Von Kinkel zur Banknote: Eugène Burnands künstlerische Anfänge an der ETH

Im Laufe der Recherchen zu meinem Blogpost über Gottfried Kinkel bin ich auf Vorlesungsnachschriften eines Studenten namens Eugène Burnand (1850-1921) gestossen, einem später in der Schweiz, Frankreich und Deutschland sehr bekannt gewordenen Kunst- und Porträtmalers, heute mit eigenem Museum im Waadtland bedacht. Doch davon weiter unten.

Der junge Burnand sass also als angehender Architekt und Bauingenieur in den „Bauschule“-Vorlesungen von Gottfried Semper (1803-1879) und Gottfried Kinkel (1815-1882) und hinterliess uns wunderschöne Kollegienhefte, die es hier einmal zu würdigen gilt.

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Gottfried Semper: Styllehre. Kollegnachschrift, ausgearbeitet von Eugène Burnand (ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, Hs 64 [I A], S. 97 [95])

Eugène Burnand studierte von Oktober 1868 bis April 1871 am Eidgenössischen Polytechnikum. Seine insgesamt fünf Kollegienhefte zeichnen zwei Vorlesungen Sempers und drei Gottfried Kinkels vom Sommersemester 1869 bis und mit Wintersemester 1870/71 nach. Es handelt sich dabei um kunsthistorisch interessante und individuelle Erzeugnisse eines angehenden Künstlers und nicht Architekten.

Von Gottfried Sempers Vorlesung zur „Styllehre“ (1869/70) ist eine ins Reine gebrachte Nachschrift mit über 400 sorgfältig ausgeführten Federskizzen Burnands vorhanden, im Titel vermerkte der Student „Ausgearbeitet von Eugène Burnand“. Es ist zweifellos das schönste dieser Kolleghefte (siehe Abbildung oben).

Die Hefte zu Kinkels Vorlesungen aus den Jahren 1869 bis 1871 sind hingegen ad hoc entstanden. Sie sind schwungvoller, aber auch liederlicher abgefasst und enthalten allerlei Allotria.

Kinkelstudien

In Bezug auf Gottfried Kinkels Erscheinung erwähnte ich schon, dass er ein einnehmendes Äusseres besass:

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Gottfried Kinkel, ca. 1865 (ETH-Bibliothek, Bildarchiv: Portr_15513F)

Zumindest so einnehmend, dass sich auch der künstlerisch begabte Eugène Burnand davon beeindrucken und inspirieren liess. Federzeichnungen vom Antlitz des Meisters im Profil, en face und Dreiviertelansicht finden sich gleich mehrfach in seinen Vorlesungsnotizen zu Professor Kinkels „Geschichte der modernen Malerei seit Erfindung der Ölfarbe“ (1869/70).

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Gottfried Kinkel: Geschichte der modernen Malerei seit Erfindung der Ölfarbe. Vorlesungsnachschrift von Eugène Burnand (ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, Hs 64 [II c, 3], S. 40)

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Gottfried Kinkel: Geschichte der modernen Malerei seit Erfindung der Ölfarbe. Vorlesungsnachschrift von Eugène Burnand (ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, Hs 64 [II c, 3], S. 44)

Nebst Kinkel zeichnete sich der angehende Porträtmaler auch selber auf den Umschlag seiner Kollegmappe und neben den immer wieder vorkommenden Pferden auch andere hübsche Motive:

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Umschlagmappe der Kolleghefte Eugène Burnands mit Selbstporträt Burnands, um 1870 (ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, Hs 64)

Vom Studienabbrecher zum renommierten Kunstmaler

Mit Architektur oder gar Bauingenieurwesen hat sich der später so erfolgreiche Kunstmaler Eugène Burnand nach Abbruch seines Studiums nie mehr beschäftigt. Er wollte Maler werden.

Und er wird Maler! Ein sehr guter sogar. Burnand zieht nach seinen Zürcher Jahren zunächst nach Genf. Von 1871 bis 1872 studiert er dort beim renommierten Landschaftsmaler Barthélemy Menn (1815-1893) und setzt seine Studien bis 1876 bei Jean Léon Gérôme (1824-1904) an der Ecole des Beaux-Arts in Paris fort. Von 1876 bis 1877 folgt ein Abstecher nach Rom und Florenz.

1878 heiratet Eugène die Tochter (und Aquarellmalerin) seines Lehrmeisters Paul Girardet, eines bekannten Kupferstechers in Versailles. Mit Julie wird er acht Kinder haben. Burnand eignet sich die graphischen Techniken an und illustriert mehrere Werke mit Kupferstichen und Radierungen. Er malt mit wachsendem Erfolg und gewinnt 1889 und 1900 an den Pariser Weltausstellungen Goldmedaillen. 1893 wird er als Chevalier in die französische Légion d’honneur aufgenommen.

Erst ab 1903 lebt der Romand mit seiner Familie wieder in der Schweiz, genauer in Hauterive (Kt. Neuenburg). Nach fünf Jahren kehrt er nach Paris zurück, um dann die Jahre des 1. Weltkrieges wieder in der Schweiz auf dem stattlichen Familiensitz der Burnands in Sepey (Kt. Waadt) zu verbringen.

Eugène Burnand gehört zu den wenigen Schweizer Künstlern, die von ihrer Kunst gut leben konnten. Burnand verstand es meisterlich, seine Werke zu vermarkten. Der grösste Teil seiner Bilder wurden schon zu seinen Lebzeiten von öffentlichen Sammlungen in Frankreich (Louvre) und Deutschland zu hohen Preisen angekauft, oft reproduziert und weit verbreitet. So besitzt auch das Bildarchiv der ETH einige Postkarten aus der Postkartensammlung Feller, die Gemälde Eugène Burnands widergeben:

Poststempel 01.08.1917. "Die Mutter"

Eugène Burnand: Die Mutter. Bundesfeier 1917. Für das Schweiz. Rote Kreuz (ETH-Bibliothek, Bildarchiv, Fel_070197-RE)

Poststempel 01.08.1950

Eugène Burnand: Der Bauer. Bundesfeier 1950. Für das Schweiz. Rote Kreuz (ETH-Bibliothek, Bildarchiv, Fel_018686-RE)

Burnand ist auch der einzige Künstler der Romandie, dem ein eigenes Museum gewidmet ist. Das Musée Eugène Burnand in seiner Geburtsstadt Moudon beherbergt über 100 Bilder. Sein Oeuvre ist mit knapp 200 Bildern überschaubar.

Unsere Grosseltern oder Eltern, je nach Jahrgang, dürften übrigens ab und zu einen „Burnand“ in der Hand gehalten haben. Von 1907 bis 1911 gestaltete Eugène Burnand zusammen mit seinem Malerfreund Ferdinand Hodler (1853-1918) die Burnand/Hodler-Banknotenserie der Schweizerischen Nationalbank. Diese Zweite Banknotenserie der beiden Schweizer Kunstmaler war so lange im Umlauf wie keine andere, von 1911 bis 1958. Eugène Burnand gestaltete die 1000er und die 500er Note mit dem Bildnis des „Vreneli“.

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