Schweizer Frontisten in der Waffen-SS

Ab den frühen 1930er Jahren sammelten sich rechtsextreme Kräfte in der Schweiz in der Frontenbewegung, welche sich stark am nationalsozialistischen Vorbild orientierte. Nach Anfangserfolgen verlor die Bewegung sukzessive an Bedeutung und geriet durch behördliche Verbote unter Druck. Einzelne Unbeirrbare schlossen sich der Waffen-SS an und zogen an deutscher Seite in den Krieg.

Die Schweizerische Frontenbewegung

In den 1930er Jahren formierten sich in der Schweiz zahlreiche Gruppierungen, die nach politischer Erneuerung riefen, nach einer neuen politischen Ordnung auf «völkischer» Grundlage. Sie orientierten sich teilweise stark am Nationalsozialismus und am Faschismus. Viele dieser Gruppierungen trugen den Begriff «Front» in ihrem Namen, womit sie ihrer Kampfbereitschaft Ausdruck verliehen. Im Frühjahr 1933, dem sogenannten «Frontenfrühling», schlossen sich die beiden im Umfeld der Hochschulen entstandenen politischen Gruppierungen «Neue Front» und «Nationale Front» sowie weitere Gruppierungen zu einer Kampfgemeinschaft, zur «Nationalen Front», zusammen. Unter der Leitung des Landesführers Rolf Henne zählte die «Nationale Front» zu ihrer Blütezeit knapp 9000 Mitglieder. Sie bekannte sich zum Führerprinzip und vertrat antisemitische Inhalte.

Flugblatt für eine antisemitische Kundgebung der Nationalen Front, Ortsgruppe Aussersihl am 23.Oktober 1935 (AfZ Nachlass Wolf Wirz / 7)
Flugblatt für eine antisemitische Kundgebung der Nationalen Front, Ortsgruppe Aussersihl am 23.Oktober 1935 (AfZ Nachlass Wolf Wirz / 7)

Bereits 1935 verlor die «Nationale Front» fast die Hälfte ihrer Mitglieder. Aufgrund der Nähe zum Nationalsozialismus distanzierten sich die anderen Parteien zunehmend von ihr. Die «Nationale Front» verlor in den folgenden Jahren weiter an Mitgliedern und löste sich Anfang 1940 auf.

Mutter Helvetia und die Nationale Front: Zeichnung von Car Böckli für den Nebelspalter, 19.08.1943 (AfZ Nachlass Carl Böckli / 387)
Mutter Helvetia und die Nationale Front: Zeichnung von Car Böckli für den Nebelspalter, 19.08.1943 (AfZ Nachlass Carl Böckli / 387)

Schweizer Freiwillige in der Waffen-SS

Neben Abenteurern, Stellenlosen und Personen, die ins Visier von Behörden oder Justiz geraten waren, zog es auch überzeugte Nationalsozialisten nach Deutschland, um direkt an deutscher Seite gegen den Kommunismus in den Krieg zu ziehen. Auch Franz Riedweg und Benno Schaeppi, deren Nachlässe sich im Archiv für Zeitgeschichte befinden, waren vor ihrem Einsatz für die Waffen-SS in der schweizerischen Frontenbewegung aktiv.

Rund 2000 Schweizer dienten im Zweiten Weltkrieg in der Waffen-SS. Wichtige Anlaufstelle für Freiwillige aus der Schweiz und aus Liechtenstein war das «Panoramaheim» in Stuttgart. Ungefähr 1500 Schweizer und Liechtensteiner kamen durch diese Betreuungs- und Anwerbestelle zur Waffen-SS.

Franz Riedweg – ranghöchster Schweizer Waffen-SS-Angehöriger

Der in Luzern geborene Franz Riedweg studierte in Bern, Rostock und Berlin Medizin. Politisch aktiv wurde Riedweg in der Schweiz als Mitglied der «Nationalen Front». Von 1936-1937 engagierte er sich als Sekretär von Alt-Bundesrat Jean-Mary Musy für die «Aktion gegen den Kommunismus», die u.a. den antikommunistischen Propagandafilm «Die rote Pest» produziert hatte.

Riedweg übersiedelte 1938 nach Deutschland und heiratete Sibylle von Blomberg, die Tochter des Reichskriegsministers und Generalfeldmarschalls der Wehrmacht, Werner von Blomberg. In Deutschland trat Riedweg in die Waffen-SS ein und war zunächst als Arzt in der Leibstandarte SS Adolf Hitler tätig. In dieser Funktion nahm er am Polenfeldzug teil. Seine Vorgesetzten sahen ihn jedoch aufgrund seiner Führungsqualitäten zu Höherem berufen. Riedweg stieg in der Waffen-SS bis zum Range eines Obersturmbannführers auf und stand somit zwei Hierarchiestufen unter Heinrich Himmler. Franz Riedweg baute ab 1941 das «Panoramaheim» in Stuttgart auf. Als Leiter der von ihm gegründeten «Germanischen Leitstelle» des SS-Hauptamtes in Berlin rekrutierte er später Freiwillige aus den «germanischen» Ländern für die Waffen-SS.

