines Reaktors mitten in der Stadt. Alle drei Räte unterstützten die Pläne.

Lageplan zum Vorprojekt für das Atomkraftwerk FHK an der ETH Zürich, 13.2.1957 (ARK-ETH01:1)

1959 reichte das Konsortium ein Gesuch um Bundessubventionen ein. Zeitgleich buhlten 2 weitere Projekte für Versuchsatomkraftwerke um die finanzielle Unterstützung des Bundes. Die Energie Nucléaire S. A. (Enusa) plante einen Westschweizer Reaktor und wurde von der Maschinenindustrie und den Elektrizitätsgesellschaften der Romandie unterstützt. Die ebenfalls als Aktiengesellschaft organisierte Suisatom wurde von den führenden Elektrizitätsgesellschaften der Schweiz finanziert. Die BBC sollte die Projektierung und Bauleitung übernehmen. Im Gegensatz zu den beiden anderen Projekten ging es der Suisatom nicht um die Entwicklung eines eigenen Reaktors, sondern um die Erfahrungen im Betrieb eines bereits erprobten Reaktors.

In gut schweizerischer Manier suchte der Bundesrat einen Kompromiss und beschloss bloss 1 Projekt zu unterstützen. Dieses Projekt sollte Elemente aller 3 Eingaben enthalten. So wurde der Versuchsreaktor wie von der Enusa vorgesehen in Lucens (VD) nach den Plänen des ETH-Fernheizreaktors gebaut und nach dem Konzept der Suisatom betrieben.

Nach grossen Verzögerungen und obgleich viele Teilhaber – u.a. die Gebrüder Sulzer AG und die BBC – das Projekt verlassen hatten,  wurde der Reaktor im Frühjahr 1968 dem Betrieb übergeben. Bereits im folgenden Januar kam es zu einem Kontrollverlust. Probleme mit dem Kühlsystem hatten zu einer partiellen Kernschmelze geführt. Damit war der schweizerische Traum vom selbst entwickelten Reaktor ausgeträumt.

Link: Die Archive und Nachlässe der ETH-Bibliothek besitzen mit dem Archiv zur Geschichte der Kernenergie in der Schweiz eine weltweit wohl einzigartige Sammlung von Akten und Medien zur Geschichte der zivilen Nutzung der Kernenergie.

Schreibe einen Kommentar