Festungen komplett aus Erde – Die altniederländische Befestigungsmanier im 17. Jahrhundert

Das Werk Architectura militaris nova et aucta von Adam Freitag  gilt als erste systematische Aufstellung der Merkmale und Bauanweisungen des altniederländischen Befestigungssystems (sog. Manier). Die nach dieser Manier erbauten Festungen trugen wesentlich zum erfolgreichen Ausgang des Achtzigjähriger Krieges (1568-1648) der Niederlande gegen Spanien bei.

Modell einer polygonal aufgebauten Festung in Bastionärmanier; rechts (fig. 46) Querschnitt durch die Wehranlagen (von links: Hauptwall, Fausse-braie, (Wasser-)Graben, Glacis)

Mit dem Aufkommen und der stetigen Weiterentwicklung von Artilleriegeschützen und Pulvergeschossen sahen sich die Kriegsbaumeister ab dem Ende des 14. Jahrhunderts mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert. Als erste Konsequenz wurden Befestigungsmauern wieder kleiner, dafür umso dicker und mit Erde gefüllt, um Geschosse aufhalten zu können. Zudem wurden die Festungen durch breite Wehranlagen ergänzt.  Um die Dauer einer Belagerung nicht nur zu verlängern, sondern Angreifer effektiv abwehren zu können musste die Festung so angelegt werden, dass ein Kampf mit und gegen Artillerie möglich war. Stabile Plattformen und die Vermeidung toter Winkel waren wesentliche Merkmale der neuen Befestigungssysteme.

 Darstellung  vorgelagerter Wehranlagen. Für die Altniederländische Manier typisch sind die Fausse-braie vor dem Hauptwall, breite Wassergräben und die Demi-lune (fig. 76, D/E/F)

Die durch Freitag beschriebene altniederländische Befestigungsmanier war eine den geografischen Gegebenheiten der Niederlande angepasste Bauweise des Bastionärsystems. Sie ergänzte im frühen 17. Jahrhundert die für damalige Festungen idealtypischen Eigenschaften wie den symmetrischen, sägezahnartigen Grundriss und die vorgelagerten Wehranlagen mit breiteren Wassergräben und Niederwällen (Fausse-braie), welche zusätzliche Möglichkeiten zur Verteidigung lieferten. Sturmpfosten schützten den Hauptwall. Eine Besonderheit war, dass die Festungen zum grössten Teil, wenn nicht sogar vollständig aus Erde bestanden. Dies lag zum einen daran, dass Rohstoffe wie Steine oder Ziegel in der Region rar waren. Zum anderen waren solche Festungen auch kostengünstiger und schnell errichtet. Nachteile waren eine teure Instandhaltung und die Wassergräben, welche im Winter vom Eis befreit werden mussten.

 Möglichkeiten zur Modellierung des Hauptwalls (je nach Eigenschaften des Wassergrabens); hier ohne Fausse-braie, dafür mit Sturmpfosten (fig. 58)

 

Freitags Werk gab den Ausschlag für weitere Autoren, die sich im Verlaufe des 17. Jahrhunderts vielmehr theoretisch als auf praktischen Kriegserfahrungen beruhend mit dem Festungsbau befassten (hauptsächlich mathematische Berechnungen zu optimalen Proportionen der Wehranlagen und zu Flugbahnen der Geschosse). Freitag selbst war promovierter Mediziner und Mathematiker, inwiefern er überhaupt an Bauprojekten seiner Zeit beteiligt war ist unklar.

Die altniederländische Befestigungsmanier war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Werkes (1631, vorliegende Ausgabe von 1665) bereits veraltet, es fehlte für eine weitere Verbreitung dieser Manier die spezifisch geografischen Voraussetzungen der Niederlande. Verbesserungen und Weiterentwicklungen der Befestigungsmanier fanden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts insbesondere durch Vauban und Coehorn statt.

 

Literatur:

Duffy, Christopher: Siege warfare. The fortress in the early modern world, 1494-1660. London: Routledge & Kegan Paul 1979, S. 89 – 100.

Zastrow, A.: Geschichte der beständigen Befestigung oder Handbuch der vorzüglichsten Systeme und Manieren der Befestigungskunst. Leipzig: Winter 1854, S. 102 – 111.

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