Neue IT-Umgebung: Unterstützung Eintrittsprozesse

Interview zur Einführung der neuen IT-Umgebung, um die Mitarbeitenden-Eintrittsprozesse zu unterstützen.

Ende November wurde die neue IT-Umgebung zur Unterstützung der Mitarbeitenden-Eintrittsprozesse eingeführt. Als Teil davon wurde die Schnittstelle zwischen der Personendatenbank der ETH und SAP neu implementiert. Obwohl extern wenig sichtbar, spielt diese Umgebung eine sehr wichtige Rolle in der zentralen Datenhaltung der ETH. Wir haben einige Fragen zu diesem Thema an Ursula Eggenberger (Projektleiterin seitens Abteilung HR), Adrian Fischer (Leiter CCSAP), Giorgio Broggi (Leiter ID SWS), Paul Föhn (technischer Projektleiter SAP) und Davor Kupresak (Verantwortlicher für die PDB-seitige Schnittstelle) gestellt.

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Begriffe wie «Unterstützung der Mitarbeitenden-Eintrittsprozesse» oder «Schnittstelle PDB-SAP» sind für nicht Eingeweihte ziemlich unklar… Worum handelt es sich genau?

GIORGIO BROGGI

Ich starte mit der Situation im Jahr 1996, werde mich aber trotzdem kurz halten (lacht). Damals waren die Daten der ETH-Angehörigen – wie bei praktisch allen Universitäten – auf drei Systeme verteilt: Studierenden-, Dozierenden-, und Mitarbeitenden-System (letzteres ohne Lohnverarbeitung, denn die Löhne wurden damals zentral in Bern im «PERIBU» bearbeitet). Die Einführung der ersten ETH-Karte stellte die Herausforderung dar, eine zentrale, personenorientierte Datenhaltung einzuführen. Jede Person wäre nur einmal in der Datenhaltung aufgetreten, mit den Beziehungen (Student-, Dozent, Mitarbeiter, jede auch mehrfach vorkommend) als Attribute dazu, und hätte nur eine ETH-Karte bekommen. Viele Kollegen anderer Unis hatten die Unterstützung des Managements für das grosse Daten-Reorganisationsprojekt nicht, oder hatten Angst vor der Komplexität der Unternehmung… Resultat: sie kämpfen heute noch mit offline Abgleichen oder (inzwischen aus der Mode gekommenen) Meta-Directories. Ich hatte das Privileg, die volle Unterstützung von Rektorat, Direktion ID und Personalabteilung zu erhalten. So wurde die Personendatenbank, die «PDB» geboren. Deren Geburtswehen waren übrigens gewaltig, Kollege Alfred Sohm, der das ganze technisch sehr nachhaltig realisierte, musste wochenlang Daten manuell bereinigen. Trotzdem konnte die ETH-Karte, wenn auch ein Semester verspätet, eingeführt werden. Die grösste technische Herausforderung war aber die Realisierung der Schnittstelle PDB-SAP. Damals war SAP R/3 (Version 3.5) zwar schon betriebswirtschaftlich extrem fundiert aufgebaut, aber auch extrem monolithisch und geschlossen. Das machte mich – als frühen Vertreter des Systemintegration-Ansatzes – sehr skeptisch, etwas das natürlich mit der Entwicklung der SAP-Technologien keinen Bestand mehr hat. Nach negativen Meinungen von etlichen SAP-Beratern konnten wir das Konzept jedoch «durchboxen». Die resultierende Schnittstelle lebte gezwungenermassen ein Fremdkörper-Dasein in der SAP Landschaft, war technisch komplex und fehleranfällig. Trotz aller (auch berechtigten) Kritik ist sie aber mehr als 15 Jahre gelaufen, und hat die einheitliche zentrale Datenhaltung ermöglicht… vielleicht war sie doch besser als ihr Ruf…

 

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Es ist aber immer noch nicht klar, wozu man eine Schnittstelle SAP PDB überhaupt brauchte…