Nach dem Krieg geriet Franz Riedweg 1945 kurzzeitig in amerikanische und 1946 in englische Kriegsgefangenschaft. Das Bundesstrafgericht in Luzern verurteilte ihn 1947 in Abwesenheit zu 18 Jahren Zuchthaus wegen «Angriffs auf die Unabhängigkeit der Schweiz und wegen Vorschubleistens zu fremdem Kriegsdienst». Riedweg trat die Strafe nie an. Er verweilte in seiner Wahlheimat, und die Schweizer Behörde verzichtete auf ein Auslieferungsgesuch. Bis zu seinem Tod praktizierte Riedweg als Arzt in München.

Der Nachlass von Franz Riedweg im Archiv für Zeitgeschichte enthält Unterlagen zu seiner Biografie, zum Bundesstrafgerichtsprozess in Luzern sowie zur Mitgliedschaft in der Waffen-SS, darunter Kopien und Abschriften aus deutschen Archiven.

 Benno Schaeppi – zwischen Ostfront und «Panoramaheim»

Wie Riedweg hatte sich der in St. Gallen geborene Benno Schaeppi in den 1930er Jahren in der «Nationalen Front» betätigt. Von 1936 bis 1938 war er als deren Landespropagandaleiter und als Redaktor des frontistischen Schaffhauser «Grenzboten» tätig. 1939 wurde er zu einer Haftstrafe von vier Monaten wegen wirtschaftlichen und politischen Nachrichtendienstes für Deutschland als Agent des SS-Sicherheitsdienstes Stuttgart verurteilt.

In der Folge zog Schaeppi 1941 nach Deutschland und trat dort in die Waffen-SS ein. Nach einem Einsatz als Kriegsberichterstatter an der Ostfront war er ab 1942 Leiter des «Panoramaheims» in Stuttgart und bis 1944 führendes Mitglied des Bundes der Schweizer in Grossdeutschland (BSG). Nachdem Schaeppi 1944 die Offiziersausbildung in der SS-Junkerschule Bad Tölz absolviert hatte, wurde er im Oktober 1944 zum Untersturmführer befördert und ihm das Kommando der Propaganda-Kompanie des III. germanischen SS-Panzerkorps übertragen.

Benno Schaeppi als Angehöriger der Waffen-SS (SS- Rottenführer), ca. 1942 (AfZ Nachlass Benno Schaeppi / 49)
Benno Schaeppi als Angehöriger der Waffen-SS (SS- Rottenführer), ca. 1942 (AfZ Nachlass Benno Schaeppi / 49)

Nach dem Krieg geriet Benno Schaeppi zwei Jahre in amerikanische Kriegsgefangenschaft in Darmstadt. Nach einem Entnazifizierungsverfahren trat er 1947 illegal in die Schweiz über, um sich im Prozess vor dem Bundesstrafgericht in Luzern zu verantworten. Schaeppi wurde zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt, aber bereits 1956 nach einem Revisionsverfahren frühzeitig entlassen und in die BRD abgeschoben. Danach arbeitete er als Korrespondent verschiedener Presseorgane u.a. in Paris und lebte bis zu seinem Tod in Eckernförde, Schleswig-Holstein.

Der Nachlass von Benno Schaeppi enthält neben biografischen Dokumenten insbesondere Unterlagen zum Bundesstrafgerichts-Prozess und den damit verbundenen Revisionsverfahren. Der Bestand dokumentiert seine berufliche Tätigkeit sowie sein Netzwerk zu ehemaligen Mitgliedern der Waffen-SS nach dem Krieg, darunter auch ein um 1952 für Benno Schaeppi angelegtes Erinnerungsalbum des ehemaligen Schweizer SS-Rottenführers Albert B. Tödtli. Von besonderem Interesse sind die biografischen Radio- und Fernsehsendungen aus den 1970er bis 1980er Jahren. Bereut hat Schaeppi laut eigener Aussage sein Wirken in der Waffen-SS nie, er sah sich stets auf der Verliererseite der Geschichte.

 Weiterführende Literatur

Faist, Moritz: «NS-Verbrechen vor Gericht in Basel. Der Prozess gegen den KZ-Lagerführer Johannes Pauli», in: JetztZeit, Basel 2022 (https://jetztzeit.blog/2022/02/07/ns-verbrechen-vor-gericht-in-basel-der-prozess-gegen-den-kz-lagerfuhrer-johannes-pauli/).

Glaus, Beat: Die Nationale Front. Eine Schweizer faschistische Bewegung 1930-1940, Zürich: Buchclub Ex Libris, 1969.

Mertens, Peter: Schweizerische Freiwillige in der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS 1938-1945, in: Hans-Rudolf Fuhrer und Robert-Peter Eyer (Hg.): Schweizer in „Fremden Diensten“. Verherrlicht und verurteilt, Zürich 2006, S. 291-311.

Rings, Werner: Schweiz im Krieg 1933-1945. Ein Bericht, Zürich: Ex Libris, 1974.

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