GIORGIO BROGGI

Die Grundidee der PDB ist es wie gesagt: ein Datensatz pro Nase. Wird ein Student immatrikuliert, ein Dozent ernannt, oder eine Mitarbeiterin angestellt, so muss man zuerst einmal schauen, ob die Person bereits in der PDB vorhanden ist. Ist dies der Fall, so sind nur Aktualisierungen (neue Beziehungen, neue Attributenwerte) vorzunehmen. Sonst muss die Person in der PDB generiert werden, damit der Record den richtigen unique identifier bekommt. Für die Systeme des Lehrbetriebes, die dieselbe DB-Instanz wie die PDB nutzen, ist dies kein Problem. Für das damalige SAP, hingegen praktisch unmöglich. Wir mussten also die Eintrittsprozesse auf zwei Applikationen verteilen: «KarteMA» für das Anlegen in der PDB, SAP HR für die «richtige Anstellung». Dieser Medienbruch war für die Personalabteilung sehr unangenehm, wurde aber im Interesse der Schule akzeptiert, was hoch zu schätzen ist. Dank dieser langsichtigen Entscheidung von HR konnte ein fortschrittliches Informationssystem, das OIS, aufgebaut werden, und darauf das Identity Management System nethz, eine weitere, echte Pionierleistung der ID… vor lauter Schwärmen soll ich aber die Schnittstelle in die Gegenrichtung nicht vergessen, welche die Anstellungsdaten in die PDB als Attribute der Person ablegt.

 

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Die Personaladministration hat also mehrere Jahre ein Medienbruch in den Eintrittsprozessen «als Opfer erlebt». Ist dies der Grund, wieso HR ein totales Re-Engineering der Eintrittsprozesse angestrebt hat?

URSULA EGGENBERGER

Ja, der genannte Medienbruch ist einer der Hauptgründe. Die grosse Änderung des Eintrittsprozesses geschah aber bereits im Jahr 2012, als Human Resources auch für den Eintrittsprozess den Papierweg mit der elektronischen Abwicklung (Workflow) abgelöst hatte. Änderungen an bestehenden Anstellungen wie beispielsweise eine Verlängerung oder eine Änderung des Beschäftigungsgrades werden bereits seit 2010 elektronisch über das ETHIS-Portal abgewickelt. Zurück zum genannten Medienbruch. Der Bruch bedeutete immer auch einen zeitlichen Unterbruch im Arbeitsprozess, und dies für rund 4‘500 Eintrittsprozesse im Jahr. Wenn also die Personalsachbearbeiterin einen Eintrittsantrag in ETHIS erhielt, wechselte sie in die OIS-Umgebung, erfasste dort die neue Person (oder übernahm eine bestehende) und löste damit automatisiert die sogenannte Massnahme «Erstübernahme PDB» – wir nennen es auch den Ministamm – in SAP aus. Der Ministamm ist zwingende Grundlage für die effektive Datenspeicherung eines Eintrittes. Erst wenn dieser bereit war – etwa 10 Minuten später – konnte die Personalsachbearbeiterin weiterfahren und den Workflowtask aus ETHIS in die automatisierte Datenspeicherung schicken.

Mit diesem Unterbruch im Arbeitsprozess haben die Personalsachbearbeiterinnen lange gelebt; als Opfer würde ich sie dennoch nicht bezeichnen, das ist etwas gar dramatisch ausgedrückt. Und doch, mit dem elektronischen Eintrittsprozess war die Personalsachbearbeiterin nun gezwungen, sich nicht nur in zwei, sondern gleich in drei Anwendungen – ETHIS-Portal, OIS und SAP Backend – anzumelden und zu navigieren. Dieser Umstand verstärkte das bereits lange bestehende und berechtigte Anliegen, die Daten aus OIS doch gleich in der SAP-Umgebung anzuzeigen, sodass der Hüpfer in die PDB (OIS) nicht mehr nötig war. Und dies konnte nun umgesetzt werden, das ist super!

Es gab aber noch weitere Gründe, die Schnittstelle neu zu implementieren. Die Datenpflege sollte in beiden Systemen gleichberechtigt möglich sein und der Datenaustausch in beide Richtungen erfolgen. Bis anhin war es zum Beispiel so, dass die Personalsachbearbeiterin eine Adresse oder eine Sozialversicherungsnummer nur in OIS ändern durfte. Neu kann sie sämtliche Änderungen auch in SAP anpassen und OIS übernimmt diese Änderungen. Es gibt somit kein «Leadsystem» mehr. Ein weiterer Grund, die Schnittstelle anzupassen war, dass wir den Endanwendern schneller aktuelle Daten in ihren jeweiligen Systemen zur Verfügung stellen wollen. Das ging mit der veralteten Schnittstelle leider nicht mehr. Vielleicht sollte Adrian Fischer als Leiter CCSAP dazu noch etwas sagen …

ADRIAN FISCHER

Ja das stimmt so. Unter anderem war die veraltete Technologie der Schnittstelle aber immer auch ein Betriebsrisiko, da sie nur von wenigen beherrscht wurde, intransparent war und der Unterhalt/Weiterentwicklung der komplizierten Programme nicht mehr möglich war – mit vernünftigem Aufwand.

 

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Bedeuten die neuen Prozesse mehr Autonomie und Datenpflegefreiräume für die Departemente?

URSULA EGGENBERGER

Nein, die Anwender/innen in den Departementen und Bereichen merken nur wenig davon, da dieser Teil der Abwicklung in der Personalabteilung stattfindet. Es gab aber ein paar Änderungen für die Linie, ich komme gleich darauf zu sprechen. Die meisten Änderungen sind technischer Art. Die Umsetzung des neuen Datenaustausches von OIS und SAP war eine grosse Arbeit, Davor Kupresak und Paul Föhn waren hier mit viel Detailfragen konfrontiert. Von dieser Umstellung war als Konsequenz auch die Vergabe der Personalnummer und die Datenspeicherung (durch den Wegfall des Ministamms notwendig) betroffen. Paul Föhn hat die Datenspeicherung völlig neu implementiert, eine riesige Leistung! Auf Seiten der Workflows wurde ebenfalls angesetzt. Hier wollten wir technisch vereinfachen; dazu gehörten die Ablösung der Workflows von ISR und die unabhängige Führung der einzelnen Workflowszenarien. Die WebDynpros wurden dabei für alle Rollen vollständig neu aufgesetzt. Den Entwicklungsteil für die Workflows hat unsere externe Beraterfirma BCB wie immer kompetent übernommen. Nicht zuletzt gehörte auch der Kartendruck mit der Integration der elektronischen Fotos zu einem weiteren Arbeitspaket.

Zurück zu der Frage: Wir haben die Gelegenheit genutzt, und für die Linie, insbesondere für die administrative Assistentin als Prozess-Starterin, gleichzeitig einige Optimierungen umgesetzt. Das System erkennt neu einen möglichen Wiedereintritt: Beim Prozess-Start wird der administrativen Assistentin angezeigt, ob die neu anzustellende Person bereits einmal an der ETH angestellt war. Auch die Reihenfolge der Arbeitsschritte haben wir verbessert. Die administrative Assistentin wird als erstes durch die persönlichen Daten und Dokumente des künftigen Mitarbeitenden geführt, bevor sie die Anstellungsdaten eingibt. Und die Büroadresse erhielt zur besseren Übersicht einen eigenen Reiter im Prozesspfad.

Die WebMaske (OIS-Applikation) für die Erfassung von persönlichen Daten und Dokumente durch den künftigen Mitarbeitenden haben wir mit ein paar neuen Angaben ergänzt und einige Dinge, die immer wieder zu Missverständnissen geführt hatten, angepasst.

 

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Mit ETHIS hat die SAP-Umgebung praktisch alle ETH-Mitarbeitende erreicht und sich als Supportprozess-Drehschreibe der ETH etabliert. Welche Bedeutung hat das gerade abgeschlossene Erneuerungsprojekt in diesem Kontext?

ADRIAN FISCHER

Die neue PDB Schnittstelle entlastet einerseits den Support und das Betriebsrisiko, bietet aber ganz neue Möglichkeiten Daten aus beiden Anwendungen (OIS und SAP) zu verknüpfen und anzureichern. Wir sind wieder in der Lage Weiterentwicklungsprojekte zu starten. Im Rahmen der Ablösung der Schnittstelle mussten grössere Teile des HR-Workflows (Eintrittsprozesse) angepasst werden. Das haben wir auch genutzt um hier die Basis für Vereinfachungen und Optimierung zu legen. Unter anderem wurden alle ETHIS Oberflächen neu geschrieben und an die aktuellen Vorgaben im ETHIS angepasst.

 

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Mit dem Projekt «refine» möchte die ETH die finanzielle Steuerung der Schule neu definieren und die SAP-Lösung neu implementieren. Geht die neuimplementierte Umgebung in dieselbe Richtung?

ADRIAN FISCHER

Ja. Alle Anpassungen wurden bereits im Hinblick auf eine mögliche Implementierung durch refine vorbereitet. Das heisst der Code ist so flexibel gestaltet und gut dokumentiert, dass er zum grössten Teil wiederverwendet werden kann.

 

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Wieso ist hier von einer IT-Umgebung die Rede, und nicht einfach von einer SAP-Implementierung?

PAUL FÖHN

Die Schnittstelle tauscht Personen- und Anstellungsdaten zwischen Applikationen der Lehre, SAP (Personal, Finanzen) und Identity / Access Management aus. Diese Plattformen unterscheiden sich nicht nur technisch, sondern auch bezüglich der Anforderungen an Quantität, Qualität und zeitlicher Verfügbarkeit der oben erwähnten Daten.

 

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Ist es möglich, die IT-Architektur der SS kurz und einfach zu beschreiben?

PAUL FÖHN

Ein zentraler Architekturentscheid war, dass relevante Daten «synchron», also sofort bei Mutation, an alle interessierten Applikationen verteilt werden. Ein weiterer wichtiger Architekturentscheid war, dass keine Plattform die «Datenhoheit» besitzen soll, dass also alle involvierten Applikationen auszutauschende Daten bewirtschaften können. Natürlich gibt es keine Regel ohne Ausnahme, doch wir wollen es bei diesen grundsätzlichen Architekturentscheiden belassen.

Aus einem technischen Blickwinkel heraus, verwendet die Schnittstelle ein paar wenige Oracle Tabellen, in welche die involvierten Subsysteme geänderte Daten reinschreiben und interessierte Applikationen Daten rauslesen. Dabei ist immer die lesende Applikation dafür verantwortlich, dass die Semantik der kodifizierten Daten für ihren Bereich richtig ist. Zu diesem Zweck wurde eine so genannte Mapping Tabelle erstellt.

 

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Was macht die Implementierung der Schnittstelle PDB-SAP trotz modernen Technologien so komplex und aufwendig?

PAUL FÖHN

Um es ganz deutlich zu sagen, die Technik war nicht das Problem (und ist es meistens nicht bei Softwareentwicklungs-Projekten), sondern die verschiedenen Ansichten und Meinungen der Fach- und IT-Abteilungen, sowie fehlende Kommunikation. Gut, einverstanden: Bei der grossen Anzahl von betroffenen Applikationen und inhomogenen Benutzerschaft ist dies auch zu einem grossen Teil verständlich….

 

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..das ganze klingt nach «piece de resistence»…

PAUL FÖHN

Ein zweites, noch grösseres «piece de resistence» waren die End-To-End Prozesse zu verstehen. «Was passiert eigentlich, wenn ich dieses Feld verändere?»

Die Fach- und IT- Abteilungen waren sich zwar bewusst, was eine Änderung bei ihnen auslöst, sie waren sich aber vielfach nicht bewusst, dass der «ETH-weite» Geschäftsprozess damit nicht abgeschlossen war, sondern sich über Applikationsgrenzen hinweg fortsetzt. Diese ETH-weiten Geschäftsprozesse zu erkennen und zu verstehen, nahm ein grosser Teil der Anforderungsanalyse in Anspruch.

 

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Waren die Entwicklungen ausserhalb der SAP-Umgebung auch aufwändig und komplex?

DAVOR KUPRESAK

Die Entwicklungen ausserhalb der SAP-Umgebung wurden in zwei Bereichen aufgeteilt. Die Implementierung der gesamten Schnittstellenlogik wurde in der Oracle-DB, und die Anpassung des BackOffice Clients KarteMA in PowerBuilder realisiert. Alle Packages, Prozeduren, Triggers, etc. wurden in der Oracle DB neu geschrieben, was sehr aufwändig war. Wie Paul bereits erwähnt hat, das Verstehen von vielen Prozessen war, neben der Implementierung, ebenfalls sehr aufwändig. Die Komplexität von diesen Prozessen hat sich dann auch auf den Code niedergeschlagen.

 

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Ist das Projekt jetzt wirklich abgeschlossen?

URSULA EGGENBERGER

Fast. Die Einführung hat Ende November stattgefunden, mit einem umfangreichen GoLive-Szenario. Herzlichen Dank an dieser Stelle an alle Beteiligten! Die neue Schnittstelle und der neue Eintrittsprozess sind in Betrieb, so gesehen, ist das Projekt abgeschlossen. Nun haben wir die ersten Erfahrungen im produktiven Betrieb gemacht. Es läuft gut, bei der Integration der elektronischen Fotos für den Druck der Personalausweise, bei der Handhabung von Adressen und beim internen Meldeverfahren bezüglich Datenaustausch in der Schnittstelle sind jedoch noch Korrekturen und Optimierungen vorzunehmen. Wir sind daran, die offenen Punkte aufzunehmen, damit bald korrigiert werden kann. Und dann fehlt noch das Wichtigste…..

GIORGIO BROGGI

Ja genau, ich muss noch ein Abschlussessen organisieren, dies steht aber ganz hoch in meiner Pendenzenliste…..

 

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1 comment on «Neue IT-Umgebung: Unterstützung Eintrittsprozesse»

  1. Wo ist der Mitarbeitenden Eintrittsprozess dokumentiert? Die Umsetzer der neuen IT-Umgebung haben diese Dokumentation(en) als Grundlage für ihre Arbeit verwendet.

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